Unfreiwillige Kellerbesichtigung:
Sam kam mit dröhnendem Schädel wieder zu sich. Er hatte noch nie dazu geneigt, lange bewusstlos zu bleiben. Er spürte einen festen Griff um seine Knöchel und ließ die Augen wohlweislich geschlossen. Er wurde über etwas gezogen. Dann durch etwas Nasses.
Plötzlich ging es eine Treppe herunter, auf deren Stufen er sich wieder und wieder den Kopf anschlug. Er unterdrückte ein Stöhnen, um sich nicht zu verraten.
Einen Moment wurde er abgelegt. Schwere Schritte gingen um ihn herum, dann beugte sich etwas stinkend und schnaufend über ihn. Schwitzige Hände griffen unter seine Arme und er wurde hochgehoben wie ein Kind. Einen Moment strich sein Rücken über einen warmen, schwabbeligen Bauch, dann spürte Sam etwas über seine Brust kratzen.
Ein Metalldorn durchstieß sein T-Shirt und dann seine Haut. Jetzt keuchte er doch vor Schmerz und riss die Augen auf. Er starrte an eine schmutzige Wand voller Blutflecken, aus der ein Haken ragte. Ein widerliches Gefühl von Schwäche ging durch seinen Körper, während er auf den Haken sah, der mit Rost und braunem Blut verklebt war. Das war jetzt definitiv ausgesprochen unhygienisch.
„Du bist wach“, schnaufte eine Stimme hinter ihm.
Sam verdrehte den Kopf und starrte in das massige Gesicht des falschen Hannibals, dessen Augen glasig und hungrig auf ihn gerichtet waren.
In der Hand hielt der Kannibale immer noch sein Messer und ein fast unerträglicher Gestank ging von ihm aus.
„Warte hier“, sagte er Sam und stapfte schwerfällig die Treppe hinauf.
Sam entdeckte abgesägte Körperteile auf dem Boden, in einer schlammigen, blutigen Suppe. Ihm drehte sich vollständig der Magen um. Er gab sich alle Mühe, sich nicht selbst zu bespucken, was sich als schwer herausstellte. Er hing mit dem Bauch fast direkt an der Wand.
Nachdem sein Magen leer war, umfasste er den Haken mit beiden Händen und versuchte, sich davon herunter zu ziehen. Seine Muskeln zitterten vor Anspannung, als auch schon schwere Schritte auf der Treppe ertönten. Hannibal kam zurück und warf zwei Beine klatschend auf den Boden.
„Oh, prima. Ich hab mich schon allein gefühlt!“, kam es Sam über die Lippen.
Der Kannibale grinste und offenbarte eine Reihe fauliger Zähne. „Nicht mehr lange.“
Er ging wieder nach oben. Sam stemmte die Füße gegen die Wand, um sich zu befreien, aber seine Muskeln zitterten zu stark. Keuchend sackte er an den Haken zurück. „Verdammt!“
Schon kamen die Schritte zurück. Diesmal stutzte Sam, denn die Geräusche klangen schneller, leichter.
„Sam!“, ertönte Miras Stimme gedämpft. „Los, helft mir!“
Hinter seinem Rücken entstand Bewegung. Dann griffen Hände nach ihm und zogen ihn von dem Haken. Stöhnend sackte Sam zwischen Mira, Amy und Luca zusammen. Kein einziges Körperteil wollte sich noch bewegen, als wären sie alle von Sams Verstand abgekapselt.
„Nichts wie raus hier!“, sagte Mira und warf dann einen bitterbösen Blick auf die Treppe, als dort erneut die Schritte des Menschenfressers erklangen.
„Fick doch einer die Wand an!“, fluchte Mira. Sam kam unsicher auf die Beine und sah sich in dem Kellerraum um.
Es gab kein Versteck und keinen Fluchtweg, nur diverse Körperteile zweier Mädchen. Schon erschienen die Beine des Kannibalen auf der Treppe, dann starrte er die kleine Party in seinem Keller verdutzt an.
„Neue Gäste!“, sagte Hannibal und grinste erfreut.
Die beiden Wächter und ihre Schüler wurden blass wie der frische Anstrich, den der Keller dringend nötig hatte.