Einmal war ich der diensthabende Notarzt. Spät in der Nacht wurde in die Leitstelle der Notruf angekommen: Ein sechzigjähriger Mann hatte Atembeschwerde und brauchte sofortige Nothilfe. In Russland gibt es ein interessantes System des Notfalldienstes. Wenn man krank ist, ruft man direkt die Notaufnahme an. Egal hat man Schnupfen, Fieber, einen Bruch, Gehirnschlag, Kopfschmerzen oder ihm ist einfach langweilig. Und Notfalldienst muss sofort ankommen! Schleunigst! Zu jedem!
Die Kehrseite der Medaille ist, dass in Russland die große Ärztemangel ist. Andererseits gibt es weit mehr Rettungsassistenten, die sowohl mit einem Notarzt als auch allein, was am häufigsten ist, zu kranken Leuten fahren. Es gibt auch die Fahrer, die nur in seinen Autos sitzen, weil sie keine medizinische Fortbildung haben, nur Führerschein Klasse B. Normalerweise sind in einer Notfallstation so wenig Mitarbeiter, dass der Arzt fährt ohne Assistenten und Rettungsassistent fährt auch allein, natürlich abgesehen vom Fahrer.
Also, damals habe ich auch selbst gearbeitet und einen Notruf – „Atembeschwerde“ – bekommen. Ich erinnere euch daran, dass ungefähr 3-4 Uhr war. Mein Fahrer und ich haben in unser Krankenwagen gestiegen und sind zu Patient abgefahren.
Wenn ich in die Wohnung ankam, bemerkte ich momentan, dass „Atembeschwerde“ in der Tat Lungenödem ist (wenn man sogar einmal das gehört hat, würde man sich nicht zum nächsten Mal irren), und fing ich unverzüglich an zu handeln. Die erste Injektion, die zweite, die dritte. Mir fehlten zusätzliche Hände zu dieser Zeit. Noch eine Injektion, Sauerstoff.
Während ich den Patienten ärztliche behandelt habe, kam seine alte Frau an und fing an mir zu helfen. Aber mehr mündlich. Sie murmelte etwas, berührte den Mann auf Schritt und Tritt. Endlich war der Kranke im stabilen Zustand geworden und rief ich die Leitstelle an und sagte, dass der Schwerkranke ins Krankenhaus gebracht werden muss, und bat darum, damit eine Reanimationsgruppe in der Aufnahmestation auf uns warten würde.
Um 5-6 Uhr befanden wir uns schon im Krankenwagen und fuhren ins Krankenhaus an. Die Frau führte fort etwas zu murmeln. Der Mann fühlte sich ganz besser: Die Medikamenten wirkte schließlich bei ihm! Die alte Frau blickte mit Liebe seinen Mann an und sagte:
„Schatz, schau mal, ich habe dir Chakren geöffnet, deshalb geht es dir besser! Ich habe gut gemacht!“
Mir klappte der Unterkiefer herunter. Zwei oder drei Uhr am Krankenbett mit keinem Helfer, der Patient hat zwischen Leben und Tod geschwebt! Diese Frau schaute meinen Gesichtsausdruck und setzte hinzu:
„Der Arzt und ich haben gut gemacht!“
Weiter fuhren wir schweigend.
Straubing, Deutschland, Dezember 2017 (Erinnerung an Woronesch, 2008)