Unruhig tigerte sie auf und ab, das Rauschen der Blätter über ihr hatte nicht die beruhigende Wirkung, welche sie sich erhofft hatte, als sie hierhergekommen war.
Schon weit über einen Monat war sie wieder in Winterfell und es gab nichts für sie zu tun. Von Jon und Daenerys fehlte nach wie vor jedes Lebenszeichen, weshalb sie auch bei ihrem Auftrag nicht vorankam.
In Braavos war sie jeden Moment des Tages beschäftigt gewesen, selbst wenn sie an manchen davon lediglich aufgeräumt hatte. Aber hier, als Lady Stark- schon wenn sie an das Wort dachte, kam die Mahlzeiten der vergangenen drei Tage hoch- konnte sie wohl kaum solche Arbeiten verrichten, ohne noch komischer angestarrt zu werden, als es ohnehin schon der Fall war.
Auch vom Waffenplatz musste sie sich fernhalten, denn sie spürte noch immer das Misstrauen von Jorah Mormont und wenn dieser erkannte, wie geübt sie im Umgang mit Waffen war, konnte das zu einem echten Problem werden. Ihr war natürlich klar, dass sie diese Scharade auf lange Sicht nicht aufrechterhalten konnte. Sollte Winterfell tatsächlich angegriffen werden, woran im Moment kein Zweifel bestand, würde auch sie zu den Waffen greifen, daran konnte niemand sie hindern.
Das einzig Gute der letzten Wochen war die Tatsache, dass sie keine seltsamen Träume mehr gehabt hatte. Oder jedenfalls keine, die sie mit Noridos in Verbindung brachte.
Wenn sie mit sich ehrlich war, lag der wirkliche Grund ihrer Unruhe in einem Ereignis vor wenigen Tagen.
An jenem Tag hatte sie sich nicht nach draussen flüchten können, da am Nachmittag ein Schneesturm getobt hatte, der selbst alle Wachen nach drinnen trieb. Um dennoch nicht tatenlos herumzusitzen, hatte sie versucht, sich wieder in Jaqens Geist zu schleichen, alleine um zu sehen, was er vorhatte, nachdem ihr letztes Gespräch so jäh unterbrochen worden war. Doch das Einzige was sie gespürt hatte, war eine alles umfassende Kälte. Sie hatte keine Gedanken wahrgenommen und war vor lauter Schreck gleich wieder in ihren Körper zurückgekehrt. Sie wusste nicht, was genau dies zu bedeuten hatte, aber ihr war klar, dass es schlecht war. Tot war er nicht- zumindest damals nicht- sonst hätte sie ihn nicht gefunden, doch etwas war überhaupt nicht in Ordnung.
Die Kälte, die er empfunden hatte und der Schneesturm der draussen tobte, hatte den Verdacht in ihr aufkommen lassen, dass er vielleicht schon näher war, als sie vermutet hatte.
Danach hatte sie sich in den Körper einer Krähe versenkt und versucht, die Umgebung abzusuchen, aber das arme Tier war von den Sturmböen nur hin und her geschleudert worden und so hatte sie es schliesslich bleiben lassen. Sie war sogar kurz versucht gewesen, Bran darauf anzusprechen und ihn zu fragen, ob er etwas gesehen hatte, aber ihr war keine passende Ausrede eingefallen, wie sie ihre Suche hätte erklären sollen.
Am nächsten Tag hatte sie die Umgebung mit Hilfe eines anderen Vogels abgesucht, doch der Norden war einfach riesig und sie war, nachdem sie das Winterdorf hinter sich gelassen hatte, keiner Menschenseele mehr begegnet.
Wie angewurzelt blieb sie stehen. Sie hatte nichts gehört, aber ihre Nackenhaare stellten sich auf und sie wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden.
Suchend blickte sie sich im Götterhain um, konnte aber niemanden entdecken. Nun hörte sie jedoch ein deutliches Knirschen im Schnee und wandte sich um. Sie kannte den Mann nicht, der auf sie zukam, der Kleidung nach gehörte er jedenfalls nicht zu den Wachen.
«Tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken.»
«Schon gut.» Sie musterte ihn etwas genauer. Er war ziemlich beleibt, sein Blick freundlich, aber wachsam, was doch auf eine Ausbildung im Kampf hindeutete.
«Kann ich Euch weiterhelfen?», fragte sie nach einer Weile, als er nichts mehr erwidert hatte.
«Nicht wirklich», gestand er mit einem dünnen Lächeln. «Ich bin hergekommen um etwas Ruhe zu finden.»
«Hoffentlich habt Ihr mehr Glück als ich.» Er musterte sie etwas genauer.
«Ihr seid Jons jüngere Schwester, Lady Arya, nicht wahr? Ihr seht ihm nämlich ziemlich ähnlich.» Oh ja, sie und Jon waren eigentlich die Einzigen, die nach Vater gekommen waren, die anderen ihrer Geschwister schlugen eher nach der Seite der Tullys. «Woher kennt Ihr ihn?»
«Wir waren zusammen bei der Nachtwache.» Verblüfft sah sie ihr Gegenüber an, konnte sich nicht vorstellen, was er wohl verbrochen haben könnte, um dort zu landen. «Wie heisst Ihr?»
«Samwell Tarly.» Er deutete eine leichte Verbeugung an und sie schnaubte. «Könnt Ihr mir einen grossen Gefallen tun?» Er war offensichtlich verblüfft, antwortete aber ohne das geringste Zögern. «Natürlich.»
«Nennt mich nie wieder Lady. Arya oder von mir aus auch Arry, aber niemals Lady Arya.» Sie hatte es aufgegeben, jeden darauf hinzuweisen, da sich die meisten ohnehin nicht daran hielten, aber bei ihm hatte sie vielleicht Glück.
Samwell blieb nicht sehr lange, vielleicht auch weil er merkte, dass sie lieber alleine sein wollte. Das Gefühl beobachtet zu werden kam sofort wieder zurück, also konnte es nicht er gewesen sein, der dies in ihr ausgelöst hatte.
Noch einmal sah sie sich um und als sie nichts erkennen konnte, ging sie zwischen den Bäumen hindurch. Die Hand am Schaft ihres Dolches blieb sie stehen und lauschte, aber da war nichts.
«Lady Arya?» Seufzend wandte sie sich um, es gab wirklich kein Fleckchen Erde innerhalb dieser Burgmauern, an dem man seine Ruhe haben konnte. Diesmal war es eine der Wachen.
«Was ist?» Offenbar drückte ihre Stimme das was sie dachte ziemlich gut aus, denn der Wachmann sah so aus, als wäre er auch gerade lieber an einem anderen Ort. «Eure Schwester schickt nach Euch.» Da sie ohnehin nichts Besseres zu tun hatte, machte sie sich gleich auf den Weg, allerdings nicht, ohne sich noch einmal zum Götterhain umzublicken.
~
«Du wolltest mich sprechen?» Sansa blickte von der Schriftrolle auf, in der sie gerade noch gelesen hatte- ihre Augenringe waren unübersehbar. «Hast du in der letzten Woche überhaupt geschlafen?» Ihr war klar, dass ein unglaublicher Druck auf ihrer Schwester lastete, aber irgendetwas stimmte nicht.
«Ja. Der Schlaf ist kein Problem.» Sie erhob sich und trat neben Arya an eines der Fenster, das auf den Übungsplatz hinaus ging.
«Was ist es dann? Du siehst schrecklich aus.» Kurz sah sie aus, als wolle sie doch noch etwas dazu sagen, schüttelte dann aber den Kopf.
«Es ist nichts. Und nun zum Grund, warum ich dich habe rufen lassen.» Sie reichte ihr die Schriftrolle und Arya erkannte sofort die Unterschrift. Jon. Sie erkannte zwar durchaus das Ablenkungsmanöver ihrer Schwester, begann aber trotzdem zu lesen.
Die Verhandlungen sind gescheitert. Durch Danerys’ Hilfe konnten wir die Streitkraft der Lannisters vorerst zurückdrängen. Wir machen uns auf den Rückweg, es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten geben kann.
Sie las die wenigen Worte ein zweites Mal durch, ehe sie die Schriftrolle ihrer Schwester zurückgab. «Danke. Aber das ist sicher nicht der einzige Grund, warum du mich sehen wolltest, habe ich Recht?» Sie mochte in der Politik nicht so bewandert sein wie ihre Schwester- und wollte es auch niemals werden- doch ihr war nicht entgangen, wie Sansa sie während des Lesens gemustert hatte.
«Ja, hast du. Setz dich.» Sie klopfte auf den freien Platz neben sich, Arya zögerte nur kurz, ehe sie platznahm.
«Ich weiss, wir standen uns nie so nahe wie du und Jon, aber du bist trotzdem meine Schwester und ich sehe doch, wenn dich etwas beschäftigt.» Das nun ausgerechnet Sansa davon anfangen musste, die ganz offensichtlich auch etwas zu verheimlichen hatte, war ziemlich ironisch. Aber Arya brauchte nicht mal zu lügen, um sich herauszureden.
«Natürlich beschäftigt mich etwas. Wir haben Krieg an mehreren Fronten und können nichts anderes tun, als in dieser Burg zu sitzen.»
«Das heisst nicht, dass wir nichts tun können. Darum wollte ich ja mit dir reden.» Nun wurde ihr klar, warum Sansa sie sprechen wollte. Offenbar sollte sie ihr bei irgendetwas helfen.
«Worum geht es genau?»
«Ich weiss, dass Jon mich liebt, aber uns ist beiden klar, wem er nähersteht.» Sie wartete. Es abzustreiten machte keinen Sinn, auch wenn diese Verbundenheit die frühere Arya betraf. Sie sah das alles aus einer gewissen Distanz, Jon und sie waren so lange voneinander getrennt gewesen, dass es ihr leichter fiel als erwartet, ihn zu hintergehen. Es war nicht so einfach, wie man es von einem Niemand erwarten mochte, aber sie würde es tun. «Wenn er irgendeine Dummheit vorhat und du es vor mir erfährst, bitte gib mir vorher Bescheid.» Sie verstand nicht recht, worauf Sansa hier hinauswollte. Diese sah das offensichtlich. «Er frisst ihr aus der Hand und auch wenn er es nicht einfach so zugeben wird, er wird sich ihr ohne zu zögern unterwerfen. Bevor er das tut will ich, dass du ihm nochmal ins Gewissen redest.» Wenn Arya hier fertig war, gab es niemanden mehr, dem Jon sich unterwerfen konnte. «Keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass das nicht geschieht.» Sie schwiegen sich eine lange Zeit an und Arya war froh, als Sansa das Schweigen brach.
«Ich muss mich weiter um die Vorräte kümmern. Es sind zwar mehrere Schiffsladungen in Weisswasserhafen eingetroffen und wir haben durch den langen Sommer immer noch einiges an Vorräten, doch der Krieg hat zu viel davon zerstört und wir müssen jetzt schon rationieren, wenn wir nicht hungern wollen.» Arya verstand und war auch so ziemlich froh, von der beklemmten Stimmung wegzukommen, also zog sie sich zurück.
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Das Geräusch war zuerst so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob sie es sich nicht eingebildet hatte. Dann wurde es etwas lauter. Einen Schlafenden hätte es nicht wecken können, doch sie lag wie bereits die halbe Nacht zuvor wach und dachte nach.
Nun jedoch verbannte sie alles ausser dem Geräusch aus ihren Gedanken. Es hörte sich an, als würde etwas gegen das Fenster ihres Zimmers klopfen, doch als sie sich näherte, hörte es jäh auf. Sie spähte hinaus, konnte aber nichts entdecken.
Kopfschüttelnd wandte sie sich um. Ihre Nerven waren wohl doch angespannter, als sie gedacht hatte. Aber da war es wieder, diesmal lauter und bestimmter. Nun erkannte sie auch einen Schatten und öffnete das Fenster. Da ihr nicht besonders viele Personen in den Sinn kamen, die in der Lage gewesen wären, sich in mehreren Fuss höhe an einem dünnen Vorsprung bis an ihr Fenster heranzuschieben, liess sie sich auch von dem Gesicht nicht täuschen, welches er trug.
«In sechs Wochen von Braavos nach Winterfell. Ich bin beeindruckt.»
«Ein Mann hält seine Versprechen.» Sie trat einen Schritt zurück, damit er durch ihr Fenster schlüpfen konnte. Danach schloss sie es hinter ihm, damit nicht zu viel der winterlichen Kälte in ihre Gemächer gelangten. Erst als sie die Kälte auf ihrer Haut spürte, fiel ihr wieder ein, dass sie lediglich ein dünnes Hemd trug, das weit über ihren Knien endete. Sie liess sich nicht davon beirren. Sie hatte schon zu viele Leichen gesehen, als dass sie an nackter Haut etwas schamhaft finden würde.
«Ein Mädchen wirkt rastlos. Ist Noridos’ Einfluss schlimmer geworden?»
«Nein. Seit jener Nacht habe ich ihn nicht mehr bemerkt. Und wie kommst du darauf das ich rastlos bin?» Sie setzte sich auf den Bettrand und deutete auf den Stuhl, der an ihrem unbenutzten Schreibtisch stand. Er setzte sich.
«Der Götterhain. Doch es gab zu viele Leute, ein Mann konnte sich nicht zu erkennen geben.» Also hatte sie sich ihren Beobachter doch nicht eingebildet.
«An viele Leute wirst du dich gewöhnen müssen.» Dabei war ein grosser Teil von Jons Streitmächten noch nicht mal hier.
Sein Husten zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es klang zwar lange nicht so schlimm wie das Husten ihrer Schwester, aber sie hatte ihn schon in besserer Verfassung gesehen. Der Schneesturm fiel ihr wieder ein und sie hatte ein schlechtes Gewissen, was bei ihr eher selten der Fall war.
«Ein Mann hat versucht sich unter die Menge zu mischen, aber fast alle kennen sich irgendwoher.» Sie verstand was er meinte, alle die sich im Moment inn- und ausserhalb von Winterfell befanden, waren langjährige Verbündete. Selbst- oder ganz besonders zu Kriegszeiten konnte nicht jeder hier herumspazieren ohne weiter aufzufallen. Jons Nachricht, so unangenehm sie auch sein mochte, spielte ihr nun allerdings in die Hände.
«Mein Bruder und Daenerys dürften jeden Tag hier eintreffen. Ihr Heer besteht zwar vorwiegend aus Dothraki, aber ich bin mir sicher, dass ein Söldner dort nicht weiter auffällt.»
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Arya sollte Recht behalten. Nur Tages später verwandelte sich die Umgebung von Winterfell in ein einziges grosses Kriegslager. Nun gab es hier so viele Leute- auch aus Essos- dass er tatsächlich ohne Probleme in der Masse untertauchen konnte. Es waren sogar so viele, dass es nicht weiter auffiel, wenn er sich tagsüber unter ihnen bewegte und abends verschwand.
Er hatte in einer Herberge ein Zimmer genommen, wo er seine Waffen und Vorräte verstauen konnte. Eine seiner Taschen hatte er im Schneesturm zurücklassen müssen, doch in dieser hatten sich lediglich Kleider und ein paar Waffen befunden. Zugegeben, der Hauptgrund warum er sich für ein Zimmer entschieden hatte war sein Husten. Es mochte als gewöhnliche Erkältung begonnen haben, hatte aber beinahe in einer Lungenentzündung geendet. Er hustete zwar noch immer, doch das aufkommende Fieber hatte er vorerst bekämpfen können.
Nun versuchte er gerade einer jener Hustenanfälle zu unterdrücken, als er auf Arya wartete. Laut ihr fiel es weniger auf, wenn sie sich hin und wieder aus der Burg schlich, als wenn sie damit anfing, regelmässig Raben auszusenden. Und dass sie nie wieder einfach so in seinen Kopf eindringen durfte, darin waren sie wortlos übereingekommen. Deshalb hatten sie vereinbart, sich alle drei Tage zu treffen. Nicht nur wegen Noridos, sondern auch wegen ihrem eigentlich Auftrag. Daenerys Targaryen musste sterben und je eher das geschah, desto besser. Denn er legte es nicht darauf an, einer Auseinandersetzung mit den Weissen Wanderern beizuwohnen. Alleine der Gedanke an diese Gestalten machten ihn nervös. Mit dem Tod hatte er keine Probleme, ebenso wenig mit den Leben. Doch untot zu sein widersprach allem, was er sich in den letzten Jahrzehnten verschrieben hatte.
«An Daenerys heranzukommen wird schwerer als erwartet.» Lautlos war sie aus einer Gasse zwischen zwei eng beieinanderstehenden Häusern erschienen, das Anschleichen beherrschte sie schon sehr gut. «Warum?» Er hatte auch nie erwartet, dass sie einfach so an die Mutter der Drachen herankamen. Aber erst wenn sie die Hindernisse kannten, konnten sie damit beginnen, sie zu umgehen.
«Weil sie sich kaum eine Minute am selben Ort aufhalten. Sie reiten von einem Ort im Lager zum anderen und haben ständig irgendwelche Besprechungen mit den Lords. Selbst Jon bekomme ich kaum zu Gesicht.» Sie hatte in den letzten Jahren viel gelernt, aber vor allem an taktischem Wissen mangelte es ihr noch. «Ein Mädchen muss versuchen, alle Regelmässigkeiten herauszufinden. Wann geht sie zu Bett? Welche Wachen bewachen die Tür?» Ihr Blick der darauf folgte war alles andere als freundlich. «Ich bin nicht dumm. Das habe ich schon erledigt. Es ist nur… Sie ist in der Nacht eigentlich nie alleine. Und es ist schwer, Jon unauffällig ausser Gefecht zu setzen.»
Er war sich nicht sicher, ob das auch wirklich der einzige Grund war, aber ein Hornstoss unterbrach ihr Gespräch. Beide lauschten. Die Taktik mit den Hornstössen hatte man von der Mauer abgekupfert, es war immer noch die einfachste Möglichkeit, viele Leute in kurzer Zeit zu erreichen.
Ein Hornstoss bedeutete, dass ein Teil von Jons Armee zurückkehrte, zwei Stösse, dass es sich um eine feindliche Armee handelte. Er hoffte inständig, dass es bei diesem zweiten Hornstoss blieb, doch der dritte folgte sogleich. Dies, so hatte ein Soldat ihm gleich am ersten Tag erklärt, war das Zeichen für Weisse Wanderer.
Er hörte Schritte ganz in der Nähe. Konnte die Armee wirklich schon hier sein? Wenn ja mussten sie schon vor dem Hornstoss auf den Gegner aufmerksam geworden sein. Aber das hätten sie mitbekommen.
Er bekam Arya gerade noch rechtzeitig am Handgelenk zu fassen, ehe sie losrennen konnte.
«Lass mich los. Wenn es wirklich Weisse Wanderer sind, können sie jedes Schwert gebrauchen, dass sie kriegen können.
«Glaubt ein Mädchen wirklich, Soldaten würden in einer solchen Situation gemächlich durch die Strassen schlendern?» Sie erstarrte und als er sich sicher war, dass sie den Ernst der Lage begriffen hatte, liess er sie los und zog einen Dolch aus seinem Gürtel. Er hatte zwar auch ein Schwert dabei, doch dieses bestand nicht aus valyrischem Stahl.
Die Schritte kamen immer näher, sie konnten nicht länger am selben Ort bleiben. Arya deutete in die Gasse, aus der sie erst kurz zuvor getreten war. Der Gedanke, in die Enge zurückzuweichen widerstrebte ihm. Wenn ihnen einer der Weissen Wanderer entgegenkam, hatten sie keine Möglichkeit, richtig zu kämpfen. Er wusste aus den Erzählungen der Soldaten, welchen Schaden die Klingen der Weissen Wanderer anrichteten, in diesem Fall durften sie sich nicht mal eine Verletzung leisten.
Er tastete die Hauswand neben ihnen ab. Sie bot nicht sehr viel Halt, aber es musste reichen. Stück um Stück, Zug für Zug, hangelte er sich weiter nach oben. Zweimal hätte er fast den Halt verloren. Er warf nur einmal einen kurzen Blick zurück, sah aber, dass Arya seinem Beispiel gefolgt war.
Oben angekommen blieben sie in geduckter Haltung, wenn jemand sie in der Dunkelheit erkannte, waren sie auch so schon ein leichtes Ziel genug. Ein Blick nach unten verriet, dass sie keinen Moment zu früh den Rückzug angetreten hatten, denn dort, wo sie eben noch gestanden hatten, tummelten sich bereits drei Gestalten.