"Da kommt sie ja, die schöne Monika. Teufel, die ist wirklich hübsch!"
Der Marokkaner schaute ihr nach, als sie den Zebrastreifen verließ und im Haupteingang verschwand. Das Warten schien sich gelohnt zu haben. Er legte das Foto auf den Beifahrersitz. Es konnte nicht mehr lange dauern. Er konnte von hier aus die Ausfahrt des Parkhauses sehen. Das Bild von Dr. Keil war wohl schon etwas älter, denn er trug die Haare jetzt etwas länger. Er prägte sich die beiden Gesichter ein weiteres Mal ein. Er nahm an, dass Keils Auto der rote Jeep war, den er bei den reservierten Plätzen ausfindig gemacht hatte, letzte Nacht, aber er konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
Monika hatte ein flaues Gefühl im Magen. Sie saß auf der Bank neben den Automaten im Erdgeschoss, als ihr Handy anschlug. Ihr Herz schlug höher. "Wilfried" stand auf dem Display!
"Ja?"
"Bist du schon da?"
"Ja."
"Komm herauf, bitte, wir sind noch bei der Dienstübergabe!"
"Aber...."
"Komm bitte herauf, Monika!"
"Ja, ich komm schon, Wilfried."
Wilfried wollte aus mehreren Gründen nicht, das Moni unten allein auf ihn wartet. Erstens hielt er es nach wie vor für gefährlich, weil die Fotos von der Pinnwand verschwunden waren, und der Mörder noch immer frei herumlief. Zweitens, weil er noch mit einem Polizisten sprach und drittens, wobei sich über die Prioritäten streiten ließe, wollte er Moni einen Denkzettel verpassen, indem er sich von ihr in Privatkleidung aus dem Dienstzimmer abholen ließ und das auch noch im Beisein von Doktor Vivian Zelder!
Monika war noch nie in einem luftigen Sommerkleid und hohen Schuhen ins Dienstzimmer gekommen und hatte es auch nie vorgehabt. Aber nachdem Wilfried offenbar darauf bestand, wollte sie ihn nicht ein weiteres Mal verärgern und ging zum Lift. Als sie von der Seite einen Mann kommen sah, der ihr suspekt erschien besann sie sich jedoch anders und ging über die Treppe hinauf. Schwester Maria übergab gerade die Schicht an ihre Ablöse. Schwester Lisa kam von ihrer Übergabe der Männerstation um Maria abzuholen und Wilfried war gerade mit der Übergabe an Vivian fertig.
Lisa und Maria bedankten sich nochmal bei ihm dafür, dass er für sie den Polizeieinsatz so "gekonnt angefordert" hatte und sie, nicht zuletzt dadurch, pünktlich heimgehen konnten. Es sei ihm ein Vergnügen gewesen, beteuerte er. Plötzlich stand Monika da. Alle drei sahen sie entgeistert an.
"Wow! Gut siehst du aus, Moni!"
Moni errötete. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie hier und jetzt Duzen würde und ihr auch noch ein Kompliment machen. Vor den Kolleginnen und vor allen Dingen: Vor Doktor Zelder!"
"Danke, Wilfried." hauchte sie entgeistert, "Können wir?"
"Entschuldige bitte, Wilfried hast du noch eine Sekunde?" kam es von Doktor Zelder.
"Vivian?" er ging auf sie zu. Sie wich ein Stück zurück, so dass der Eindruck entstand, sie hätte ihm etwas persönliches zu sagen, sie wollte aber ganz offensichtlich, das diese "private" Unterhaltung denn auch dort ankam, wo sie tatsächlich gerne treffen wollte...
"Wilfried Keil, wo ist dein Stolz? Du lässt dich von diesen Pflegerinnen als großer Held feiern. Hast du das nötig? Und diese Pfeifer duzt dich womöglich! Kommt in diesem billigen Aufzug ins Dienstzimmer und schleppt dich ab, als seist du ein gewöhnlicher Pfleger! Eine dumme, kleine Krankenschwester! Findest du das passend? Traust du dich nicht in unseren Kreisen zu jagen? Wo du hingehörst? Was hat die denn zu bieten, außer einer passablen Figur und einem hübschen Gesicht, Doktor Keil? Sags mir! WAS?"
"Billig, meine liebe Frau Doktor, ist einzig und allein dein schäbiger Versuch, diese lieben, hochanständigen Mädels schlecht zu machen. Und mein Stolz SIND genau diese Mitarbeiterinnen, deren menschlichen Wert du niemals ermessen, geschweige denn je erreichen wirst. Und "diese Pfeifer" ist nicht nur bildhübsch, warmherzig und klug, sie hat etwas, das du nie erlangen wirst: KLASSE!"
Wilfried drehte auf dem Absatz um und wandte sich zu Monika zu.
"Moni, wollen wir...?"