Who you gonna call?:
Georgy führte ihre kleine Gruppe auf das Herrenhaus zu.
„Caty kann das Haus nicht verlassen“, erklärte er im Schweben, während Samstag an seiner Seite trottete. Von dem Geist ging eine unheimliche Kälte aus, die Samstag als weiße Atemwolke ausstoßen konnte.
„Sie ist an ihre Knochen gebunden, und ich ebenso. Die Knochen findet ihr im Keller. Allerdings -“, hier hielt Georgy inne und Sam wäre beinahe durch ihn hindurch gelaufen, „- ich kann das Haus nicht betreten, solange sie dort ist. Sie hasst mich. Sonst hätte ich ihre Knochen schon lange verbrannt.“
Samstag nickte. Knochen verbrennen. Ein Klassiker.
„Müssen wir sonst noch etwas tun?“, fragte er trotzdem. „Salz über sie streuen, oder Zitronensaft im Haus verteilen?“
„Nicht sterben“, erklärte Georgy stattdessen. „Ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ihr uns beide frei setzen könntet.“
Samstag nickte, aber natürlich war er misstrauisch. Wenn Catherine fort wäre, könnte Georgy das Haus betreten. Was, wenn sich der Alte als neuer Hausgeist aufschwang?
Darum müsste er sich wohl kümmern, wenn es so weit war.
„Wie finden wir den Keller?“
„Normalerweise muss man dazu eine Treppe nach unten“, sagte Georgy mit einem ganz un-untoten-typischen Sarkasmus.
Samstag nickte. Sie hatten die Tür erreicht und Mira, Amy und Luca folgten ihm in das stille Gebäude mit den langen, düsteren Gängen.
„Uhh, ungute Erinnerungen“, murmelte Luca.
Sie brauchten eine Weile, bis sie eine Treppe nach unten fanden, die gemeinerweise hinter einer Tür verborgen gewesen war. Sie fanden als erstes einen kleinen Raum, durch den mehrere Leitungen verliefen.
„Seht mal, da hat jemand an den Kabeln für das Licht herum gespielt“, meinte Mira. Die Kabel waren angesägt. Im ganzen Haus würde das Licht flackern wie bekloppt.
„Waren wohl doch nicht nur Geister hier am Werk“, murmelte Amy.
Sie entdeckten bald eine zweite Tür. Nacheinander kletterten sie eine sehr schmale, sehr steile Treppe hinunter, die unheilvoll unter ihnen knarzte.
Plötzlich ertönte ein hohes Kreischen, dann heulte ganz in der Nähe ein Wolf.
„Catherine!“, entfuhr es Sam, der am Fuß der Treppe war. Er stürzte nach vorne und rannte in die weiße Frau hinein. Aus schwarzen, blutunterlaufenen Augen sah sie ihn an und streckte anklagend einen Zeigefinger auf. Der Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet, aber statt Wolfsgeheul war es nun still. Sam schwankte, als er deutlich spürte, wie der Geist von seiner Angst trank.
„Fuck!“, er streckte die Hand mit dem blau leuchtenden Sender aus und hielt ihn vor das Gesicht der Frau. Sie glitt zur Seite. Offenbar unterbrach der Geisterschutz ihre Macht, jedoch nicht für lange.
Er hörte, wie die anderen an ihm vorbei rannten. Eisige Kälte griff nach seinem Herz. Er biss die Zähne fest aufeinander. Er musste die Frau nicht lange aufhalten, nur lange genug.
Mira schraubte einen Kanister auf und kippte ihn über etwas, das auf dem Boden eines winzigen Raumes lag, den Sam noch nicht richtig wahrgenommen hatte. Der Geruch nach Benzin stieg auf. Catherines Knochen lagen wahllos auf dem Boden verstreut. Sie selbst drang näher auf ihn ein und griff mit einer Klauenhand nach ihm. Sam taumelte zurück. Sein Herz klopfte wie wild, aber seine Beine wurden schon schwach. Er stützte sich an der Wand ab und sank langsam auf die Treppe. Catherine schwebte näher, bestrebt, ihn schnell zu töten, denn sie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Sam nahm alle Kraft zusammen und griff nach ihrem Hals.
Dank der Uhr glitten seine Finger nicht durch sie hindurch. Obwohl sie nebelartig waberte und so schleimig wie ein Aal war, konnte er sie festhalten. Sie kreischte und schlug jetzt mit den Krallen zu. Sam konnte nur den anderen Arm nutzen, um sein Gesicht zu schützen. Die Kratzer brannten wie die Hölle.
Eine Hitzewelle traf ihn plötzlich im Gesicht. Catherine kreischte so laut wie eine Banshee. Ihr weißer Körper verwandelte sich in ein Gestöber von Funken, das winzige Brandflecken auf Sams Kleidung und Haut hinterließ. Er schleuderte den sterbenden Geist mit einem Aufschrei von sich und sie landete in einem Inferno, aus dem Mira, Amy und Luca gerannt kamen.
Sam konnte keinen Muskeln mehr rühren. Seine Augen wollten nach hinten in seinen Kopf rollen. Irgendwie konnte er den Blick auf die drei anderen richten, die an seinen Armen zerrten.
„Lasst … mich!“, keuchte er mühsam. Sie mussten aus dem Keller raus. Er würde sie nur aufhalten, und sie konnten nicht alle sterben.
„Nein!“, riefen Amy, Luca und Mira fast gleichzeitig.
Sam kämpfte gegen die Ohnmacht an. „Geht!“
Etwas leuchtete hinter Mira auf. Zuerst fürchtete Sam, dass Catherine doch noch nicht besiegt war, aber das helle Licht setzte sich aus mehreren kleinen Flammen zusammen, die gen Himmel strömten.
Eine Gestalt formte sich aus dem Strahlen und kam auf sie zu, eine alte Kappe in den alterfleckigen Händen drehend. Georgy.
„Dankesehr. Vielen, vielen Dank“, sagte der alte Mann und verneigte sich vor ihnen. „Jetzt sind wir alle frei. Caty und ihre Zwillinge und alle, die hier gestorben sind.“
Sam hustete. Sein ganzer Körper schmerzte, als ob man ihn mit Nadeln gespickt hatte.
„Oh“, sagte Georgy, als er den geschwächten Sam bemerkte. Er beugte sich nach vorne, an Mira vorbei, und berührte sacht Sams Schulter.
Die Berührung war eisig kalt, aber trotzdem fühlte sie sich gut an, wie reinigendes Wasser. Sam rang nach Atem, sog die Luft tiefer ein als zuvor.
Georgy lächelte. „Ich fänd es wirklich toll, wenn du mit uns kommst, junger Herr. Aber deine Freunde brauchen dich wohl noch.“
Sam kämpfte sich auf die Füße. Der Rauch lag jetzt dicht in der Luft und staute sich in dem kleinen Kellerraum. Mira zog ihn die Treppe hinauf und Georgy winkte ihnen hinterher, bevor ein helles Licht – oder eine besonders heiße Flamme – ihn verschwinden ließ.
Keuchend taumelten sie aus dem Keller und verließen das Haus fluchtartig. Sam rannte, so lange seine Beine ihn tragen wollten, dann brach er im Moor zusammen.
„Geht es dir gut?“, fragte Mira besorgt.
Er nickte, hustete und spuckte etwas aus, das nach Asche schmeckte.
„Ach, hier seid ihr!“, ertönte in dem Moment Mayas Stimme. Als sie angerannt kam, richtete Sam sich eilig auf, obwohl er sich immer noch schlecht fühlte.
„Ich habe euch überall gesucht!“, berichtete Maya. „Aber als das Feuer ausbrach, war mir klar, dass ihr die Wolfsfrau ohne mich besiegt habt. Geht es euch allen gut? Es tut mir so leid, plötzlich waren überall Wölfe, ich bin einfach nicht zu euch durchgekommen.“
„Wir haben's auch so geschafft“, keuchte Sam und stützte sich auf Mira, um aufzustehen. Luca stellte sich an seine andere Seite.
Maya lächelte beruhigt. „Ich habe übrigens was zu Essen gefunden. Und eine Mitfahrgelegenheit. Wenn ihr wollt, seh ich mir mal eure Wunden an.“
Sam nickte und strich sich müde mit der Hand über die Stirn. Sie folgten Maya zu einem weißen Bus, der vor dem Hotel parkte.
„Was ist mit den Gästen?“, fragte Amy.
„Die sind wohl vor dem Feuer geflüchtet“, erklärte Maya. „Sie werden auf der Landstraße aufgegabelt. Los, ins Heck mit euch!“
Die Mitfahrgelegenheit war ein kleiner Transporter. Sie kletterten durch die Heckklappe ins Innere und Maya, die irgendwo die Schlüssel gefunden hatte, schloss ab, damit sie in Sicherheit waren. Dann packte sie zur Begeisterung der vier anderen ein Brot und ein wenig Käse aus. Hungrig machten sie sich über die mageren Vorräte her.