Ankunft:
„Jetzt halt doch mal still!“, lachte seine Mutter.
Tobias grinste sie an. Seit sie von der Autobahn abgefahren waren, hatte er nicht mehr still sitzen können.
„Freust du dich?“, fragte sein Vater, der die Augen auf den Verkehr gerichtet hielt.
„Ja!“, sagte Tobias und hüpfte noch ein bisschen mehr hin und her.
„Hey, du machst den Gurt noch kaputt. Und dann kommen wir zu spät.“
Tobias zwang sich zerknirscht, ruhig zu bleiben. Wenn er den Segofix zerstörte, wäre das nicht nur ein zeitlicher Verlust, sondern auch noch teuer. Er schaffte es, bloß mit den Füßen zu wippen, bis sie auf den Parkplatz des ersten Hotels einbogen.
Tobias freute sich wirklich, dass er die Tour noch mitmachen konnte. Halloween war vorbei, und gerade deshalb hatte er es kaum glauben können, als doch ein Antwortschreiben auf seine Anmeldung gekommen war. Die Veranstalter hätten sich überlegt, in diesem Jahr eine zweite Tour zu machen. Das Geschäft lief offenbar sehr gut, und jetzt profitierte Tobias davon.
Die Heckklappe des Wagens wurde geöffnet und sein Rollstuhl los geschnallt. Es war kalt, als Tobias' Vater ihn auf den Parkplatz schob. Tobias musste einige Minuten frieren, bis der Wagen abgeschlossen war und seine Mutter alle Taschen zusammengetragen hatte. Dann ging es in den Eingangsbereich vom Hotel Cecilia.
Eine junge Frau kam mit einem freundlichen Lächeln auf sie zu und schüttelte allen dreien die Hand. Tobias war sie sofort sympathisch, weil sie keinerlei Hemmungen oder Berührungsängste zeigte.
„Tobias Marshall?“, fragte sie und blickte sie verwirrt an, als wäre nicht eindeutig, wer von ihnen der Rollstuhlfahrer wäre.
„Das bin ich!“, grinste er.
„Oh, du siehst älter aus, als ich erwartet habe.“
Tobias merkte, dass er rot wurde.
„Ich bin Sarah, deine Betreuerin“, sagte die junge Frau mit einer leichten Verbeugung. Sie hatte die rotbraunen Haare zu einem Zopf zusammen gebunden und sah relativ jung aus. Wie eine ältere Schwester.
„Ich sehe, Tobias ist in besten Händen“, sagte seine überaus besorgte Mutter. Es war sein erster Urlaub ohne Eltern. Sie hatten beinahe nicht zugestimmt, immerhin war er erst fünfzehn, und eigentlich durfte man erst ab sechzehn bei der Tour mitmachen. Tobias war ziemlich stolz auf sich, dass er seine Eltern dennoch überzeugt hatte.
Sarah nahm die Taschen von seiner Mutter entgegen und führte sie dann zu Tobias' Zimmer. Während seine Eltern die Sachen in die Schränke räumten, die Tobias bis zum nächsten Morgen brauchen würde, setzte sich Sarah auf eine kleine Couch ihm gegenüber.
„Aufgeregt?“
„Auf jeden Fall“, sagte er. Sarah war wirklich nett. Er mochte sie.
„Du bist aber mutig, dass du dich hierher traust. Dein erster Urlaub alleine?“
Tobias nickte eifrig. Sarahs Blick war bewundernd.
Seine Mutter mischte sich in das Gespräch ein.
„Und er muss die hier jeden Abend vor dem Abendessen nehmen. Und hiervon anderthalb Tropfen zu jeder Mahlzeit, und hiervon -“
„Sie haben doch die Unterlagen ausgefüllt, nicht wahr?“, wehrt Sarah den Ansturm mütterlicher Sorgen lächelnd ab. „Wir werden die Übergabe vor dem Abendessen machen. Bis dahin gibt es das erste Programm. Sie sind herzlich eingeladen, die Lesung mitzuerleben.“
Tobias beobachtete, wie seine Eltern einen Blick tauschten. Sie hatten eine lange Fahrt hinter sich, und würden am nächsten Morgen ebenso weit zurückfahren müssen. Trotzdem stimmten sie Sarahs Angebot zu.
„Heute wird aus der „Göttlichen Komödie“ vorgelesen“, erklärte Sarah, während sie Tobias' Rolli übernahm und ihn zurück zu den Aufzügen fuhr. „Dort werden wir auch die anderen Gäste kennen lernen.“
Tobias wibbelte aufgeregt hin und her. Seine Mutter lächelte über seine Begeisterung.