Der nächste Tag war ein Montag, und das bedeutete für die Familie Thielmann, früh aufzustehen. Gregor musste früh zur Arbeit – der Job ihres Ehemannes war überhaupt der Grund, warum sie in diese verlassene Gegend beim Schwarzwald gezogen waren – und Lisa brachte Jan zur neuen Schule. Amelie blieb zuhause, doch Lisa wollte sich langsam nach einem Kindergarten für sie umsehen. Besser früher als spät, das hatte sie bei Jans Kindergartensuche gelernt.
Dann blieb ihr der ganze Vormittag, um zwischen Haushalt, Auspacken und Amelie hin und her zu wirbeln. Erschöpft stand sie vor der neuen Küche (die alte Küche der Vormieter) und suchte Platz für ihre ganzen Kaffeetassen, die sie und Gregor leidenschaftlich sammelten.
Als sie Jan schließlich nachmittags abholte, Amelie auf dem Sitz neben sich, war sie müde.
„Wie war die Schule?“, fragte sie und erhielt ein „Hmm“ zur Antwort.
„Was hältst du von Pizza zum Mittagessen?“
„Au ja!“
Lisa lächelte. „Und, schon Freunde gefunden?“
„Naja, zwei oder drei“, sagte Jan zögernd, doch seine Zunge hatte sich gelöst und bald erzählte er ihr glücklich von der coolen Deutschlehrerin und davon, wie anstrengend Sport hier war und wie anders die Mitschüler – gut anders, konnte Lisa aus seinem Tonfall schließen.
Später spielte Jan im Garten, der noch ein ganzes Kapitel für sich werden würde, so groß und verwildert, wie er war. Lisa zwang sich, zum Abendessen Nudeln zu kochen, damit sie nicht nur von bestelltem Essen lebten.
Plötzlich wurde es dunkel. So plötzlich, als hätte jemand ein Licht ausgeschaltet.
Lisa hörte einen Schrei aus dem Garten und eilte zur Balkontür im Wohnzimmer.
Es regnete wie aus Strömen, dabei hatte vor einer Minute noch die Sonne geschienen. Ihr pitschnasser Sohn hatte sich die Winterjacke über den Kopf gezogen und floh nach drinnen. Lisa schlug die Glastür zu und starrte auf die schlammigen Flüsse, die sich durch das Gras zogen. Innerhalb von Sekunden stand das Wasser zwei Handbreit auf der mit Unkraut überwucherten Terrasse.
„Der Regen kam ganz plötzlich, das war wie eine Wand, die auf mich zurollt“, berichtete Jan mit weit aufgerissenen Augen.