Infiltration:
Mit angehaltenem Atem bleib Amy stehen und lauschte. Nichts geschah, niemand rief ihr zu, sie solle stehen bleiben und es kam auch niemand mit einem Maschinengewehr oder Panzer an, um sie zu töten – inzwischen rechnete sie mit allem. Mira wäre wohl begeistert.
Sie sah nach vorne, wo Samstag im Schutz einer Zierhecke saß. Da war genug Platz. Sie stieß sich vom Boden ab, huschte über den Kiesweg, wobei ihre Schritte ein lautes Knirschen verursachten. Dann ging sie hinter Sam in die Hocke.
„Furchtbar, dieser Boden, was?“, meinte er mitfühlend. Amy lauschte in alle Richtungen. Die lauten Schritte musste doch jemand gehört haben!
„Egal, wie vorsichtig man geht“, fügte Sam hinzu und schüttelte den Kopf. Dann erst sah er sie an. „Hast du den Sender vorbereitet?“
Amy hob wie zum Beweis ihr Handgelenk und nickte. Die Uhr surrte leise. Mira hatte irgendeinen Mechanismus im Inneren in Betrieb gesetzt, der jetzt leicht in Amys Handgelenk vibrierte.
„Okay, halt dich bereit“, murmelte Samstag, kroch an ihr vorbei und schob sie an den Rand der Hecke vor. Amy spähte vorsichtig darum und sah am Ende eines langen, breiten Weges eine Eingangstür, über der gleich zwei Kameras Ausschau hielten. Sie zog sich wieder zurück, um nicht entdeckt zu werden und legte den Finger auf den Knopf, den Mira ihr gezeigt hatte.
Wenig später erschien Luca ein wenig atemlos.
„Bereit?“, fragte Sam und der dunkelhaarige Schüler nickte. Er positioniert sich neben Amy und legte ebenfalls den Finger auf einen Knopf an seiner Uhr. Beide Sender surrten in etwa so laut wie eine kleine Drohne, und Amy hatte das Gefühl, dass das Geräusch nur noch lauter wurde.
Als Mira ebenfalls auftauchte, nickte Sam ihnen zu und gleichzeitig drückten die beiden Schüler auf ihre Knöpfe.
Die Kameras über der Tür zischten und machten dann ein Geräusch, das an einen herunterfahrenden Rechner erinnerte. Das rote Blinken, das ihre Aktivität angezeigt hatte, erlosch.
„Schnell!“, flüsterte Samstag. Er und Mira sprangen auf und rannten auf die Tür zu. Amy und Luca blieben wie angewiesen im Versteck und sahen über die Hecke. Wenn sich irgendwas in dem kleinen Garten regte, müssten sie ihre Lehrmeister warnen.
Sam und Mira erreichten die Tür, doch diese war verschlossen. Eilig knieten sie sich nebeneinander, jeder vor eine der beiden Türen – es war eine doppelte Glastür in weißem Rahmen – und begannen, die Schlösser zu knacken.
Amy starrte auf ihre Uhr, wo ein Timer ablief. Sie hatten die Kameras nicht vollständig lahm gelegt, diese zeigten nur eine Wiederholung der Aufnahmen der letzten Minute. Viel zu schnell sprang der Sekundenzeiger der Null entgegen. Luca neben ihr kaute auf seiner Unterlippe.
Noch dreißig Sekunden. Fünfundzwanzig. Zwanzig. Fünfzehn.
Das war zu knapp, erkannte Amy, gerade als Mira zischte: „Gewonnen!“
Die beiden Hälften der Tür schwangen fast gleichzeitig auf. „Nicht ganz!“, antwortete Sam leise.
Dann drehen beide sich um und winkten Amy und Luca.
Nach einem kurzen Blickwechsel sprangen sie auf und preschten los. Kleine Steine flogen in alle Richtungen, während sie dem langen Weg folgten. Zehn Sekunden. Neun, acht, sieben. Selbst im Laufen sah Amy auf die Uhr. Ihre Schritte hallten laut wieder.
Fünf Sekunden, vier, drei – sie rasten durch die Türen, die Sam und Mira ins Schloss fallen ließen. Genau bei Null rasteten die Mechanismen ein und den Kameras bot sich das gleiche Bild wie zuvor – vielleicht war der Kiesweg etwas aufgewühlter.
Keuchend standen die vier im Halbdunkel.
„Das wäre geschafft“, keuchte Sam und wischte sich Schweiß von der Stirn.