Liebe Angst!
Ich weiß, dass du dort im Schatten stehst und lauerst wie ein hungriges Biest auf seine Beute. Wartest, auf den fast täglich kommenden Moment, der dir die Möglichkeit gibt hereinzukommen und anzugreifen. Ob es ein Gedanke, ein Bild, ein Geräusch oder ein Geruch ist, viele Dinge sind für dich wie eine offene Tür.
Ich weiß, dass du mich hasst. Doch ich habe dir gar nichts getan. Ständig klopfst du an, du gibst einfach keine Ruh. Willst du dich an etwas rächen? Wenn ja, an was? Was habe ich so Furchtbares getan? Womit habe ich das verdient?
Ich weiß, dass du es liebst, wenn es mir schlecht geht. Wenn ich schon halb abwesend immer und immer wieder übergebend, fast umkippe. Wenn ich zitternd in der Ecke sitze, die Beine eng an meinen zerbrechlichen Körper gezogen hoffe, dass ich nicht sterbe. Genau, dann, in den schlimmsten Momenten meines Lebens, hast du deine besten. Wenn ich glücklich bin, bist du traurig. Wenn ich weine, bist du fröhlich. Und wenn ich in Panik verfalle, hast du gewonnen.
Ich weiß, dass du mein Leben zerstören möchtest. Willst, dass ich allein bin, keinen Spaß habe, nie wieder lachen kann. Du willst all meine Freunde aus meinem Leben werfen. Denn immer, wenn ich sie sehen möchte, bist du wieder da und hältst mich mit stärksten Kräften davon ab.
Ich weiß, dass du mich am liebsten sterben sehen möchtest. Wie ich von allen Kräften verlassend in voller Angst und Panik dort liege und du mich vollkommen übernommen hast. Du willst, dass mich die Verzweiflung überkommt, ich einfach aufgebe.
Also, liebe Angst, bitte, bitte geh weg! Denn ich werde meine Türen streng verschlossen halten, mit allen möglichen Schlössern werde ich sie versiegeln. Und falls du doch einmal eindringen solltest, dann warten auf dich so schlimme Dinge, dass du wünschen wirst, nie da gewesen zu sein. Du, du bist diejenige, die sich selbst in den Tod schicken wird, nicht ich.