Helmut setzte den Blinker und schaltete runter. Ein sonores Brummen war zu hören und der Porsche drosselte fühlbar die Geschwindigkeit. Am Ende der Abfahrt bog er rechts ab, Richtung Oberwang.
"Wo ist der See?"
Petra wunderte sich.
"Da hätten wir links abbiegen müssen. Jetzt holen wir uns erst ein Wenig Proviant."
Sie kamen an einer Tankstelle vorbei.
"Da holen wir uns dann die Nachspeise."
"In einer Tankstelle?"
"Das ist nicht irgendeine Tankstelle! Das ist die von Oberwang. Die ist Kult. Und hier gibt's Pofesen. Aber jetzt fahren wir erst mal zum Metzger, danach zum Greißler und dann zur Tankstelle. Wenn wir alles haben, beziehen wir unser kleines Ferienhaus. Und dann, wenn wir eine Kleinigkeit zu Essen hatten, ruhen wir uns mal ein Wenig aus, mein Schatz."
"Was, bitte, sind Pofesen?"
"Das wirst du sehen, wenn du reinbeißt." grinste Helmut. Er hatte diese Frage schon öfter gehört. Immer wenn er Freunde oder Bekannte eingeladen hatte in sein Feriendomizil, eine ehemalige Almhütte, die durch das natürliche Wachsen der Siedlungen in den Landgemeinden leicht erreichbar und gut bewohnbar modernisiert worden war.
Es klopfte an Werner Konrads Tür. Anton und die anderen beiden Kollegen hatten nicht schlecht gestaunt, als Weber mit Rudi aufgetaucht war, mit Rudis Laptop in der Hand.
"Guten Tag, die Herren! Weber, Innere Sicherheit. Zu Herrn Konrad bitte!"
Anton war aufgestanden und klopfte an Konrads Tür.
"WAS IST?"
Konrad hatte die Tür geöffnet und die Frage ungehalten in den Raum gebrüllt. Weber schüttelte unmerklich den Kopf. Es würde ihm Spaß bereiten, diesen inkompetenten Nestbeschmutzer in die Schranken zu weisen. Er war davon überzeugt, dass eine weitere Verfolgung dieses Falles durch Weninger durchaus sinnvoll gewesen wäre. Das Verhalten dieses Mannes bestärkte ihn in dem Glauben, dass er von ihm gerufen worden war, um dessen Rachegelüste zu befriedigen. Nach Webers Einschätzung, wollte er mit der Unterstellung von seiner eigenen Inkompetenz ablenken und ein Exempel statuieren, damit die anderen Kollegen seine Autorität bestätigt sahen. "Du falscher Hund!" dachte Weber, "Von dir lass ich mich nicht missbrauchen um deinen Neid zu befriedigen." Er wusste, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, insgeheim hinter Weninger zu stehen. Aber er würde sich nichts anmerken lassen...
"Da ist er ja, der Befehlsverweigerer. Was haben sie sich dabei gedacht, mit den Beweisen abzuhauen, Weninger? Sie haben ja ihre Waffe noch!"
tobte Konrad, und zu Sepp gewandt: "Wieso haben sie ihn nicht festgenommen?"
"Dazu bestand kein Anlass, Herr Konrad. Herr Weninger hatte sein Arbeitsgerät bei sich, was zur Berichterstellung nicht unüblich ist, und hat darauf angesprochen sofort kooperiert. Als ich ihm sagte, dass sie ihn der Beweisunterschlagung bezichtigen, fiel er aus allen Wolken. Er hat mir erklärt, nur seine Arbeit zu tun. Ich habe ihn aufgefordert mitzukommen und das Missverständnis zu klären und er hat sich sofort dazu bereit erklärt."
"Nein, ganz so ist das nicht! Er bearbeitet seit heute Morgen einen Fall, ohne mich informiert zu haben. Ich hatte keine Ahnung von seinen Ermittlungen, als mich der Staatsanwalt gebeten hat, ihn abzuziehen. Und dann verschwindet er einfach mit den ganzen Aufzeichnungen!"
"Hatte er denn den Befehl, sie hier zu lassen, weil sie ihn einen Befehlsverweigerer schimpfen?"
"Selbstverständlich ist er verpfichtet, seinen Vorgesetzten immer auf dem Laufenden zu halten, sowas braucht man doch nicht explizit zu befehlen!"
Da meldete sich Rudi zu Wort.
"Ich konnte mich leider nicht mit den Beweisen bei ihnen melden, weil sie mir von irgendeinem kriminellen Subjekt gestohlen worden sind, während ich mich zu meinem aufgebrochenen Spind begeben hatte... Es gibt also entweder mehr Dinge in ihrer Abteilung, die sich ihrer Kenntnis entziehen, oder es geschah auf ihre Anweisung, sie Superboss!"
"Was erlauben sie sich? Das lass ich mir nicht bieten! Darüber reden wir noch. Ich sollte sie eigentlich vom Dienst suspendieren, aber ich will nicht so sein und werde davon absehen, wenn sie sich entschuldigen. Also. ich höre!"
Rudi zog seine Jacke aus und öffnete sein Schulterhalfter. Er legte die Waffe und seine Marke auf seinen Schreibtisch und wandte sich neuerlich an seinen Vorgesetzten.
"Herr Konrad ich darf es leider nicht behaupten und als Tatsache hinstellen, aber ich glaube, sie sind ein geltungssüchtiger, unfähiger, mieser kleiner Arschkriecher, der seinen Untergebenen Beweismittel stiehlt, um sie hinterher der selben Straftat zu bezichtigen. Den Vorgesetzten in den Arsch zu kriechen und jenen Leuten die den Erfolg ihrer Abteilung ausmachen in den Arsch zu treten mag eine Zeitlang funktioniert haben. Jetzt nicht mehr! Mit mir jedenfalls nicht! Speichelleckende Kriecher wie sie, brauchen nicht auf mich herabzusehen. Ich habe wenigstens die Courage auch einem Vorgesetzten zu widersprechen und nicht wie sie, nur ihren Untergebenen. Sie brauchen mich nicht zu suspendieren, weil ich unter einem derart unfähigen Vorgesetzten ohnehin nicht mehr arbeiten werde!"