Helmut stürzte zur Tür hinaus. Petra saß im Bett, zitterte wie Espenlaub und rang nach Luft. Sie hielt sich die Decke zur Brust und begann zu schluchzen.
Helmut ging zu ihr und nahm sie in den Arm.
"Es war ein Donnerschlag Liebling. Hier oben auf dem Berg schlägt schon mal ein Blitz in einen Baum. Wenn der Einschlag so nah ist wie eben, dann ist der Donner ohrenbetäubend und kurz wie ein Schuss aus einem Böller und noch lauter. Hab keine Angst, Petra. Wir sind nicht in Gefahr! Zumindest nicht unmittelbar."
"Mit so einer Frau möchtest du glücklich werden?" schluchzte sie, "Die bei einem Donnerschlag schon hysterisch wird und durchdreht? Sie schluchzte und bekam kaum Luft. Du hast was Besseres verdient, Helmut! Nicht so ein Wrack wie mich! Einen seelischen Schrotthaufen... als Teene missbraucht, als Einzelgänger aufgewachsen, beziehungsunfähig und ausschließlich auf meine Arbeit fixiert um nur ja keine Gefühle zu entwickeln! Ich hab geglaubt, jetzt wird alles gut! Aber ich will und kann dir nicht zumuten, mit mir eine Beziehung zu führen... Du bist so ein lieber, aufmerksamer Mann! Ein Traummann! Du kannst jede haben! Ich bin nicht fähig dazu, einen Mann glücklich zu machen! In mir ist damals zu viel gestorben! Mit mir kannst du nicht glücklich werden! Vielleicht hättest du aufgeben sollen... beim zweiten Mal!"
"Sowas darfst du nicht sagen, Petra! Sowas darfst du nicht einmal denken! Glaubst du ich hätte nicht geahnt, nicht gewusst, dass du nach all deinen Erlebnissen irgendwann einen Zusammenbruch hast? Und wenn es ein Donnerschlag ist, der ihn auslöst!"
"Aber ich liebe dich und bin nicht einmal fähig, mich vor dir auszuziehen! Vor dir! Vor dem einzigen Mann, dem ich jemals wirklich Vertrauen entgegengebracht habe? Du hast was Besseres verdient! Eine Frau, die keine Angst vor Intimität hat, obwohl sie es sich doch so sehr wünscht!"
"SCHLUSS JETZT! REISS DICH ZUSAMMEN, Petra! Du warst NOCH nicht fähig und DOCH schon so weit! Lass dich doch nicht vor Schreck in das alte Loch fallen, aus dem du schon gekrochen warst! Du wirst eine sehr glückliche Frau werden an meiner Seite! Du musst dir nur selbst die Chance dazu geben. Wenn ich das kann, sollte es auch für dich möglich sein! Beruhige dich jetzt!"
Helmut hatte seine Stimme erhoben. Petra kannte das nicht von ihm, es gab ihr aber einen Anstoß in die richtige Richtung!
Er hob ihr Kinn an, so dass sie ihm in die Augen schauen musste.
"Findest du nicht, ich hätte eine Chance verdient, wo ich dich doch schon so weit gebracht hatte? Findest du nicht, dass gerade du diese Chance ergreifen solltest, die sich dir jetzt bietet? Endlich glücklich zu werden mit einem Mann, der dich liebt und dir Unmengen an Verständnis entgegenbringt?
Du musst damit aufhören, die Probleme bei dir zu suchen! Du hast dich erschrocken und zwar heftig. Das wäre aber nicht schlimm, hätte es dich nicht aus dem Konzept gebracht. Du warst auf dem Weg in ein neues Leben. In ein Leben, in dem Vertrauen und Liebe eine große Rolle spielen. Wenn du dieses Leben willst, musst du die Hand ergreifen, die ich dir von Anfang an entgegenstreckte!"
Sie legte nun ihre Arme um seinen Hals und hielt sich an ihm fest.
"Verzeih bitte! Du hast recht! Ich dumme Pute zerfließe vor Selbstmitleid, anstatt dankbar anzunehmen was du mir bietest. Ich habe einfach nur furchtbare Angst, dir nicht zu genügen." schniefte sie.
"Hast du begriffen, was ich dir biete?"
Sie sah ihn fragend an. Ihr Blick hatte etwas flehendes.
"Leben?"
"Ein normales lebenswertes Leben! Mit Höhen und Tiefen. Und mit Liebe und Respekt und mit allem, was dir bisher gefehlt hat. Und ich hatte bis jetzt nicht das Gefühl, dass du mir nicht genügen könntest. Sowas kann man nicht übers Knie brechen, Kleines! Das braucht Zeit. Und die hast du, die haben wir. Und dann wird es wunderschön sein. Leg dich hin!" Petra legte sich hin und Helmut stand auf um das Deckenlicht auszuschalten. Draußen stürmte, blitzte und krachte es. Im Dunklen kam er zu ihr zurück. Er trug nur Boxershorts, also schlüpfte er unter die Decke und legte sich auf den Rücken. Petra drehte sich auf die Seite und legte ihren Kopf auf seine Schulter und ihren Arm um seine Brust. Er spürte ihre blanke Haut am ganzen Körper.
"Bist du Böse?"
"Nein, mein Äffchen. Ich möchte nur, dass du dich beruhigst, denn dann wirst du dich fragen, was eben in dich gefahren ist und nicht verstehen, was für ein Problem du hattest.
"Wieso weißt du das?"
"Keine Ahnung!"
Er legte die Hand auf ihre Taille und streichelte sie ganz zart mit dem Daumen.
"Du hast recht, ich weiß es wirklich nicht."
Sie richtete sich ein Wenig auf und küsste ihn zärtlich. Sie spürte, das ein Verlangen in ihr schlummerte, das ihr in dieser Art bisher fremd gewesen war.
Noch war sie zu schwach. Aber wenn sie erst soweit wäre, wusste sie nun endlich, würde sie ihm ganz sicher genügen...