"Helmut?"
"Ja?"
"Da ist noch was, was ich dich fragen möchte..."
"Was denn, Petra?"
"Naja, ich weiß nicht recht wie... Du hast heute schon mal gesagt, ich brauche nicht "drüben" auf dich zu warten, weil du auf dieser Seite bleibst."
"Jah..."
"Und vorhin, da hast du vom Tunnel gesprochen und das klang so... so selbstverständlich, als hättest du selbst schon davor gestanden, irgendwann... Kann es sein, dass du mir was verschweigst? Dass du so etwas auch schon mal erlebt hast?"
"Nicht direkt."
"Aber du sagtest vorhin, ich hätte ihn dir selbst gezeigt. Und ich wollte scheinbar "drüben" auf dich warten...?"
"So war es auch mein Schatz, und ich weiß selbst nicht, wie es dazu kommen konnte, denn es schien dann auch alles so zu kommen, wie du es mir in dem Traum gesagt hattest. Dass ich dich nur zurückholen durfte auf diese Welt, weil du im Begriff warst, viele Leben zu retten, dass ich selbst dafür aber bald durch das Licht gehen müsste. Und dann wolltest du aber schon dort auf mich warten. Und die Kugel die mich gestreift hat, hätte mich auch durchaus töten können."
"Was hab ich gesagt?"
"Dass du dort schon auf mich warten möchtest, um mir all die Liebe zu schenken, die du mir auf dieser Seite nicht geben durftest."
"Das hab ich gesagt?"
"Du sagtest:" Ich möchte nicht zweimal auf mein Glück mit dir verzichten müssen!"
"Und dann?"
"Dann hast du deine Hände um meinen Hals gelegt und mich zärtlich geküsst."
"Helmut... Komm her!"
Rudi war außer sich! Reflexartig griff er sich unter die Achsel. Sinnloser Weise, denn er lagerte seine Waffe nie im Spind. Er trug sie aber auch nur selten am Körper. Nur bei dem heutigen eher ungewöhnlichen Einsatz, hatte er sie sicherheitshalber im Schulterhalfter angelegt.
"Das hier ist das Polizeipräsidium, verdammt nochmal! Wo sind wir hier, wenn sich die Polizisten schon gegenseitig bestehlen. Was ist aus unserem glücklichen Österreich geworden? Felix Austria?"
Er sprang auf und eilte mit seinem Kollegen in die Garderobe. Sein Spind war tatsächlich gewaltsam geöffnet worden. Alle anderen waren unversehrt. Aber es fehlte nichts. Ein schrecklicher Verdacht kam ihm, deshalb lief er sofort zurück zu seinem Schreibtisch. Er schloss die linke Tür auf und fand Petras Tasche samt Inhalt unversehrt vor. Wenigstens hatte sich der Täter nicht getraut neben den Kollegen Rudis Schreibtisch auszuräumen. Rudi aber war völlig klar, wonach gesucht worden war. Er würde die Tasche sofort in Sicherheit bringen. Er griff nach dem USB-Stick um ihn abzuziehen, aber da war keiner mehr...
Wilfried Keil kannte seinen Spezi lang und gut. Er musste ein großes Problem haben, wenn er Wilfried bat, während seines Dienstes zu ihm ins Büro zu kommen und zwar persönlich und allein. In geheimer Mission sozusagen. Er war gespannt, wusste aber insgeheim, dass es sich nur um diese Journalistin handeln konnte. Er stand nun vor dem Büro und klopfte. Helmut öffnete.
"Was kann ich für dich tun, Helmut? Oder besser wohl, für euch tun?"
"Was ich von dir möchte ist schnell erklärt aber nicht in ein paar Sätzen zu begründen, Wilfried und ich weiß, dass du keine Zeit hast. Ich kann nur auf dein Vertrauen hoffen. Wir haben Petra offiziell sterben lassen müssen. Nur der ermittelnde Kriminalpolizist Rudi Weninger, Schwester Monika und jetzt du, wissen außer mir Bescheid. Petra schwebt nach wie vor in mehrfacher Lebensgefahr. Wenn rauskommt, dass sie noch lebt, ist mit einem Killerkommando zu rechnen, sie ohne ärztliche Aufsicht aus dem Krankenhaus zu entlassen erlaubt ihr Gesundheitszustand noch nicht... Und JA, wir sind zusammen!"
"Also?"
"Würdest du mich aufgrund meiner Verletzung durch den Streifschuss krankschreiben, um mir die Möglichkeit zu geben, Petra in Sicherheit zu bringen?" Du weißt, ich kann jetzt nicht einfach sagen: "Juhuu ich brauch Urlaub!" Es ist sowas wie höhere Gewalt, wenn du weißt was ich meine..."
"Du bist vielleicht eine Nummer, Heli. Wieviele Operationen hast du für diese Woche geplant?"
"Drei oder vier. Ihr müsst mich vertreten bitte! Ich kann Petra nicht im Stich lassen!"
"Nein, kannst du nicht. Es wäre ihr sicherer Tod. Schreib zusammen, was du an Medikamenten für sie brauchst. Ich werd sie besorgen und schreib dich jetzt mal bis auf weiteres krank."
Er ging um den Tisch herum zu Petra und fühlte ihren Puls.
"Erstaunlich! aber es ist erfreulich, dass sie so stark sind. Unter normalen Umständen würde ich mich weigern, sie aus dem Krankenhaus zu lassen, aber mit Helmut an ihrer Seite haben sie eine Chance. Wohin wollt ihr denn? Zu dir ist ziemlich riskant würd' ich sagen, Heli. Zumindest wenn rauskommt, dass Petra nie in der Pathologie angekommen ist."
"Ich weiß nicht recht. Eventuell schon erst mal zu mir, dann fällt mir schon was ein. Vielleicht an den Mondsee. Ich hab da ein kleines Seegrundstück gepachtet und der Inhaber dieses Grundstücks hat auch Ferienwohnungen und ein kleines Ferienhaus. Das vermietet er normalerweise nicht, weil er es sporadisch selbst nutzt, aber ich habe es schon so manches Wochenende bewohnt und ich hab den Schlüssel, so dass ich auch rein kann, wenn er nicht zu Hause ist. Er ist ein netter Kerl aber geschäftlich viel im Ausland unterwegs. Ich schreib ihm dann immer auf, wie lang ich da war und leg ihm das Geld hin. Ganz unkompliziert."
"Ok, ich muss zurück ins Behandlungszimmer. Schreib alles zusammen und ruf mich dann nochmal an. Ich komm dann sobald ich etwas Luft hab mit der Krankmeldung und allem was du brauchst. Bis dann! Er nickte Petra zu und wandte sich zur Tür.
"Danke Wilfried!" sagte Helmut.
"Ich kann dich ja nicht hängen lassen, Heli! Hoffentlich geht das gut aus..."