Warnung: Dieses Kapitel beinhaltet Andeutung von sexueller Gewalt.
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Die allgemeine Empörung war gross, auch bei den Männern ohne Gesicht. Nachdem Donos Anerassar tot zusammengebrochen war, herrschte für zwei Wochen Unklarheit, wann es mit der Entscheidung weiterging. Zuerst wollte man den Mörder schnappen. Doch wie es bei Giftmorden oft der Fall war, hatte es keine konkreten Hinweise gegeben, wer dahintersteckte. Natürlich waren Vyroios Antaryon und Inneo Hestin als seine direkten Gegner zuerst verdächtigt worden, allerdings konnte man keinem der beiden etwas nachweisen. Auch die Männer ohne Gesicht wurden nach wie vor verdächtigt, wenn auch eher hinter vorgehaltener Hand.
Die zweite Wahl hätte gestern stattfinden sollen. Nun hatte Vyroios sich jedoch im letzten Moment zurückgezogen. Anstatt neue Kandidaten zu suchen, war Inneo Hestin, Emporkömmling einer reichen Händlersfamilie, stillschweigend als neuer Seelord eingesetzt worden, auch wenn sich keiner genau erklären konnte von wem. Er stammte nicht mal aus Braavos, was den Missmut und das Misstrauen der Bevölkerung nur weiter schürte. Nach einer langen Zeit des Friedens legten die Braavosi es jedoch nicht unbedingt auf einen Bürgerkrieg an, weshalb es bis jetzt noch zu keinen Kämpfen gekommen war. Doch fehlte nicht viel um den angestauten Frust zum Überlaufen zu bringen.
Da die Priester sich zu dritt zu einer Beratung zurückziehen wollten und Arya sich bei ihrer letzten geschlossenen Besprechung etwas zu nahe von der Tür aufgehalten hatte, war man übereingekommen, sie in die Stadt zu schicken um sich dort umzuhören. Ganz automatisch führten ihre Schritte sie dabei zum Hafen. Egal wie viele Identitäten sie noch annehmen mochte, am meisten verbunden fühlte sie sich noch immer mit Katz.
Die Erinnerung an diese Zeit kam allerdings nicht einfach so zurück, sie hatte anderes genug um das sie sich kümmern musste. Nein, sie musste an diese Zeit zurückdenken, weil sie Brea entdeckte, die am Hafenbecken stand und mit konzentriertem Blick die ankommenden Schiffe betrachtete. Zuerst war sie sich nicht ganz sicher, ob es tatsächlich Brea war, die junge Frau, die sie nur im Profil sah, war doch etwas rundlicher als das Mädchen von damals. Doch dann nahm sie sich zusammen und tippte ihr auf die Schulter.
Als die junge Frau sich umdrehte, war sie sich völlig sicher, dass es sich um Brea handelte. Nur schien diese sie nicht zu erkennen, sondern warf ihr einen misstrauischen Blick zu. «Ich wäre eine äusserst schlechte Taschendiebin, wenn ich dich vorher auf mich aufmerksam machen würde. Erkennst du mich denn wirklich nicht mehr?» Brea konzentrierte sich und dann, endlich, leuchtete die Erkenntnis in ihren Augen und noch ehe sie etwas dagegen tun konnte, fand Arya sich in einer schraubstockartigen Umarmung wieder.
«Meine Güte Katz, ich hätte dich kaum wiedererkannt.» Nur mit sanfter Gewalt gelang es Arya, sich aus der Umarmung zu lösen.
«Ich dich auch nicht», entgegnete sie und rieb sich dabei die schmerzende Brust, dankbar, wieder durchatmen zu können. Brea war vielleicht etwas fülliger geworden, aber auch körperlich kräftiger, was von harter Arbeit zeugte.
«Arbeitest du immer noch für deinen Vater?» Ein Schatten huschte über das eben noch lächelnde Gesicht. «Nein. Er ist vor etwas mehr als einem Jahr gestorben.»
«Das tut mir leid.» Das tat es wirklich. Brusco hatte sie zwar ständig Kisten schleppen lassen, die zu schwer für ein Mädchen ihres damaligen Alters war, doch das hatte sie gestärkt und ansonsten hatte er sie immer gerecht behandelt.
«Muss es nicht. In den letzten Jahren war es mit seinem Rücken so schlimm, ich glaube nicht, dass es ihn gestört hat zu gehen.» Kurz schwiegen sich die beiden Frauen an, doch dann fuhr Brea fort.
«Doch was ist mit dir? Um ehrlich zu sein war ich davon überzeugt, dass du am falschen Ort Schulden gemacht hast oder so etwas. Seitdem habe ich dich nie mehr in Braavos gesehen. Und mir mehr als einmal ein schlechtes Gewissen gemacht.» Ihr letztes Aufeinandertreffen war kurz nach ihrer Auseinandersetzung mit Jaqen gewesen, als der sie aus dem Tempel warf, nur um sich kurz darauf zu entschuldigen, weil nicht sie es gewesen war, die Walders Sohn getötet hatte. Brea hatte gemerkt, dass Arya verfolgt wurde und hatte sich nicht einmischen wollen. Sie hatte es ihr auch damals nicht verübelt, noch viel weniger tat sie es heute.
«Musst du nicht. Du hast Recht, ich hatte mich mit den falschen Leuten angelegt. Es gelang mir dann aber trotzdem noch, mich auf ein Boot zu schleichen. Danach habe ich ein paar Jahre in Lorath verbracht. Aber irgendwann war ich es leid und bin zurückgekehrt.» Nicht mal ein Hauch von Argwohn war in Breas Gesicht zu lesen, sie glaubte ihr voll und ganz. Danach wandte sie sich wieder zur Küste um und erstarrte. «Wo ist er jetzt schon wieder hin?»
Arya kam nicht dazu zu fragen, wen sie meinte, denn just in diesem Moment erschien ein strohblonder Haarschopf in ihrem Sichtfeld. jedenfalls war er an den Stellen Blond, die nicht von Schmutz bedeckt waren. Der Junge, dem der Haarschopf gehörte, erhob sich von dem Kieshaufen, hinter dem er noch eben versteckt gewesen war und rannte ihnen entgegen. Mit einer gehobenen Augenbraue sah sie Brea an.
«Weisst du noch, wie ich früher über die Mädchen gelästert habe, die sich von einem Matrosen auf Landgang haben schwängern lassen?» Brea brach ab, als der Kleine sie erreichte. Der Blick, den sie ihrem Sohn zuwarf zeigte deutlich, dass sie es jederzeit wieder tun würde. Der Kleine hatte allerdings kaum Augen für seine Mutter, sondern sah zu Arya. Zuerst musterte er sie eingehend, als müsse er sich noch klar darüber werden, ob er sie mochte oder nicht. Doch dann schenkte er ihr ein breites Lächeln und auch wenn sie eigentlich nicht viel für Kinder übrig hatte… Sie konnte nicht anders, als es zu erwidern.
«Maro, das ist Katz, eine alte Freundin von mir.» Der Kleine kniff die Augen zusammen. «Aber du bist doch noch gar nicht so alt.» Beide brachen in schallendes Gelächter aus, wobei Maro sie nur voller Unverständnis anblickte, nicht verstehend, was sie so amüsierte. Irgendwann wurde es ihm dann zu bunt und er zog sich wieder zu seinen Steinen zurück, wobei er nach irgendetwas zu suchen schien.
«Kommst du einigermassen über die Runden?» Sie war Brea nie besonders nahe gestanden, trotzdem ging ihr das Ganze näher als gedacht.
«Ach, mach dir um mich keine Sorgen. Wir kommen ganz gut zurecht. Aber sag, wie sieht es bei dir aus? Du willst mir nicht sagen, dass du noch immer fest entschlossen bist für immer Jungfrau zu bleiben?» Genervt rollte sie mit den Augen.
«Von Jungfrau war nie die Rede, ich habe nur gesagt, dass ich niemals heiraten werde. Und daran hat sich bis lang nichts geändert.»
«Was für eine Verschwendung. Ich glaube du weisst gar nicht, wie leicht es dir fallen würde, einen zu finden. Glaub mir, mit einem Bastard ist das schon etwas schwieriger.» Sie sahen zu Maro, der mittlerweile dazu übergegangen war, aus den Steinen eine kleine Mauer zu bauen. Dabei war er so konzentriert, dass er von all den Menschen um ihn herum kaum mehr etwas mitbekam.
«Ich bin mir sicher es gibt genug Männer die Glücklich darüber wären, einen Jungen wie ihn zum Sohn zu haben. Auch wenn es nicht der leibliche ist.» Brea lächelte sie an. «Danke Katz.»
Sie konzentrierte sich darauf, weshalb sie eigentlich hergekommen war und versuchte das Gesprächsthema in eine andere Richtung zu lenken.
«Was hältst du eigentlich von unserem neuen Seelord?» Brea sah nachdenklich aus. «Ich weiss nicht recht. Ich habe irgendwo gehört, dass er die Steuern senken will, doch kann ich mir nicht vorstellen, dass er das einfach so tut.» Das konnte Arya sich auch nicht. Ausserdem fragte sie sich, wie er sonst Geld einnehmen wollte. Er konnte sich ja kaum von seiner Familie finanzieren lassen.
«So will er sich wahrscheinlich die Leute gefügig machen», war ihre Vermutung.
«Das denke ich auch. Ich habe das Gefühl…» Brea verstummte. «Nicht so wichtig.»
Arya wurde hellhörig. «Was ist los?»
«Du hältst mich sicher für dumm. Aber ich kenne sämtliche Schiffe, die hier vor Anker gehen. Seit ein paar Tagen ankern hier Schiffe, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Und das will für eine Stadt wie Braavos schon etwas heissen.»
Inneo Hestin kam aus einer reichen Händlersfamilie. Es wunderte Arya nicht wirklich, dass er da schnell einen Vorteil suchte. Es hätte sie auch nicht gewundert, wenn er alleine deshalb Seelord geworden wäre, um die besten Anlegeplätze für seine Familie zu sichern. Nein, was an dieser Aussage ganz besonders ihre Aufmerksamkeit weckte, war der Teil mit den mehreren Tagen. Inneo Hestin war nämlich erst am Tag zuvor zum Seelord ausgerufen worden. «Seit wann denn genau ankern denn die Schiffe hier?»
«Zehn Tage? Vielleicht etwas mehr.» Arya tippte eher auf vierzehn. War Inneo Hestin wirklich so von sich selbst überzeugt, dass es ihm egal war, wie auffällig das alles wirkte? Für sie jedenfalls stand fest, wer Donos Anerassar auf dem Gewissen hatte.
Gerne hätte sie das Gespräch noch fortgeführt, doch nun kam Maro wieder zu ihnen. Anstatt jedoch zu seiner Mutter zu laufen, hielt er auf Arya zu und streckte ihr seine offene Hand hin. Darin lag eine Muschel. Keine Herz- oder Miesmuschel, wie sie sie damals zu dutzenden verkauft hatte. Es war eine Art, die sie nicht kannte und die wohl am Strand angespült worden war. Mit ihrer blauglänzenden Farbe war die Muschel wirklich hübsch anzusehen. Zuerst dachte sie, er wolle ihr nur seinen Fund präsentieren, doch dann drückte er ihr die Muscheln in die Hand. «Ein Glücksbringer», erklärte er.
Zuerst war sie zu verwirrt um etwas zu erwidern und der Blick des Jungen wurde unsicher. Wahrscheinlich glaubte er, sein Geschenk gefalle ihr nicht. In Wahrheit freute sie sich sehr daüber, wusste aber, dass sie sie nicht behalten konnte. Persönliche Gegenstände waren im Haus von Schwarz und Weiss nicht erlaubt. «Danke», brachte sie schliesslich endlich heraus und lächelte ihn an. So ehrlich, wie sie schon lange nicht mehr gelächelt hatte. Er strahlte zurück. Sie sah nochmals zu Brea. «Ich muss dann mal weiter. Grüss Talea von mir, wenn du sie siehst.»
Nach dieser Begegnung streifte sie zwar noch eine Weile den Strassen entlang, konnte aber nichts von Bedeutung mehr heraushören. Es war kurz vor der Dämmerung, als sie in den Tempel zurückkehrte.
Am Becken stand der Gütige Mann. Von seiner einstigen Ausstrahlung war nicht mehr viel geblieben, offen gestanden rechneten sie alle schon seit einer geraumen Zeit damit, dass er eines Morgens gar nicht mehr aufstand. Doch noch war er da und sein Blick verriet, dass er etwas von ihr wollte.
Sie trat zu ihm ans Becken. «Valar Morghulis», begrüsste er sie. «Valar Dohaeris». So schwer ihr diese Redewendung am Anfang auch über die Lippen gekommen war, nun war es für sie Alltag. Sie sprach so oft Braavosi, dass es ihr in Westeros hin und wieder schwergefallen war, das richtige Wort in der gemeinen Zunge zu finden.
«Wir haben einen Auftrag für dich. Doch zuerst berichte, was hast du in der Stadt erfahren?»
«Ich bin Brea begegnet, der Tochter von Brusco dem Fischer.»
«Hat sie dich erkannt?»
«Ja. Ich hielt es für sinnvoll, da sie Katz kannte. Ausserdem wusste sie interessantes zu berichten.» Als keine Erwiderung kam, fuhr sie fort. «Sie kennt fast jedes einzelne Schiff am Hafen. Seit einigen Tagen liegen dort fremde Schiffe vor anker- also noch bevor Hestin als neuer Seelord eingesetzt wurde.» Der gütige Mann sah nachdenklich aus.
«Das ist in der Tat sehr seltsam. Wir werden dem sicher noch nachgehen. Nun haben wir jedoch noch einen anderen Auftrag für d-» Bevor er den Satz zu Ende führen konnte, erfasste ihn ein Hustenanfall. Als er den Ärmel von seinem Mund nahm verschränkte er die Arme hinter dem Rücken, doch Arya hatte das Blut gesehen. Sie hielt es jedoch für besser, nicht darauf einzugehen.
«Du sollst deine Gabe nutzen um zu erfahren, was im Inneren des Palasts vor sich geht. Unsere Leute kommen nicht nahe genug an Hestin heran. Er hat alle alten Bediensteten entlassen und seine eigenen Leute angestellt.» Als er ihre Gabe ansprach fiel ihr auf, dass sie diese schon seit Wochen nicht mehr eingesetzt hatte. Selbst Nymeria war ihr in keinem ihrer Träume begegnet. Vielleicht war das aber nur ein weiteres Indiz dafür, dass sie sich von ihrer alten Identität löste. Sogar von Nymeria.
«In Ordnung. Ich werde es gleich versuchen.»
Und das tat sie wirklich. Sie begab sich dafür zu ihrem Schlafplatz. Dort konnte sie sich völlig entspannen, denn die Aufgabe, die vor ihr lag war nicht ganz einfach. Sie wusste zwar sehr wohl, wo sich der Palast befand, doch war er zu weit weg, um direkt dort ein Tier zu suchen. Stattdessen wollte sie versuchen, von einem Tier ins nächste zu springen. Nur… Sie spürte keins. Sie wusste, dass in unmittelbarer Nähe des Tempels dutzende Tauben nisteten, doch sie konnte keine davon spüren. Irgendwann war sie so frustriert, dass sie versuchte, sich in die Maus hineinzuversetzen, die sie in einer Zimmerecke hörte. Doch auch das gelang ihr nicht. Sie spürte nichts, als wäre die Fähigkeit, die sie selbst in ihrer Kindheit durch reine Intuition beherrscht hatte auf einmal nicht mehr da.
Schlimmer als die Erkenntnis an sich war es, diese auch den Priestern mitteilen zu müssen. Denn nun geriet sie in Erklärungsnot und ihr war klar, dass sie nicht genug lügen konnte um zu behaupten, dass nichts vorgefallen war. Waren das wirklich die Folgen vom dem, was zwischen Melisandre und Noridos vorgefallen war? Sie hatte nur noch sehr schleierhafte Erinnerungen an das was damals passiert war. Sie wusste nur noch, dass es wahnsinnig geschmerzt hatte und hatte immernoch das Geräusch von zwei markerschütternden Schreien in den Ohren- sie selbst war eindeutig am glimpflichsten davongekommen.
Weil sie nicht wusste, wie sie es am besten dem Gütigen Mann gegenüber zur Sprache brachte, fragte sie später an diesem Tag Jaqen um Rat.
«Ist ein Mädchen sicher, dass es von der Auseinandersetzung mit Noridos und Melisandre stammt?» Sie hatte oft hin und her überlegt, doch eine andere Möglichkeit gab es nicht.
«Ja. Seit diesem Tag habe bin ich nie mehr in einen anderen Körper gelangt. Weder bewusst, noch unbewusst. Was sollen wir erzählen?» Jaqen schloss die Augen und seufzte. «Etwas anderes als die Wahrheit wird in diesem Fall nicht möglich sein. Ein Mann wird den Anfang machen, ein Mädchen sollte nur dann antworten, wenn es gefragt wird.»
Wie zu erwarten wurde es kein besonders angenehmes Gespräch. Der Tisch wirkte viel zu gross für nur vier Personen und Arya wäre lieber am anderen Ende gesessen. Sie versuchte möglichst gleichgültig zu wirken, wusste aber nicht, ob ihr das auch nur ansatzweise gelang. Jaqen hingegen blieb tatsächlich ruhig und sah sowohl dem gütigen Mann als auch der Heimatlosen immer direkt in die Augen.
«Warum habt ihr nicht gleich nach eurer Rückkehr aus Asshai etwas gesagt?» Diese Frage galt Arya. «Noridos war weg. Ich wollte nicht, dass man mir für ihm misstraut, wenn er vielleicht nie zurückkommt.» Das war die Wahrheit, weshalb sie dem Blick der Heimatlosen ohne Probleme standhielt.
«Aber er ist zurückgekommen, nicht wahr? Deshalb bist du ihr nach Westeros gefolgt.» Jaqen nickte bloss. «Ein Mann musste einem Mädchen damals versprechen, dass er sie tötet, wenn es nötig ist. Doch fanden sie Hilfe, bevor das notwendig wurde.»
«Nur hat diese Hilfe sie ihre Gabe gekostet», stellte der gütige Mann fest und sein Blick war kalt. Arya wusste nicht, ob es ihn mehr fuchste, dass sie ihre Gabe nicht mehr einsetzen konnte, oder dass sie gelogen hatten. Wohl von beidem etwas.
Nach dieser Feststellung folgten keine Frage mehr. Beide Priester wirkten ernst, Arya konnte nicht einschätzen, was in ihnen vorging. Mehr Angst als um ihr eigenes Leben hatte sie davor, dass auch Jaqen bestraft werden könnte. Er hatte nur versucht ihr zu helfen und dafür sicher keine Strafe verdient. Vorerst war das Verhör aber vorbei und sie konnten ihrer Wege gehen, doch in dieser Nacht tat sie kein Auge zu.
Am nächsten Morgen wurde sie von der Heimatlosen in die Halle der Gesichter geführt.
«Du wirst nicht sterben. Jedenfalls nicht durch unsere Hand, falls dich das beruhigt.» Das tat es nur zum Teil. Denn ohne Bestrafung, das war ihr klar, kam sie aus dieser Sache nicht heraus. Sie war schon blind und taub gewesen. Was kam als nächstes? Wollte man sie lähmen? Sie für die nächsten zwei Jahre einkerkern?
«Du bekommst einen neuen Auftrag.» Das hatte sie jetzt nicht erwartet.
«Was für einen Auftrag?»
«Es hat immer noch mit dem Palast des Seelords zu tun. Wir wollen so schnell wie möglich wissen, was dort vor sich geht.» Sie war erleichtert. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie sich irgendwo hereinschleichen musste. «Ich werde so schnell wie möglich aufbrechen.»
«Ja, das wirst du. Aber vorher musst du dich noch für den Auftrag vorbereiten. Du wirst dich nicht im Schatten an ihn heranschleichen oder als ein Diener ausgeben. Du wirst ihm anderweitig zu Diensten sein.» Arya schluckte, ihr war mehr oder weniger sofort klar, was damit gemeint war. Ihr war klar gewesen, dass sie eines Tages diese Art von Auftrag bekommen würde, doch dass sie ihn unter diesen Umständen erhielt, bereitete ihr ein mulmiges Gefühl.
«Weiss man in welchem Bordell er sich die Huren sucht?» Die Heimatlose liess sich Zeit mit antworten und trat an eine Wand heran um die dort angebrachten Gesichter genau zu mustern.
«In gar keinem. Die Frauen kommen zu ihm. Er hat herumerzählen lassen, dass jede Frau, die ihn zufriedenstellt ein fürstliches Vermögen erhält. Nur hat er dieses noch nie ausgezahlt, da keine seinen Ansprüchen genügte.» Das klang nach einem Widerling.
«Nun, das werde ich ganz sicher auch nicht.» Ihre Erfahrung beschränkte sich auf ein absolutes Minimum. Ihr erstes Mal war auch eher vergessenswert gewesen. Zwar hatte sich der junge Mann in Lyss die allergrösste Mühe gegeben sanft zu sein, aber angenehm war es trotzdem nicht gewesen.
«Das ist uns bewusst. Trotzdem ist es wichtig, dass du dich so lange wie möglich dort aufhältst. Halte Augen und Ohren offen, vielleicht erfährst du etwas über seine Absichten, das was ihn antreibt.» Arya nickte bloss. «Und sei vorsichtig. Diejenigen Mädchen, die aus dem Palast kamen, schweigen bis heute was dort vorgefallen ist. Und es sind nicht alle wieder herausgekommen.»
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Die Vorstellung als Hure für einen Mann zu dienen, der einen solchen Ruf mit Frauen besass, behagte ihr nicht. Sie war durchaus in der Lage sich zu wehren, durfte es aber nicht. Das war es, was sie an diesem Auftrag am meisten verängstigte. Das und die Tatsache, dass sie mit diesem Auftrag auch noch ihr letztes Bisschen Würde zertrat, welches ihr geblieben war. Mit den Schmerzen allein wurde sie schon fertig.
Sie stand in der Kleiderkammer und warf einen Blick auf die Frauenkleider. Besonders viele waren es nicht, warum auch? Die Heimatlose steckte im Körper eines Kindes fest, womit es nur zwei Frauen gab, die diese tragen konnten. Allerdings gab es einige Kleider, die sicher sehr teuer gewesen waren. Ihr neues Gesicht trug sie bereits, die Heimatlose hatte es ihr gegeben, nachdem sie ihr von ihrem Auftrag erzählt hatte. Wie zu erwarten war es ein wunderschönes Gesicht mit tiefschwarzem Haar, das ihr bis weit über den Rücken reichte. Praktischer gewesen wäre es wohl, einen Zopf daraus zu flechten, doch in dieser Hinsicht waren ihre Fähigkeiten durchaus beschränkt.
Arya hörte, wie sich Sera näherte- so nannte sie die Beinlose seit neuestem. Sera war eine dreibeinige Katze gewesen, die während Aryas Ausbildung in der Kaserne der Stadtwache ihr Dasein gefristet hatte.
Sie tat absichtlich so, höre sie Sera nicht. Für sie musste es auch so schrecklich genug sein zu wissen, dass jeder in diesem Tempel sie schon von weitem hörte- ausser die neusten Akolythen vielleicht. Da brauchte man ihr das nicht auch noch unter die Nase zu reiben.
«Zieh nicht so ein Gesicht. Du hattest Glück.»
«Glück? Ich hoffe nur, dass der Widerling mir nicht noch die Lustseuche anhängt.» Sie glaubte, den Hauch eines Lächelns um Seras Lippen zu erkennen. Das war jedoch so schnell wieder verschwunden, dass sie sich nicht sicher war, ob es wirklich da gewesen war. «Weisst du noch, was ich dir zum Lügen hier gesagt habe?»
Arya wurde blass. «Ihr wusstet es also schon?»
«Nein. Oder ich jedenfalls nicht. Aber es hätte weitaus schlimmer für euch beide enden können. Also sieh diese Nacht als kleinen Preis dafür, dass du immer noch hier bist.» Sei konnte schon fast nicht mehr zählen, wie oft man schon angedeutet hatte, sie herauszuwerfen oder ganz aus dem Weg zu räumen. Und trotzdem war sie noch hier.
«Bitte sag mir nur, dass so etwas nicht zur Gewohnheit wird.»
«Jedenfalls nicht mit einem solchen Scheusal. Aber wenn es dir hilft, du hast den Auftrag nicht nur als Strafe erhalten, es ist für den Moment wirklich der schnellste Weg um an den neuen Seelord heranzukommen. Man erzählt sich, Inneo Hestin sei ein sehr misstrauischer Mann. Eine Wesensveränderung bei einem seiner nahestehenden Diener würde er sofort bemerken. Ausserdem ist ein Mann im Bett gegenüber einer Gespielin meist redefreudiger als seinem Diener gegenüber.»
«Das Hoffe ich.» Arya liess ihren Blick zurück zu den Kleidern wandern, in diesen Dingen hatte sie keinerlei Erfahrung, das erkannte auch Sera. «Das blaue», sagte sie und Arya, die nur froh darüber war, sich nicht den Kopf über eine solche Nichtigkeit zerbrechen zu müssen, zog es an. Schon möglich, dass es hübsch war, aber es war eben immer noch ein Kleid, was Arya erneut zum Seufzen brachte. Das würde eine lange Nacht werden…
«Hier.» Sera reichte ihr eine winzige Phiole, vielleicht so gross wie die Kuppe ihres Zeigefingers. «Versuch ihm das in den Wein zu schütten. Es macht ihn um einiges schneller betrunken. Zum einen wird er dann vielleicht redseliger, zum anderen lässt er schneller von dir ab.» Dankbar steckte sie die Phiole ein. Das Kleid hatte an der Innenseite des Saums ein kleines Säcken, wo das Glasgefäss nicht im Geringsten auffiel. «Und noch etwas letztes, auch wenn es dir schwerfällt... Je weniger du dich wehrst, desto schneller ist es vorbei.»
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Es gab durchaus einige Bordelle in Braavos. Umso mehr erstaunte es Arya, dass so viele junge Frauen sich vor dem Palast einfanden. Die meisten von ihnen ahnten nichts von Inneos tatsächlichem Ruf sondern dachten nur an das Geld. Trotzdem war sie sich ziemlich sicher, keine der Frauen vom Hafen der Glückseligkeit hier zu sehen. Diese hatten es nicht nötig, sich so zu erniedrigen.
Viel zu schnell öffnete sich das Nebentor des Palastes und eine Garde von vier Männern, in deren Mitte Inneo Hestin, traten heraus. Auf der Tribüne damals hatte sie ihm kaum Beachtung geschenkt, sie war eher auf Donos Anerassar konzentriert gewesen, der seine Rede hielt. Das erste was ihr auffiel war, dass Inneo in der Tat ein durchaus gutaussehender Mann war. Doch das hübsche Gesicht mit dem hellblonden Haar täuschte nicht über den grausamen Zug um seinen Mund und die Kälte seiner Augen hinweg. Wie ein Falke, der sich eine Maus zum Verschlingen suchte, schlenderte er an den Reihen der Mädchen entlang.
Sehr zu ihrem Leidwesen war es tatsächlich nur allzu leicht die Aufmerksamkeit des neuen Seelords auf sich zu ziehen. Wäre es anderes gewesen, hätte sie vielleicht unverrichteter Dinge in den Tempel zurückkehren- und behaupten können, sie hätte ihr bestes versucht. So jedoch war sie kaum in Inneos Blickfeld geraten, da musterte er sie auf eine Art, die Übelkeit bei ihr verursachte. Trotzdem gab es ihr Stolz nicht zu, den Blick zu senken. Sie sollte sich als Hure präsentieren? Schön und recht. Doch eine unterwürfige war sie ganz sicher nicht. Wobei sie Seras Worte doch nicht ganz aus dem Kopf brachte. Je weniger du dich wehrst, desto schneller ist es vorbei.
Unwillkürlich fühlte sie sich an eine Situation erinnert, die länger als ein Leben her zu sein schien. Damals, als sie noch das rachsüchtige Mädchen gewesen war und Meryn Trant von ihrer Liste gestrichen hatte. Diesmal trug sie nicht das Gesicht eines jungen Mädchens, sondern das einer jungen Frau, nur wenige Jahre älter als sie selbst. Sie hatte nicht danach gefragt, wie die Frau gestorben war. Viel eher fragte sie sich, warum es bei ihr so mühsam war die Gesichter zu wechseln, während die andern es innerhalb eines Wimpernschlags taten. Sie konnte sich diesem Mysterium allerdings nicht weiter widmen.
Als sie auf Inneos Aussage nicht sofort reagierte, zerrte eine der Wachen sie aus der Reihe wartender Frauen. Danach warf er seinem Meister einen fragenden Blick zu. «Eine reicht für heute.» Sie hätte alles dafür gegeben, mit einem der anderen Mädchen zu tauschen. Da sie jedoch wusste, dass dies nicht möglich war tat sie ihr Bestes um alle Emotionen auszuschalten und sich einzig auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Das musste sie auch, wenn sie sich all die Wege und Abzweigungen merken wollte, die sie entlanggingen.
Von innen wirkte der Palast sogar noch grösser als von aussen. Vielleicht kam ihr dies aber auch nur aufgrund der Situation so vor, in der sie sich gerade befand.
Die immer prunkvoller werdende Einrichtung liess deutlich erkennen, dass sie sich seinen privaten Gemächern näherten. Trotzdem war sie nicht wirklich darauf vorbereitet, als Inneo eine Tür zu ihrer rechten öffnete und sie hineinstiess. Ein kleiner Teil von ihr hatte wohl geglaubt, dass ihr etwas mehr Zeit blieb um sich auf das vorzubereiten, was nun kam. Doch die Gier in seinem Blick machte deutlich, dass er keine Verzögerungen duldete. Sie hörte das Reissen von Stoff und versuchte die Welt für die nächsten Minuten so gut wie möglich auszublenden.
Als er sich endlich von ihr herunterwälzte wünschte sie sich nichts sehnlicher, als ihm langsam und in aller Gemütlichkeit die Kehle von einem Ende bis zum anderen durchzuschneiden. Obwohl… Beginnen würde sie wohl weiter unten. Sie fühlte sich schrecklich und wäre gerne einfach gegangen, doch dann wäre all dies umsonst gewesen.
Nun wo er bekommen hatte was er wollte, verlor er sein Interesse an ihr und erhob sich.
«Bleib. Vielleicht brauche ich dich später noch.» Bleib. Wie man es einem Hund befahl. Sie bräuchte kein Messer um ihn zu töten, mit blossen Händen schaffte sie es auch.
Nur mit grosser Selbstbeherrschung ertrug sie es, einfach abzuwarten. Und tatsächlich rief er nur wenig später einen Diener herein, der ihm einen Becher Wein reichte und einen vollen Krug auf den kleinen Tisch in der Mitte des Raumes stellte.
«Du hast das noch nicht besonders oft gemacht, oder?» Sie war nicht gewillt, ihm darauf eine Antwort zu geben. Es zwar das zweite und letzte Mal gewesen, dass sie für einen Mann die Beine breit gemacht hatte. Sollten die Männer ohne Gesicht sie doch vergiften, erdolchen oder ertränken, wenn sie es für richtig hielten. Aber das tat sie sich nie mehr an. Sie wusste, dass nicht jeder so grob war wie dieser Hurensohn, doch konnte sie nicht nachvollziehen, wie manche Frauen sogar Freude an so etwas finden konnten.
«Sprich gefälligst, wenn ich mit dir rede.» Sie wusste, für ihren Auftrag wäre es unerlässlich, dass sie ihm gab was er wollte, doch das war ihr in diesem Moment egal.
«Fürs reden werde ich nicht bezahlt.»
«Also für das was du eben geboten hast wirst du ohnehin nicht bezahlt. Vielleicht, wenn du es beim nächsten Mal besser machst.» Er drehte sich um und stellte den Becher auf den Tisch.
Arya führte eine kleine Atemübung durch um den Puls zu beruhigen. Danach liess sie die Hand am Bett hinabgleiten, wo die Überreste des blauen Kleides lagen. Sie schaffte es gerade, die Phiole in ihre Faust zu schliessen, als Inneo ihr einen strafenden Blick zuwarf. «Ich habe gesagt, du sollst bleiben.» Offensichtlich glaubte er, sie wolle sich anziehen und gehen. Mit einem gespielt unterwürfigen Gesicht liess sie den Stoff wieder zu Boden gleiten, sie hatte ja, was sie wollte.
«Ihr elenden Braavosi mit eurem falschen Stolz.» Er zerrte die Decke von ihr, die sie sich wie einen Schutzschild um den Körper geschlungen hatte. Sie machte sich schon wieder aufs Schlimmste gefasst, doch ein Klopfen an der Tür rettete sie fürs Erste.
«Herr, ich bitte gnädigst um Vergebung. Doch ich muss dringend mit Euch reden. Es geht um eines der Schiffe.» Mit einem wütenden Murren warf er sich einen dünnen Umhang aus Seide über und ging zur Tür.
Arya sah hier ihre erste und vielleicht einzige Chance. Innerhalb eines Wimpernschlags erhob sie sich, entkorkte die Phiole und kippte den ganzen Inhalt in den Becher. Sie verliess sich darauf, dass das Mittel geschmacklos war. Natürlich hätte sie den Inhalt auch in den Krug geben können, wo er sich einfacher verdünnte, doch wer wusste schon, wie lange Inneo brauchte um den zu leeren?
Schnell liess sie die Phiole wieder im Kleid verschwinden, keinen Moment zu früh.
«Alles muss man selbst machen», knurrte er als er zurückkehrte und zu Aryas grosser Schadenfreude trank er den Rest des Bechers auf einmal, bevor er sich wieder ihr zuwandte.
Es war wie Sera gesagt hatte. Es begann zwar ebenso ruppig wie beim ersten Mal, doch schon kurze Zeit später gab seine Männlichkeit auf und er sackte neben ihr aufs Bett.
«Siehst du? Du bist so unfähig, dass selbst ich nicht mehr kann.»
«Das tut mir aber leid». Ihre Stimme troff nur so voller Hohn. Dies wäre die Gelegenheit gewesen um ihn endgültig von seiner Männlichkeit zu trennen, doch sie sah, dass es wohl nicht mehr lange dauern würde, bis er einschlief und vorher brauchte sie noch Informationen. Irgendetwas, das ihr sagte, was für ein Spiel er hier trieb.
«Was meintet Ihr vorhin, als Ihr sagtet, die Braavosi mit ihrem falschen Stolz? Stolz sind wir, da mögt Ihr recht behalten, doch falsch ist er nicht.» Er schnaufte herablassend und auch wenn sein Blick schon längst vernebelt war, war seine Antwort bestens verständlich
«Braavos ist eine Sklavenkolonie. Ihr habt keinen Grund stolz zu sein.» Er griff nach ihrem Arm um sie an sich zu ziehen, doch sie riss sich los und warf sich den verbleibenden Rest des Kleides über. Wenigstens hatte sie jetzt etwas mehr Beinfreiheit.
Sie rannte, rannte und rannte bis der Palast ausser Sicht war. Doch nicht zurück zum Haus von Schwarz und Weiss, sondern zu einem geschützten Ort mit klarem Wasser, wo sie sich ohne vorher auszuziehen in die Fluten stürzte. Das Wasser war eisig, jedoch genau das was sie brauchte, um den Schmerz in ihrem Unterleib zu betäuben. Sie tauchte unter, schloss die Augen und versuchte an nichts zu denken ausser dem dumpfen Klang des Wassers an ihren Ohren.
Sie blieb so lange im Wasser, bis das erste Tageslicht im Osten sichtbar wurde. Ihre Arme und Beine spürte sie durch die Kälte schon längst nicht mehr, doch sie fühlte sich ein kleines bisschen besser.
Sie wusste, dass es auch Nebeneingänge zum Tempel gab, doch die durften von den Novizen und Akolythen nicht genutzt werden. So war ihr eigentlich klar, dass wenigstens jemand sie in dieser Aufmachung sehen würde, aber nicht, dass es gleich fünf von ihnen waren. Sie standen nahe dem Becken und waren in eine Diskussion vertieft, von der sie nur kurz aufsahen, als sie das Tor hörten. Arya ignorierte die Blicke komplett und zog sich in ihre kleine Kammer zurück um den Rest des Kleides den sie trug auf den Boden zu werfen und gegen ihr Akolythengewand auszutauschen. Das Kleid würde sie später an diesem Tag eigenhändig verbrennen.
Ihr war nicht befohlen worden, an der Zusammenkunft teilzunehmen. Doch die ernsten Gesichter verhiessen nichts Gutes und an Schlaf war ohnehin nicht zu denken. Also kehrte sie zu den anderen zurück und versuchte eine möglichst unbeteiligte Miene aufzusetzen. Diese entgleise ihr allerdings recht schnell, denn nun sah sie, dass einer der Männer blutverschmiert war und in Jaqens Gesicht Wut zu lesen war. Eine Wut und ein Hass, den sie noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Gegen wen auch immer sich diese Abscheu richtete, sie wollte nicht in dessen Haut stecken. Auch alle anderen wirkten nicht so neutral wie gewöhnlich.
Jaqen, der ihren fragenden Blick auffing erklärte: «Ein Diener des vielgesichtigen Gottes wurde getötet. Mit sieben Armbrustbolzen, hier in Braavos.» Arya schluckte. Es kam selten vor, dass manche nicht von ihren Aufträgen zurückkehrten. Doch hier in Braavos? Das war doch sehr seltsam. «Wurde er bei einem Auftrag getötet?»
«Nein. Das war Absicht, sein Mörder hat eine Nachricht hinterlassen.» Er reichte ihr ein Stück gefaltetes Pergament. Sie öffnete es und was sie lass, liess sie all ihre eigenen Probleme schlagartig vergessen. Sie las es mehrere Male, bis sie sich sicher war, ihren Augen trauen zu können. Sklaven bleiben Sklaven. Es war bekannt, dass die Bruderschafft der Männer ohne Gesicht von einem entflohenen Sklaven gegründet wurde. Diese Nachricht verhöhnte den Orden und alles wofür sie standen. Diese Nachricht war eine Kriegserklärung. Und sie erkannte in Jaqens Zügen, wie auch in denjenigen aller anderen, dass die Gesichtslosen durchaus bereit waren, diese anzunehmen.