Rudi war fahrtechnisch gut ausgebildet und hatte schon aus beruflichen Gründen mehrere Fahrsicherheitstrainings und entsprechend Erfahrung gesammelt. Er wollte aber keinesfalls, dass es in der Stadt zu einer Verfolgungsjagd käme. Im Gegensatz zu den Fernsehkrimis sind die Polizeibeamten in der Realität dazu angehalten, nach Möglichkeit deeskalierend zu wirken und alles zu vermeiden, was die Bevölkerung gefährden könnte. Er hätte es vermutlich problemlos geschafft, dem möglichen Verfolger zu entwischen. Was aber, wenn dieser bei der Verfolgung jemand unbeteiligten verletzt oder gar tötet?
Weninger wechselte mehrmals in vernünftigen Tempo die Fahrspur, um am Verhalten des verdächtigen Fahrers dessen Vorhaben zu erkennen. Es war ohne weiteres möglich, dass dieser gar nicht an ihm interessiert war. Rudi fuhr nun ziemlich unvermittelt von der ganz linken Spur nach rechts und bog sofort ab. Der silberfarbene Passat hatte keine Möglichkeit, zu reagieren. Sollte er nun trotzdem wieder in seinem Rückspiegel auftauchen, oder über einen anderen Weg in der Klinik auftauchen, war damit zu rechnen, dass es sich bei ihm um eine potentielle Gefahr handelte...
Wilfried hatte für die beiden noch einiges zusammengestellt, unter anderem auch Schmerz- und Schlafmittel und Schwester Monika hatte ihm für Petra noch eine weiße Hose und eine Bluse aus Anstaltskleidung mitgegeben. Sie hatte ihre Größe geschätzt und es war wohl auch nicht so genau, aber praktisch. Petra hatte nämlich nichts Dabei gehabt, als sie hierhergeflogen worden war, außer einem Nachthemd und einem Slip. Noch nicht mal Schuhe. Im Moment trug sie nur ein Anstaltsnachthemd. Wilfried hatte sich auch Gedanken gemacht, wie sie Petra unbemerkt rausschaffen konnten. Er kam in Helmuts Büro und hatte auch noch ein Kopftuch mit.
"Hab ich mir von einer muslimischen Pflegerin ausgeliehen, Petra, damit erkennt dich kein Mensch auf dem Weg zum Auto. Rollstuhl steht bereits draußen. Ach ja, Wilfried!"
Er streckte ihr die Hand hin und hatte seinen Vornamen genannt, weil er davon ausging, dass er sie als Partnerin seines Freundes sowieso duzen sollte. Sie ergriff seine Hand.
"Danke Wilfried! Ich weiß gar nicht, wie ich euch das einmal vergelten soll! Dir und auch Monika..."
"Am Besten, indem du wieder gesund wirst und unseren Heli glücklich machst.",
grinste er und an Helmut gewandt:
"Du holst jetzt am Besten dein Auto. Ich bleibe bei Petra und pass auf sie auf. Wenn du am Gebäudeeingang bist, ruf mich kurz an, dann kommen wir."
Mit einem Blick auf Petra verließ Helmut das Zimmer. Er ging ins Parkhaus und holte seinen Wagen. Als er gerade auspacken wollte kam ein Parkplatzsuchender mit einem Golf. Helmut stieg wieder aus und bedeutete ihm, dass er auf seinem parken könne, denn es war Rudi, der da hinterm Steuer saß.
"Du darfst sogar auf meinem Ärzteplatz parken, Rudi. Ich hole jetzt Petra und hau ab mit ihr."
"Das ist gut! Nimm mir noch schnell Petras Sachen ab! Sie sind bei mir nicht mehr sicher! Ich fahr sofort wieder ins untere Deck, denn da wird gleich ein grauer Passat auftauchen. Ich lock den nach Lehen raus und du verschwindest mit ihr so schnell du kannst in die andere Richtung. Machs gut, Alter! Ich ruf dich später an! "
"Aber..."
Doch Rudi war schon mit quietschenden Reifen abgezogen. Helmut legte Petras Tasche hinter die Sitze. Sein Porsche war zwar bärenstark und lustig zu fahren. Praktisch in irgendeiner Form oder gar geräumig war er dafür nicht. Als er aus dem Parkhaus ausfuhr, sah er Rudi etwa 100 Meter weiter vorn um die Ecke biegen. Ein silberfarbener Passat folgte ihm...