Pawlowsk ist die schöne russische Stadt, die an der Strand des Flusses Don in Gebiet Woronesch liegt. Nach vier Jahre der Arbeit bei Woronescher Notaufnahmestation nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des Arbeitsvertrages zog ich nach Pawlowsk um. Alles war neu für mich hier, und ich war auch neu da. Niemand wusste, wer ich bin, wie ich arbeiten kann. Man muss sagen, dass Notarzt in Russland normalerweise mit Rettungsassistent oder meist mit Rettungsassistentin gemeinsam einen Krankenwagen besetzt.
Also, an diesem Tag war es mein erster Notruf, ich war im Team mit der Rettungsassistentin und dem Fahrer des Krankenwagens gefahren. Der Einsatz: Herzschmerzen. Wir fuhren, machten die EKG. Der Befund: Herzinfarkt. Ich machte die Anordnungen: Morphin, Sauerstoff, Nitroglycerin, ASS - MONA-Schema - wie es an der Uni gelernt worden war. Plötzlich erhielt ich den Telefonanruf von der Leitstelle: Ein Mann war bewusstlos in einem Dorf neben dem Pawlowsk gewesen. Der Intensivtransportwagen, mit dem der Notarzt zusätzlich zu einem/einer auszubildenden Assistent/Assistentin fahren muss, war schon unterwegs gewesen. Ich erließ den letzten Anordnungen meiner Assistentin und ging zu meinem zweiten zufahrenden Krankenwagen.
Die zweite sehr erfahrungsreiche Rettungsassistentin sah mich, der damals kaum 30 Jahre alt gewesen war, über die Schulter an. Was konnte ich dazu sagen? Vier anstrengende Jahre bei der großen städtischen Notaufnahmestation. Als es laut Akten verboten war, allein mit dem Krankenwagen zu fahren (nur mit einem Fahrer ohne medizinische Ausbildung), gab es mittlerweile keine andere Möglichkeit, als umgekehrt ohne Helfer zu arbeiten, weil der große Ärztemangel in Woronesch war. Diesbezüglich konnte ich danach alles machen, hatte ich alle möglichen Fälle.
Meine Gedanken unterbrach der Anruf der Leitstelle.
„Rufen Sie die Krankenschwester, die bei dem Patienten ist, an! Sofort!“, sagte Disponentin überstürzt.
Man muss erklären, dass es keine Krankenhäuser und Praxen in den russischen Dörfern gibt, sondern Gesundheitsstützpunkte mit Geburtshilfestellen, wo am meisten Krankenschwestern arbeiten.
Ich rief diese Schwester an.
„Hallo, was ist los?“, fragte ich.
„Der ist atemlos! Ich weiß nicht, was ich machen muss!“, war die Krankenschwester schockiert.
„Beruhige sich! Fange mal Herz-Lungen-Wiederbelebung an!“, versuchte ich zu helfen.
„Wie bald kommen Sie an?“, fragte die Frau mit bebender Stimme.
„Nach zwei Minuten ungefähr.“ Wir waren schon in der Nähe.
Der Fahrer war der Könner mittlerweile: Selber könnte ich nicht so schnell fahren! Gleich kamen wir an, nahmen die Notarzttasche, das Sauerstoffgerät und den Defibrillator mit und liefen hin.
Der Überblick: Der Patient lag auf dem Bett, die Schwester stand an der Ecke gegenüber.
Sofort begannen wir die Herz-Lungen-Wiederbelebung. Glücklicherweise erfolgreich. Ich ordnete an die EKG zu machen um die Ursache der Krankheit zu erklären. Atemnot, Herzstillstand. Wieder Herz-Lungen-Wiederbelebung. Wieder Medikation: Ich habe die intrakardiale Injektion, die damals in Russland noch erlaubt war, gemacht. Danach hat meine Assistentin-Helferin mich schätzen gelernt: Kaum jemand könnte ähnliche Manipulation machen, umso mehr erfolgreich. Wieder ein Versuch, den Patienten zu untersuchen, wieder Herzstörung, wieder die lebensrettende Maßnahmen. Ich entschiede mich, den Patienten nach Krankenhaus zu bringen. Aber es ist zu kompliziert einen Kranken im Auto sogar im Intensivtransportwagen zu behandeln, zuerst müsste er im stabilen Zustand geworden sein. Glücklicherweise endete alles problemlos, der Patient, lebensvoll, war bereits in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht. Gott sei Dank! Man sagte, dass er schon in der Notaufnahmestation anfing, schmutzige Witze zu erzählen.
Seit viele Jahren meiner Arbeit kann ich jetzt behaupten: Wir können nicht entscheiden, würde der Patient leben oder nein. Wir können nur ihm helfen. Gibt es Ihn, oder nein, ist es auch der persönliche Glaube und das individuelle Recht.
Allerdings war ich, der neue Herr Doktor, nach diesem Erlebnis geehrte und respektierte Person im neuen Kollektiv geworden.
Deutschland, Straubing, September 2018 (Erinnerung an Pawlowsk, 2009)