Ich zeige Maggie meinen Heimatort, weil wir am Abend eine Lesung besuchen wollen und sie deshalb bei mir übernachtet. Maggie kommt aus einer Großstadt und meint erfreut, als wir über den Markt schlendern, meine Heimatstadt sei wie ein verschlafenes Dorf. Da ihre Augen dabei freudig funkeln, unterdrücke ich ein Seufzen und die Erwiderung, dass es durchaus eine Stadt sei. Eine der älteren, wohlbemerkt.
Wir biegen in eine Passage ein und ich erkläre ihr, dass der Laden der Mutter eines Bekannten gehört. Sie verdreht die Augen. „Ich fand es schon lustig, als du gesagt hast, deine Schwester würde den Stadt-Optiker persönlich kennen.“ Sie kichert in sich hinein. Ich weiß, was sie sagen wird. Und sie enttäuscht mich nicht. „Dörfler “, meint sie schmunzelnd.
„Großstadtkind“, erwidere ich und wir beide lachen unterdrückt.
Eine Frau kommt uns an der Seite eines jüngeren Mannes entgegen. Ihre Silhouette ist selbst auf die Entfernung unverkennbar. Ich beginne zu grinsen. Beide sind fest in einem Gespräch eingebunden, obwohl sie die meiste Zeit nach vorne sehen.
Als sie näher kommen, versuche ich mein Grinsen zu unterdrücken und räuspere mich leise. Es bringt nicht viel, außer, dass Maggie mich fragend ansieht.
„Ich wünsche dir schöne Weihnachten“, sagt sie im Vorbeigehen, ohne sich merklich von dem Gespräch, das sie führt, abzuwenden. Der Mann zeigt keine Reaktion. Wahrscheinlich ist er gewohnt, dass sie immer wieder für ihn fremde Menschen grüßt. Ich frage mich, ob er ihr Sohn ist, doch Ähnlichkeiten kann ich nicht entdecken. Vielleicht ein neuer Kollege?
„Ich Ihnen ebenfalls“, erwidere ich beinahe zu spät und drehe mich im Kreis sobald sie uns passiert haben, um einen letzten Blick zu erhaschen.
„Ich kann es nicht glauben ... “, murmelt Maggie neben mir, sobald sie ihre eigenen Schlüsse zieht.
„Ja, oder?“ Ich grinse immer noch. „Sie ist die Lehrerin, von der ich sprach. Ich würde sie gern einmal umarmen, als Dank, aber ...“ Kurz sehe ich Maggie an und blicke dann auf den grau gepflasterten Boden. „Sie ist eine Art ... natürliche Autorität, das ist schlimm. Also gut, als Lehrerin ist sie fantastisch. Verstehst du, wenn ich sage, ich würde gern, aber ich weiß nicht wie?“
Maggie wirft einen Blick über ihre Schulter. Schließlich nickt sie und schaudert leicht. „Selbst bei meinem strengsten Lehrer hatte ich nicht das Bedürfnis stramm zu stehen und ich kenne sie nicht einmal.“