Jacob Gordon ließ seine Truppe am Rand des kleinen Wäldchens rasten und zählte die Verletzten. Sieben Männer hatten teils schwere Brandverletzungen davon getragen, Jonathan, dessen Pferd voller Angst durchgegangen war, hatte sich beim Sturz den Arm gebrochen.
Diesen letzten Unfall immerhin konnte er der Drachin nicht zur Last fallen lassen. Es war Jonathans Entscheidung gewesen, auf ein Stahlross zu verzichten und ein normales Tier zu nehmen, das auch in Panik geraten konnte.
Sein eigenes Tier stand absolut still, während Jacob die Männer und Frauen musterte. Das Sonnenlicht schimmerte auf dem kühlen Metall. Ruß zeigte dunkle Flecken auf der Flanke des falschen Tieres.
Jacob gab die Signale, worauf sich das Tier stampfend und knirschend umdrehte. Er richtete sich im Sattel auf und spähte über das Land zur Stadt. Dort hatte man den Rauch am gestrigen Abend schon gesehen. Der Pöbel war in Angst geraten, ganz wie ein scheues Pferd. Die Stadtwache dagegen hatte sofort Wasser geschickt und auch angeboten, die Jäger zu versorgen.
Jacob hatte abgelehnt und seinen Mannen nur eine kurze Rast gegönnt. Den heutigen Tag hatten sie damit verbracht, nach Spuren zu suchen, doch die Drachin blieb verschwunden.
Jacob kaute auf dem Stummel seiner Zigarette. Er war nicht unbedingt dafür bekannt, dass er seine Beute fliehen ließ.
"Steigt auf!", befahl er den Männern und Frauen mit rauer Stimme.
"Hast du eine Spur, Gordon?", fragte jemand.
Jacob nickte. Es gab nur einen Ort, wohin der Drache geflohen sein konnte - zurück in der Stadt Aarth.
Er drückte mit den Fersen gegen die metallenen Flanken und das Stahlross trottete los. Seine Bewegungen waren exakt, so regelmäßig wie ein Uhrwerk. Mit unermüdlicher Ausdauer trug es ihn bald über die Ebene und auf die Stadtmauer zu. Die Wächter öffneten ihnen alle Pforten.
Jacob Gordon teilte Gruppen ein. Er ließ die Männer losziehen und warnte sie nochmals vor der Täuschung der Drachen - sie konnten sich als Menschen tarnen. Nachdem es lange Zeit nur Gerüchte gegeben hatte, hatte er nun mit eigenen Augen den Beweis gesehen.
Das Drachenmädchen. Es war ein harter Schlag für seine Karriere, dass sie ihn ausgetrickst hatte. Eine Flammendrachin, nicht einmal ausgewachsen. Sie hatte ihn überlistet. Die Männer redeten.
Jetzt war sie wieder in der Stadt. Aarth war zu großen Teilen aus Holz erbaut. Während der großen Drachenkriege waren dann neue Gebäude aus Stein gewachsen, meist aus der Asche eines Holzhauses heraus. Doch immer noch war der Pöbel dumm oder arm genug, um aus Holz zu bauen. Und wenn dieses Holz angezündet wurde, würde es bald zu Katastrophen kommen. Der verschlossene Bau der Stadt war gegen Angriffe von oben geschützt. Innen aber würde sich der Rauch stauen, und kopflose Menschen würden sich in den zahlreichen engen Gassen verwirren. Es würde Tausende von Toten geben.
Jacob grauste bei dieser Vorstellung. Es lebten Kinder hier, Kinder wie er selbst einmal gewesen war. Er rückte den Dreispitz auf dem Kopf zurück, der ihn als Anführer der Jäger auszeichnete.
Er hatte diese Position nicht ohne Mühen erreicht. Und ihn trieb der Wille an, ganz nach den Gesetzen der Drachenjäger, die Schwachen zu beschützen.
Sein Kiefer mahlte, während er sich die unterschiedlichen Situationen ausmalte. Diese Drachin war eine Gefahr für die Stadt. Er musste sie eliminieren, ohne eine Massenpanik oder eine Katastrophe auszulösen. Das Schicksal der Hauptstadt hing davon ab.
Sein Stahlross trottete durch die Straßen und schnaufte dabei. Dampf stieg aus den Nüstern und die Anzeige im Nacken des Tieres zeigte Jacob, dass er bald neue Kohlen brauchen würde. Und wohl auch Öl, denn er hörte die Zahnräder im Inneren quietschen. Er hätte nicht durch Wasser reiten sollen, doch er hatte die Drachin um jeden Preis finden wollen.
Seufzend rückte er im Sattel hin und her. Er durfte die Drachin nicht verschrecken. Sie hatte bereits gezeigt, wozu sie fähig war. Er musste sie aus der Stadt locken, sie heraus treiben, ohne dass sie ihr Feuer nutzen könnte.
Dabei war sein Plan, sie in den Brunnen zu befördern, so gut gelungen. Er hatte natürlich geahnt, dass sie sich verwandeln könnten. Kein guter Jäger würde solche Gerüchte ignorieren. Und dann hatte er sie dort gehabt, wo er sie haben wollte. Wenn nur seine Männer nicht gekommen wären. Ihr unplanmäßiges Erscheinen, ihr Wille, die Jagd fortzusetzen, hatte alles verdorben.
Vielleicht hätte er die Treibjagd durch den Wald anders aufziehen müssen. Jetzt mussten sie alle von vorne anfangen, und so leicht würde sich die Drachin nicht ein zweites Mal hereinlegen lassen. Jacob war schon erstaunt gewesen, wie leicht sie sich dem Wasser überlassen hatte.
Die Mittagssonne stand hoch, aber Jacob fühlte sich müde, während er sich eine Zigarette ansteckte. Die ganze Jagd umsonst, sieben Leute verwundet, und erneut eine Katastrophe vor Augen. Manchmal hatte er das Gefühl, sein Leben bestand nur aus einer Aneinanderreihung von abgewendeten und ausgebrochenen Katastrophen.