„Eine Hexe?“, fragte Josiah nach.
„Ja.“ Anton nickte. „Sie hat oben auf dem Berg gewohnt. Sie muss das Dorf verflucht haben!“
Iris unterdrückte ein Seufzen. Ein Dorf in der Abgeschiedenheit des Waldes, mit einer angeblichen Hexenhütte auf einer Bergkuppe. Die ganze Geschichte schien sich als ein Fall von Massenhysterie herauszustellen. So eine interessante Historik, das musste zwangsläufig dazu führen, dass die Dorfbewohner überall Zeichen und Omen sahen.
„Was ist aus der Hexe geworden?“, fragte Josiah, der nicht aus der Rolle des paranormalen Ermittlers fiel.
„Sie haben sie verbrannt, vor etwa hundert Jahren“, berichtete Anton Dolme bereitwillig. „Und ihre Hütte gleich mit. Aber dann hat ein Jäger dort gejagt und den Aschekreis überschritten. Er hat das Tier nicht erwischt, obwohl er ein sehr guter Schütze war. Stattdessen hat der Hirsch ihn erwischt. Und danach haben die Vorfälle angefangen.“
„Die Vorfälle?“ Damit mussten wohl die Mondkälber und verschwundenen Personen gemeint sein.
Anton nickte ernst. „Ihr müsst den Geist der Hexe vernichten!“
Iris warf ihrem Kollegen einen Blick zu. Sie konnte ihm ansehen, obwohl er es Anton nicht zeigte, dass er genau wie sie dachte. Die Dorfbewohner hassten Veränderungen und alles, was aus dem Rahmen fiel. Ein Jäger, der von einem Pflanzenfresser getötet wurde? Noch dazu auf dem „Hexenhügel“? Das konnte nicht sein, dafür musste es irgendeine Erklärung geben. Das Dorf hatte Angst bekommen. Jeder Zufall wurde zu einem Zeichen des wiedererwachten Bösen.
Das sollte ihre Arbeit hier jedoch auch sehr einfach machen. Sie brauchten nur auf den Berg zu gehen, am besten ohne Zeugen, dort einige Stunden verbringen, vielleicht ein paar alberne Zeichen malen und Wasser verspritzen – und die Geisterhexe wäre Geschichte.
Leicht verdientes Geld, dachte Iris Harper.