Monika fand es süß, wie Wilfried ihr erklären wollte, warum er so auf sie aufpasste. Es war nicht nur die Wortwahl, die sie faszinierte, es war die Art, wie er ihr in die Augen sah, die Art, wie er sie berührte, bevor oder während er sie zum Beispiel durch den Hoteleingang geleitete. So, als wäre sie zerbrechlich. Das hatte so etwas... liebevolles. Oder bildete sie sich das alles nur ein?
Wilfried steuerte den Jeep am Hotel vorbei auf die Straße hinaus.
"Es ist gar nicht mehr weit, Moni. Vielleicht zehn oder zwölf Kilometer. Hoffentlich kommt uns der Marokkaner nicht mehr ins Gehege."
"Du hängst ihn schon ab. Wer weiß, ob der überhaupt noch fahren kann?"
Eigentlich fürchteten sie beide, von Ruhul gestellt zu werden. Unbewusst machten sie sich gegenseitig Mut. Nach kurzer Fahrt sahen sie ein silbernes Fahrzeug am Rand einer Zufahrt stehen. Die Insassen sahen auf die andere Seite und waren nicht zu erkennen gewesen.
"Es war ein Passat. Aber ganz wohl war mir gerade nicht, als ich merkte, dass der da rumsteht."
"Mir auch nicht. Wir sehen schon Gespenster."
Nur ein paar Kurven später wurde er eines Besseren belehrt. Der Marokkaner hatte sich gewundert, dass er die beiden noch nicht eingeholt hatte. Da fiel ihm ein, dass Petra in dem Hotel genächtigt hatte, an dem er vorhin vorbeigerast war. Vielleicht wollten die beiden ja etwas abholen, also beschloss er auf Verdacht, mal eine Weile zu warten. Mit Erfolg!
Plötzlich schoss der silberne Jaguar aus der Zufahrt zum Golfplatz Drachenwand und blockierte Wilfrieds Fahrstreifen. Ein Ausweichen war wegen Gegenverkehrs nicht möglich gewesen. Wilfried wollte noch den Rückwärtsgang einlegen, aber da schauten die beiden schon in die Mündung des Schalldämpfers. Wilfried wusste, dass er verspielt hatte. Der Marokkaner bedeutete ihnen mit der Waffe, den Jeep rechts ran zu fahren. Es blieb keine Wahl. Er fuhr den Jaguar von der Straße und stieg aus, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er Zwang sie auszusteigen und ein paar Schritte von der Straße weg, hinter die Mauer zu machen. Sie mussten sich mit dem Gesicht zur Mauer stellen.
"Du bist ja ein hübsches Ding." meinte er. Wir werden heute noch eine Menge Spaß zusammen haben, Süße..."
Er war ganz nahe hinter sie getreten und fasste ihr mit der freien Hand in den Schritt. Wilfried drehte sich in unbändigem Zorn zu ihm um und wollte reagieren, doch da sank er schon benommen zu Boden. Der Marokkaner hatte ihn mit dem Griff seiner Waffe auf die Schläfe geschlagen.
"Zwei sind einer zuviel, mein Freund. Deine Gefährtin wird mich zu der Journalistin fahren. Dich und deinen Freund brauch ich nicht mehr, aber mit den beiden werd ich mir dann noch eine schöne Zeit machen..."
Er legte auf Wilfried an, doch Monika versuchte mit aller Kraft, ihn am Schießen zu hindern, so dass der gedämpft knallende Schuss daneben ging.
"Ich weiß nicht mal, wo sie ist! Ich weiß es wirklich nicht! Weinte Monika. Er weiß es! Ich hab ihn nur begleitet! Wenn du ihn tötest erfährst du es nie!"l
Ruhul versetzte ihr mit dem linken Handrücken einen derben Schlag ins Gesicht, der sie von den Füßen riss. Als sie sich aufrappeln wollte, ging er zu ihr und hielt ihr die Waffe an den Kopf.
"Stimmt das?" fragte er den benommen an der Mauer lehnenden Wilfried.
"Lass sie gehn, bitte! Ich bringe dich zu Petra, ich tue alles was du sagst, aber bitte tu Moni nichts!"
"Was soll das Gewäsch? Ich kann euch nicht beide mitschleppen und wenn ich mit dir fertig bin brauchst du sie ohnehin nicht mehr! Tut mir leid, mein Täubchen. Bleibt mir eben nur die Andere zum Spielen..."
Er genoss das Leid der beiden, kostete ihre Angst, sein Bangen um Monika voll aus. Theatralisch spannte er den Hahn seiner Waffe von Hand.
"Schau dir dieses hübsche Gesicht noch einmal an, mein Freund. Es ist das letzte Mal, dass du sie in all ihrer Schönheit siehst..."
"NEIIIN!" Schrie Wilfried laut in ohnmächtiger Wut. Einem unbändigen Schmerz. Er konnte nicht hinsehen. Dann fiel der Schuss...