Wettschulden:
„Na los“, verlange Samstag mit verschränkten Armen.
Amy raste noch das Herz davon, beinahe entdeckt zu werden, aber Sam war dabei, Miras Wettschulden einzutreiben.
„Ich finde nicht, dass ihr den Werwolf erlegt habt!“, meckerte Mira gedämpft. Sie saßen im Gepäckraum des Kleinbusses und mussten aufpassen, dass sie nicht entdeckt wurden.
„Luca hat ihn erschossen“, sagte Samstag.
„Aber ich habe ihn vorher in die Enge getrieben!“, platze Mira heraus. „Ohne unsere Vorarbeit -“
„Es zählt nur, wer den Wolf erlegt hat“, grinste Samstag.
Zerknirscht gab Mira nach. „Okay, wir hatten das Passwort von dir.“
„Von mir?“, stieß Samstag entgeistert aus, beinahe zu laut.
„Du redest im Schlaf“, gab Mira widerstrebend zu. „Tee-jo hatte sich zu dir geschlichen und dich nach dem Passwort gefragt.“
„Verdammt!“, meinte Sam. „Das ist ein Sicherheitsrisiko! Warum sagt ihr mir das erst jetzt?“
„Naja, so konnten wir auch erfahren, was in deinen Prüfungen dran kommt“, murmelte Mira kleinlaut.
„Ihr habt das mehr als einmal getan?“, Samstag schien entsetzt.
Mira kratzte sich am Nacken und wich seinem Blick aus: „Außerdem konnte man dir Befehle erteilen. Samstag – Pipi – Bett.“
„Du wirst nicht einmal rot!“, hauchte Samstag und zeigte anklagend mit dem Finger auf sie. „Du schämst dich nicht einmal!“
„Du hast mir bloß beigebracht, so etwas gut zu verbergen!“, verteidigte sich Mira.
„Wenn du noch meine Schülerin wärst!“, sagte Samstag, beendete die Drohung aber nicht.
Das beständige Dröhnen des Motors füllte den kleinen Raum. Es roch wieder nach Maschinenöl und Benzin. Niemand sagte ein Wort. Samstag musste offenbar erst einmal den Schock verdauen, und Mira wollte sich wohl seinen Zorn nicht zuziehen.
Amy bewunderte es, mit welcher Hingabe sich die beiden um solche Trivialitäten kümmern konnten. Wobei, es war nicht wirklich Bewunderung. Eher entgeistertes Staunen und die Frage, wie diese Menschen ihr Überleben sichern sollten.
Nahmen sie die Gefahr überhaupt Ernst? Eben war Amy beinahe entdeckt worden. Sie konnte nur hoffen, dass Karo sie wirklich nicht verraten würde – immerhin kannte sie die Studentin kaum und Karo hatte keinen Grund, Amy zu schützen.
„Wir fahren zu diesem Bates' Motel jetzt, oder?“, fragte Luca leise.
Fast augenblicklich löste sich das eisige Schweigen von Mira und Samstag.
„Ja. Was wisst ihr noch von dem Hotel?“
Amy zog ihr kleines Notizbuch aus der Tasche. „Wir wurden einzeln mit einem Wagen hingefahren und mussten den Weg alleine finden.“
„Also werden die Mitarbeiter vermutlich ebenfalls abgesetzt, um die, die zurück bleiben, zum Hotel zu treiben“, unterbrach Samstag sie.
Amy zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Wir hatten Einzelzimmer und einen seltsamen Zwischenfall mit einem Arm, der durch ein Fenster kam. Angeblich ein Ast.“
„Gut, gut. Aber was wisst ihr über die Inspiration?“, drängte Samstag und sah Luca erwartungsvoll an. „Über Psycho?“
*Amy antwortete: „Der Film ist von Hitchcock. Eine junge Angestellte stiehlt Geld und flieht damit. Sie gelangt in ein abgelegenes Hotel, dessen Besitzer, Norman Bates, ein wenig seltsam ist. Vor allem scheint er seine Mutter in dem Herrenhaus, das beim Motel steht, einzusperren. Sie ist verrückt und er pflegt sie. Wenig später wird die Angestellte in der Dusche erstochen, von einem Schatten, der nur die Mutter sein kann. Norman schimpft mit der Mutter und beseitigt die Leiche, wenig später trifft ein Detektiv ein, der nach der Angestellten sucht. Sie finden heraus, dass die Mutter nur eine Mumie im Keller ist, Norman selbst hat eine Persönlichkeitsstörung und hält sich für seine Mutter.“
Mira wirkte beeindruckt, Samstags Miene war säuerlich. „Ja, richtig. Ich glaube, da gibt es nichts mehr hinzuzufügen“, gab er gedehnt zu.
Mira grinste Amy offen zu. „Wissen ist Macht!“
„Vor allem heißt das, dass wir es nur mit einem Menschen zu tun haben – einem verrückten Menschen“, befand Samstag. „Das sollte kein großes Problem sein.“
Amy fand das sehr wohl. Sie fragte sich, ob sie Norman Bates genauso töten sollte wie die Werwölfe. Konnte sie das überhaupt? Ihre Finger waren plötzlich sehr kalt.
Sie war doch keine Mörderin!
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*Achtung! Spoiler für Psycho. Wer den Film nicht kennt und nicht gespoilert werden möchte, sollte allerdings generell nicht hier weiter lesen, sondern direkt zum nächsten Hotel springen, bzw. warten, bis die Kapitel dafür veröffentlicht werden.