Helmut war hundemüde. Zwar hatte er in der Nacht ein paarmal den Ruheraum aufgesucht, war aber zu angespannt gewesen, um einfach einzuschlafen und als es endlich einmal soweit gewesen war, kam ein Notfall herein. Gegen halb fünf hatte er neuerlich Gelegenheit gehabt, sich hinzulegen und war sogar kurz eingeschlafen, doch nach gerade einmal einer guten Stunde, hatte ihn Schwester Elke zu Frau Hager gerufen...
Diese Frau hatte irgend etwas ausgelöst in ihm. Dabei war es ihm nicht möglich, diesen Umstand zu begreifen oder gar zu beschreiben. Als er zu diesem Notfall kam, war sie bereits intubiert und bewusstlos gewesen. Auch hatte er mit ihrem Namen noch nichts anfangen können. Das kam erst nach dem ganzen Stress. Zugegeben, sie war eine anziehende Person, doch mit dem Tubus im Mund und dem aschfarbenen Teint einer Sterbenden ist niemand anziehend und dass sie diese Reporterin war, deren geradlinige, korrekte Berichterstattung er so mochte, wusste er da auch noch nicht...
Er beschloss, seinen Porsche im Parkhaus stehen zu lassen um dem üblichen Theater im Salzburger Morgenstau zu entkommen. So müde Auto zu fahren, war ein unnötiges Risiko. Auch... oder gerade eben im Stadtverkehr, fährt man zwar nicht schnell, oft aber unkonzentriert. Ein vorbeischleichender Fußgänger oder ein ungeduldiger Biker sind leicht zu übersehen und wenn ein Unfall erst einmal passiert ist, ist es für diese Einsicht zu spät...
Sollte er zurück gehen und sich im Ruheraum nochmal hinlegen? Und dann später, wenn er ausgeschlafen hätte, zum Mondsee rausfahren. Er hatte da ein kleines Seegrundstück gepachtet... Außerdem gab ihm das die Möglichkeit, bei Thalgau abzufahren und in Petras Hotel vorbei zu schauen.
"Wieso lässt mich dieser Fall nicht los?" fragte er sich, es kann doch nicht meine Aufgabe sein, mich um die persönlichen Belange einer Patientin zu kümmern.
Er ging in den Ruheraum, verdunkelte die Fenster und legte sich hin. Obwohl ihn die jüngsten Ereignisse intensiv beschäftigten, fiel er innerhalb weniger Minuten in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
In der Stadt, in Petras Wohnung hatten sich in der Zwischenzeit einige Polizisten eingefunden. Aufmerksame Nachbarn hatten sie gerufen, weil ihnen die offenbar brutal aufgebrochene Wohnungstür aufgefallen war. Hier hatte jemand alles durchsucht oder besser gesagt durchwühlt. Man konnte kaum einen Schritt tun, ohne Gefahr zu laufen, auf einen Gegenstand zu treten, der gar nicht dort liegen sollte...
Besonders auffällig war, dass die kleine Schmuckschatulle auf ihrem Schminktisch unberührt war, die teure Armbanduhr unversehrt in ihrem Lederbehältnis lag, während der Schreibtisch zerstört, die Laden zerborsten auf dem Boden lagen. Der Standrechner lag daneben, die Festplatte war unfachmännisch förmlich herausgerissen worden. Wer auch immer in Petras Wohnung eingedrungen war, was er an Zerstörung und Schaden hinterlassen hatte, zeugte von Ungeduld und hoher Gewaltbereitschaft. Dieser Jemand wollte offensichtlich Dateien aus Petras Recherchen an sich bringen! Wenn nötig, auch mit brachialer Gewalt...