Helmut und Petra waren hineingegangen. Es hatte tatsächlich zu regnen begonnen und der Wind hatte etwas aufgefrischt. Sie hatten bereits den Abwasch erledigt, hatten einige Zeit noch im gemütlichen Wohnbereich gesessen und waren nun eigentlich zum Schlafengehen bereit. Eigentlich?
Helmut merkte, dass Petra sich ein Wenig davor scheute, nun mit ihm das Bett aufzusuchen.
"Petra, ich spüre da eine Unsicherheit in dir. Möchtest du, dass ich heute Nacht auf der Couch schlafe? Du kannst es mir ruhig sagen. Es macht mir nichts aus. Ich kann das verstehen..."
"Auf gar keinen Fall! Ich möchte unbedingt morgen an deiner Seite aufwachen! Ich freue mich schon die ganze Zeit darauf..."
"Aber?"
"Ich weiß nicht wie ich es sagen soll... Passt es für dich, wenn ich zuerst ins Bad gehe... und dann, wenn du im Bad bist, geh ich zu Bett. Ich weiß das ist dumm... und du bist Arzt und hast mich schon ... Weißt du, ich hab da keine... ich weiß nicht wie ich das sagen soll..."
Heli legte ihr den Finger auf die Lippen. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte:
"Genau so machen wir's, mein Engel. Und dann liegen wir zusammen im Bett, und du kannst genauso nah zu mir rücken, wie es dir angenehm ist. Ich werde dich gerne in den Arm nehmen, wenn du das willst, aber ich bin nicht enttäuscht, wenn nicht. Geh jetzt ins Bad, Kleines. Ich geh danach und komme dann zu dir."
"Ich hab dich lieb!" flüsterte sie und stand auf, um ins Bad zu gehn. Helmut sah ihr nach. Seine Schussverletzung schmerzte ein Wenig. Wilfried rief an und sagte ihm, was Weninger herausgefunden hatte und dass er morgen in Begleitung von "Moni" kommen würde, um ihnen ihre Sachen zu bringen. Es war ein gutes Gefühl. einen Freund wie Wilfried hinter sich zu haben.
Petra kam aus dem Bad und ging zum Bett. Dort wartete sie offenbar darauf, aus Helmuts Blickfeld zu gelangen, bevor sie sich entkleidete. Helmut ging also nun ins Bad, um sich notdürftig die Zähne zu putzen und fürs Schlafengehn zu richten; mit den paar Toilettartikeln aus Krankenhausbestand, die Schwester Monika für sie zusammengekratzt hatte. Er fühlte, dass er der Mann war, der genug Liebe und Verständnis in sich trug, um Petras verkorkstes Vorleben zwar nicht gänzlich aus ihrer Erinnerung löschen zu können, aber irrelevant werden zu lassen. Ein lautes Krachen, gefolgt von einem schrillen Schrei, riss ihn jäh aus seinen Gedanken...
Hannes Kohlmayer wusste, dass er die Mission erfüllen musste, wenn er mit dem Leben davonkommen wollte. Es hatte sich alles in die falsche Richtung entwickelt. Ursprünglich gefiel ihm Petras Idee, dieser Firma auf den Zahn zu fühlen. Als ihm aber von einem Vertreter dieser Organisation ein sechsstelliger Betrag geboten wurde, wenn er die Nachforschungen dieser Journalistin unterbindet, wählte er die lukrativere Aussicht und wollte Petra davon abbringen. Die angebotene Abfindung aber, wollte er natürlich selbst einstecken.
Dass es derart gefährlich war, sich mit diesen Leuten einzulassen war ihm zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise bewusst gewesen.
Dass Petra sich in Lebensgefahr gebracht hatte, betrachtete er als ihre eigene Schuld. Sie hatte sich nicht abbringen lassen, zu recherchieren und er wusste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass sie auch gegen Zahlung einer Abfindung nicht aufgegeben hätte. Sie hatte ihm einmal sehr gefallen, diese attraktive, kluge Person. Aber sie war sehr eigen. Eigensinnig und unnahbar. Er hatte mehrmals versucht, sie für sich zu gewinnen, aber sie empfand nichts für ihn.
Jetzt war sie vermutlich tot und er brauchte auf das Geld nicht mehr zu hoffen. er musste froh sein, wenn er mit seinem Leben davonkam. Er musste wohl oder übel die geforderten Informationen einholen. Koste es was es wolle! Er hatte vorhin eine Art Pinnwand gesehen, auf der das Personal auf Fotos abgebildet vorgestellt wurde. Er schlich sich auf den Gang hinaus zu dieser Tafel und ließ die Tür des Stationszimmers nicht aus den Augen. Dort angekommen, zupfte er die Bilder von den Schwestern und Ärzten herab und steckte sie ein. Er fand auch eine Dienstliste darauf, aus der hervorging wer diese Woche wann auf Station sein würde. Eine Art Stundenplan für die Patientinnen, wann es möglich wäre mit wem zu sprechen. Unfassbar! So ein Glück zu haben, war das Letzte gewesen, womit er gerechnet hatte. Leise schlich er zur Treppe und lief ins Erdgeschoss, wo er sich vor den Getränkeautomaten auf eine Bank setzte und seine Beute begutachtete. Bei Tag waren gestern vier Schwestern eingeteilt gewesen. Er hatte die Bilder, auf denen unten der Name aufgedruckt war. Das war schon die halbe Miete. Bei den Ärzten waren es 24 Stunden Dienste. Da war ein Helmut Burger dabei, der von vorgestern auf gestern Dienst gehabt hatte und heute war ein Wilfried Keil dran. Das einzige, was er nicht mit Sicherheit sagen konnte, war der Name der Schwester, denn es kamen am Tag vier davon in Frage. Aber selbst die konnte er benennen. Er musste es wohl oder übel riskieren, nun seine Ergebnisse dem Marokkaner zu präsentieren...