Monika war überrascht über Wilfrieds Worte, wenn auch angenehm. Sie hatte bisher kaum Dienst gehabt mit ihm, und hatte bisher keine Meinung zu ihm gehabt, doch sein Verhalten heute schmeichelte ihr. Er hatte noch nie Anstalten, gemacht, sie merkbar anzubaggern und sie hatte bisher nicht das Gefühl gehabt, dass er sie überhaupt als Frau wahrgenommen hatte. Bis heute. Aber wie er sie vorhin verteidigt hatte und dass er wie beiläufig Helmuts Kompliment bestätigt hatte, zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht. In diesem Moment bemerkte sie, dass sie sich noch immer an seinen Oberarm klammerte.
"Oh, entschuldige!"
Sie ließ ihn los als hätte sie sich die Finger verbrannt und errötete ein Wenig.
"Hat nicht weh getan, Moni."
grinste er. Gleich darauf kam ein Whats app mit Weningers Nummer, die er sofort anrief.
"Hallo, Herr Weninger. Doktor Keil hier. Ich hab mit Helmut studiert. Schwester Monika hat eine Entdeckung gemacht, die sie interessieren wird. Ich geb das Telefon an sie weiter."
Endlich konnten sie Rudi informieren. Monika erzählte ihm von dem Fernsehbericht und bat ihn, sich diesen im Internet abzurufen. Er hätte dann die Möglichkeit die Aufnahmen mit jenen zu vergleichen, die sie ihm Vormittag ausgehändigt hatte. Rudi versprach, sich sofort in die Mediathek des ORF einzulocken. Er würde sich bald wieder melden. Monika versprach, ihm auch ihre eigene Telefonnummer zu senden und legte auf. Ihre Kollegin kam vom Dienstzimmer her auf sie zu.
"Was machst du denn noch hier, Monika. Ich hab den Patientinnen schon alles gebracht was sie für die Nacht brauchen. Sie sind ganz aufgeregt wegen des Mordes auf 219. Und der arme Doktor Burger. Den muss es auch ganz schön erwischt haben."
"Ich hab noch mit dem Kripomann telefoniert und mit Doktor Keil diskutiert. Wir müssen einige Operationen verlegen, wenn Doktor Burger nicht einsatzfähig ist. Aber ich geh jetzt. Mir reicht's für heute. Ich wünsch dir eine ruhige Nacht, Maria."
"Ich teil mir die Schicht heute mit Lisa von der Männerstation. Mit der versteh ich mich gut. Wenn die meine Pausenvertretung macht, hab ich ein gutes Gefühl dabei. Das ist leider nicht bei allen so. Ciao Monika!"
Wilfried schickte sich ebenfalls an, die Besucherinsel zu verlassen.
"Die ruhige Nacht wünsch ich uns dreien, Schwester Maria! Sie rufen mich an, auf's Diensthandy, wenn was ist?"
"Aber ja, Herr Doktor."
Wilfried ging mit Schwester Monika Richtung Treppe. Auf halber Strecke schlug neuerlich ihr Handy an.
Es hatte etwas abgekühlt und Helmut hatte den Arm um Petra gelegt.
"Ich hoffe, du verkühlst dich nicht, Kleines, du hast vermutlich nur wenig Abwehrkräfte in dir, nach deinen Erlebnissen."
"Du hast Recht, ich möchte nicht auch noch krank werden, sondern eher wieder belastbar. Aber es ist so schön hier draußen. Ist das da Loibichl, da unten?"
"Das ist Lehen, eine Siedlung die auch zu Loibichl gehört. Der Ort selbst ist dort, weiter unten. Oh! Scheinbar kommt noch ein Gewitter:"
"Wieso? Wie kommst du darauf?"
"Siehst du da unten am See das orange Drehlicht? Dort ist das Seestüberl. Dort ist das Einsatzboot der Wasserrettung stationiert und die große orangefarbene Drehleuchte auf dem Fahnenmast bedeutet Sturm. Wind ist aufgekommen. Und wenn du ganz scharf auf den See blickst, kannst du weiße Schaumkronen in der Dunkelheit erahnen und eine weitere Drehleuchte. Wenn der See sich grün färbt, hat mir mal ein alter Seebär gesagt, und wenn er Schaumkronen auf die Wellen setzt, dann ist es besser ihn fluchtartig zu verlassen. Das kann innerhalb Minuten umschlagen, weißt du?"
"Ich glaube, sie haben Recht. Das muss der Mörder sein. Jetzt bin ich froh, dass wir das Bild oder das Video noch nicht veröffentlichen konnten."
"Wieso? Das versteh ich jetzt nicht, Herr Weninger. Wie wollen sie ihn denn dann kriegen?"
"Dieser Mann scheint an einer Botschaft zu arbeiten und kann sich dort der Strafverfolgung entschlagen, beziehungsweise genießt er vielleicht diplomatische Immunität, was ich aber nicht annehme. Ich glaube nicht, dass er persönlich Diplomat ist. Eher Fahrer oder Security eines Solchen. Aber auch dann wären wir machtlos, solange er sich in der Botschaft befindet. Wenn wir also ein Foto von ihm veröffentlichen, ist er gewarnt und braucht nur dort zu bleiben. Wenn wir ihn auf österreichischem Hoheits-Gebiet erwischen, können wir uns mit dem Material, das sie sichergestellt haben, rechtfertigen, ein Mitglied des diplomatischen Corps festgenommen zu haben, weil wir ja starke Beweise seiner Schuld haben."
"Das klingt ja mal ganz gut, Herr Weninger."
"Gut ist, dass ich von der Kripo suspendiert wurde, und jetzt im Auftrag der Abteilung für Innere Sicherheit arbeite. Ich habe jetzt einen starken Partner und kann mich trauen, diesen Gauner auch ohne Haftbefehl zu schnappen, und hinterher seine Schuld zu beweisen!"
"Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Weninger..."
Monika merkte jetzt erst, dass es schon fast 21:00 Uhr war. Wilfried begleitete sie zur Treppe.
"Du hast meine Handynummer?"
"Die vom Diensthandy."
"Ist da deine Privatnummer drin?"
"Ja leider! Unter Pfeifer privat. Hab ich einmal gebraucht und vergessen, sie raus zu löschen."
"Gut, dann schick ich dir meine. Holst du mich ab, wenn ich Dienstschluss habe?" Ich meine unten, am Kaffeeautomaten. Bevor wir nach Mondsee rausfahren..."
"Mach ich. Einen ruhigen Dienst wünsch ich dir!"
"Und dir eine gute Nacht! Sieh zu, dass du ein Wenig Schlaf erwischst. War ein aufregender Tag."
Monika nickte. Sie wusste nicht was sie entgegnen sollte und ging die Treppe hinunter. Sie wohnte nur ein paar Stationen weiter und würde bald zu Hause sein.