Die Tür hatte sich geöffnet und Helmut kam herein. Es war für sie, als ginge die Sonne auf. Erst ein paar Stunden war es her, da hatte sie diesen Mann unter widrigen Umständen kennengelernt. Doch zum allerersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, dass dieser Mann die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel sei. Nicht, dass sie bisher gar keine Begegnungen mit dem anderen Geschlecht gehabt hätte. Aber durch die Erlebnisse in ihrer Jugend mit ihrem Stiefvater, war sie nur bedingt beziehungsfähig gewesen, was noch bei jeder versuchten beginnenden Beziehung zum Aus geführt hatte. Sie hatte verlernt, zu einem Mann Vertrauen aufzubauen. Und da ihre Mutter bedingungslos zu Petras Stiefvater gehalten hatte, hatte sie nie wirklich zärtliche Zuneigung erfahren. Der Respekt, die liebevolle Art, in der ihr Helmut von Anfang an begegnet war, war ihr bisher vollkommen fremd gewesen... Lange, hatte sie die gerade vorhin aufgetauchten Erinnerungen verdrängt gehabt, sich in ihrer eigenen kleinen Welt und ihrer Arbeit abgekapselt und sich - und das ist interessant - jede Art von Sehnsucht verboten. Wie hätte sie sich auch je nach Zärtlichkeit sehnen können, wenn sie doch nie welche erfahren hat. Dieses Gefühl war neu und unglaublich schön für sie.
Als Helmut sich zu ihr setzte, suchte sie seine Hand. Er war der Erste gewesen der je ihre Hand genommen und sie liebevoll behandelt hatte, als er heute morgen zu ihr gekommen war. Das hatte alles in ihr verändert und anders, als nach ihrem ersten Erwachen, war sie nun unheimlich froh darüber, dass er sie zurück geholt hatte, dass sie nicht durch das Licht gegangen war...
Gefühlvoll bereitete er sie nun auf ein Gespräch mit der Polizei vor. Er versprach ihr auf ihre Bitte hin, während des Gesprächs bei ihr zu bleiben. Das gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und beruhigte sie. Der Polizist war freundlich und gestaltete die Befragung sehr einfühlsam. Er bemühte sich wirklich, jede Aufregung ihrerseits zu vermeiden, so wie er es dem besorgten Arzt versprochen hatte.
"Frau Hager, Helmut hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich keinesfalls aufregen dürfen und überhaupt stehen sie offenbar unter seinem persönlichen Schutz, was ich sehr begrüße. Leider kann ich nicht umhin, ihnen ein paar Fragen zu stellen und ihnen auch ein paar Tatsachen näher zu bringen, von denen ich hoffe, dass sie sie nicht über Gebühr belasten."
Petra nickte und Rudi fuhr fort.
"Wir wissen nicht nur, dass ihnen jemand nach dem Leben trachtet, es ist uns auch bekannt, dass es den Tätern um ihre Aufzeichnungen zu einer Recherche gehen muss. Ich muss ihnen nun leider mitteilen, dass in ihre Wohnung eingebrochen und alles durchwühlt wurde. Keine Angst, ihr Schmuck und ihre teure Uhr blieben unberührt, ihr Standrechner ist allerdings kaputt!"
Der Monitor zeigte eine deutliche Erhöhung ihrer Herzfrequenz an. Helmut warf Rudi einen missbilligenden Blick zu und drückte Petras Hand ein Wenig.
"Wir haben Ihre Wohnung natürlich wieder versperrbar machen lassen und dafür gesorgt, dass niemand mehr hinein kann. Sie können also ganz beruhigt sein und so lang wie nötig im Krankenhaus bleiben. Ich schicke auch, wenn Sie das beruhigt, täglich eine Streife hin, um nach dem Rechten sehen zu lassen. Aber dieser Einbruch und ein Weiterer in ihre Hotelsuite, sagen uns, dass sie mit ihren Nachforschungen jemandem auf die Zehen getreten haben. Und zwar einem mächtigen Jemand... Frau Hager, woran haben Sie zuletzt gearbeitet, wer fürchtet sie so sehr, dass er sie töten möchte?"
Petra zögerte. Nach einem fragenden Blick zu Helmut, wandte sie sich wieder dem Ermittler zu.
"Es geht wohl um eine Entsorgungsfirma für Problemstoffe. Dazu gehören auch Chemie- und Pharma-Produkte. Der Spruch, das sich heute mit Altstoffentsorgung mehr verdienen lässt als mit Neuwarenverkauf, trifft zu. Wenn auch nicht ganz so, wie er ursprünglich gemeint ist.
Was hier getrieben wird, kostet mit Sicherheit hunderten von Menschen das Leben. Ich bin denen auf die Schliche gekommen und begann, Beweise zu sammeln. Das hat wohl die Mafia hinter dem ganzen Deal auf den Plan gerufen."
"Es sieht ganz danach aus. Frau Hager, ich muss sie bitten, mir Zugang zu ihren Aufzeichnungen zu gewähren. Sie können mir vertrauen. Ich möchte das nicht über den Staatsanwalt machen müssen, weil ich Ihnen das Material nicht nehmen, sondern nur Einsicht nehmen will. Das Urheberrecht und die Story bliebe dann mit Sicherheit bei Ihnen. Und je eher Sie das Problem anzeigen, desto mehr Leben können wir retten. Das ist doch auch in Ihrem Sinne nehme ich an... Vertrauen sie mir bitte, Frau Hager! Helmut tut das auch!"
Petra sah von Rudi zu Helmut...