B l i n d
Zwischen Liebe, Ungeduld und Entscheidungen
Kapitel z w e i
Die Welt gehört denen, die sie genießen.
Veronica Ferres
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Zwar gehörten diese Momente meist zum erheiternsten Teil einer solchen Veranstaltung, doch nahmen die Taten des jungen Mannes nur allzu bald überhand. Im vierten Jahr fand Albus seine Aktionen noch lustig, doch je älter sie wurden, desto mehr arteten Scorpius' Spielchen aus. Über den Verbleib seines besten Freundes auf der Krankenstation bewahrte Albus noch immer Stillschweigen. Weder seine, noch Scorpius' Eltern erfuhren je um die abwegigen Umstände der jungen Sprösslinge. Ein Grund, warum die Freundschaft der beiden so funktionierte, wie sie es tat, trotz der seltsamen Blicke von Schülerschaft und Lehrkräften, die den Gerüchten um eine Feindschaft der Väter mehr Glauben schenkten, als den Tatsachen vor ihren Augen. Wie Pech und Schwefel waren sie und würden es auch bleiben, darin bestand nicht die Spur des Zweifelns.
»Reißt du dich wenigstens dieses Mal zusammen?« Albus' Blick huschte von dem Pergament, das er soeben beschrieb, zu Scorpius, der sich mit dem Federkiel am Kinn kratzte. Grübelnd zog dieser die Augenbrauen zusammen, tunkte die Spitze der Schreibfeder in das Tintenfass vor sich und hielt jedoch in dem Versuch, das eben gedachte Wort zu Papier zu bringen, inne.
»Nur wenn du mitkommst!«, flüsterte Scorpius mit einem breiten Grinsen.
»Muss ich ja wohl, oder?« Albus' Konter wurde mit einer verstimmten Miene seinerseits untermauert.
»Ja, ja, ja, Mister Potter, dass ist dann wohl der Preis dafür, wenn man sich so sehr an Regeln klammert.« Der Spott in Scorpius' Stimme wurde von einem lauten Räuspern zum Stillschweigen verdammt.
Während Scorpius angestrengt weiterschrieb, konnte Albus nur das rabenschwarze Haupt schütteln. Wie dankbar war er, als sie endlich das stickige Klassenzimmer verlassen und sich in die Große Halle begeben konnten, um ihren knurrenden Mägen entgegenzuwirken. Regen peitschte gegen die hohen Fenster und dunkle Wolken verdüsterten den herbstlichen Himmel, doch der trüben Stimmung des Tages wussten die Schüler Einhalt zu bieten. Egal, wo Albus hinhörte, der große Herbstball schien allgegenwärtig in den Köpfen seiner Schulkameraden umherzuschwirren und wer nicht aufgeregt daher plapperte, wälzte Kataloge über die neuesten Trends der Modeindustrie, um sich noch kurzerhand von den Eltern das passende Kostüm per eilige-Eulen-Post zukommen zu lassen.
Neben den gruseligen Varianten an Roben der Marken Troll, Grindeloh, oder für die ganz abgebrühten ein Dementoren-Umhang, zwitscherten aufgedrehte Mädchenstimmen durcheinander, deren weitschweifende Fantasien von Prinzessinnen, über Feen bis hin zu griechischen und römischen Sagengestalten reichten. Widerwillig hatte Albus seiner Mutter einen Brief geschrieben, in dem er um ein eher simples Kostüm bat. Doch wie er seine kleine Schwester kannte, würde Lily höchstwahrscheinlich als strahlendes Wesen in Erscheinung treten, mit viel Tamtam, Glitzer, Rüschen und allem, wo nach sich fünfzehnjährige Mädchen sehnten.
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Griesgrämig verzog Albus das blasse Gesicht, während er seinen Kameraden dabei zusah, wie diese sich herausputzten. Lester war der Erste, der komplett ausstaffiert nach dem Türknauf griff. Lässig schob er mit einem Finger die Krempe seines Zylinders ein wenig herauf, schenkte seinen Freunden ein verschmitztes Lächeln, das seine spitzen, plastikartigen und aufgesteckten Eckzähne zeigte, und verschwand mit wehendem, pechschwarzen Umhang aus dem Zimmer.Scorpius war gerade dabei, die letzten, verbleibenden Bildchen auf seinen Oberarm zu kleben, als er den Blick hob. »Amery Strong von den kreischenden Hynkepunkz«, erklärte er seinen unwissend dreinblickenden Freunden schulternzuckend, fuhr sich durch die weißblonde Mähne und zerzauste diese ordentlich.
Der Malfoy'sche Erbe stand dem Leadsänger dieser magischen Rockband in nichts nach, selbst die unzähligen Tattoos und der Nasenring standen ihm beinahe besser, als dem Original. Scorpius schlug gerade unter brummenden Tönen ein Lied an, da polterte Duncan ins Zimmer.
»Oh Mann, der singt ja schlimmer als jeder Augurey!«, rief er gegen den schmerzlichen und überaus gräulich klingenden Versuch von Scoprius an und verdrehte die Augen.
»Wieso? Regnet's schon?«, schnaubte Thornton verächtlich und blickte dennoch unter Argwohn zur Zimmerdecke hinauf, ob der junge Mann nicht doch einen Rohrbruch verschuldet hatte. »Hör mit dem Geheul auf, Malfoy!«
Von Empörung gepackt, zog Scorpius eine Schnute und hielt in seinem Vorhaben inne, die Stimmung heben zu wollen.
»Hey Al«, Albus vernahm Duncans Stimme unweit von seinem Ohr entfernt. »Bist du dann der Monopoly-Typ?«
Albus nickte, verzog genervt den Mund, blickte an sich herunter und zupfte an seinen schwarzen Haaren herum, ehe er sich ebenso wie Lester nur wenige Minuten zuvor, einen Zylinder auf den Kopf setzte. Auch in der magischen Welt war dieses Spiel weitverbreitet, doch die meisten Magier sahen nichts erheiterndes darin, um Galleonen, Knuts, Silbersickel, Straßen oder Anwesen zu spielen, ein paar wenige Ausnahmen gab es dennoch.
»Mit dieser komischen Brille?«, hakte Duncan nach, der sich freute, Albus' Kostüm erraten zu haben.
»Du meinst mit einem Monokel?«, gab der Potter-Spross trocken zurück.
»Nein, dieses komische Brillen-Dings mit nur einem Glas.«, erklärte Duncan weiter, ohne auf die Worte seines Freundes einzugehen.
»Monokel«, gab Albus knurrend zurück, da ihm wieder in den Sinn kam, dass es für ihn bald kein Zurück mehr gab.
»Nein, dieses komische, einfache, runde Gestell, wo man nur mit einem Auge durchguckt.«, noch immer schien der hochgewachsene Junge nicht zu verstehen.
»Ja, Monokel! Akins, das ist ein Monokel!«, warf Scorpius ein und brach zusammen mit Thornton in schallendes Gelächter aus.
»Etwas Positives hat der Abend jedenfalls, ich konnte Wissenslücken füllen!«, murmelte Albus, ehe er besagtes Monokel an die richtige Stelle setzte.
»Party!«, grölte Scorpius plötzlich unverhohlen, holte zwei Flaschen Butterbier hervor und drängte sich zwischen Albus und Thornton hindurch. »Lasst uns saufen, bis zum Verlust der Muttersprache!«
Albus war nicht gern der Spielverderber, doch stand im Regelwerk der Schule geschrieben, dass Nüchternheit als Pflicht verordnet wurde, zumindest solange die Rede noch gesprochen und die Musik noch nicht erklungen war. Dementsprechend entriss Albus seinem Freund die geschmuggelten Flaschen und erntete ein frustriertes Seufzen.
»Higgs, was stellst du dar?«, der Missmut wich der Neugierde, als sich Scorpius zu seinem Cousin umdrehte.
»Quintaped«, gab Thornton zurück und schmierte eine blutähnliche Konsistenz über Arme und Mund.
»So fasst dich garantiert keine an.«, spottete Scorpius, doch Thorntons Grinsen garantierte anderes.
»Oh Malfoy, du glaubst ja gar nicht, wie viele Mädchen auf so was abfahren. Die Meisten glauben, ich hätte mich geprügelt, ungeahnt dessen, dass ich eigentlich als Menschenfresser unterwegs bin.«, der junge Higgs genoss den Seitenhieb auf seinen Vetter, der nun recht verstimmt dreinblickte.
Anscheinend hätte Scorpius die Wahl seines Kostüms in diesem Moment gern noch einmal überdacht, doch er tröstete sich damit, dass auch das Rockstar-Image einiges zu bieten hatte.
Mit gemächlichen Schritten stolzierten die vier Jungen den langen Gang entlang, ehe sie jene Treppe erreichten, die zu den oberen Gefilden des Schlosses führte.
Lautes Geschnatter führte unweigerlich dazu, dass Scorpius stehen blieb, um sich nach den Sechstklässlerinnen aus Hufflepuff umzusehen, die tuschelnd und gackern hinter ihnen her trabten.
»Enyd«, meinte er und breitete unter weitschweifender Gestik die Arme aus. Doch Enyd Somerfield, blondgelockt und etwas zu offenherzig bedeckt, rümpfte nur missbilligend das kleine, etwas fettig schimmernde Näschen und zog ihre Zwillingsschwester Enya an Scorpius vorbei. Die aufgenähten Blätter ihrer spärlichen Roben begannen bei jedem Schritt zu rascheln.
»Nymphen!«, frohlockte Duncan plötzlich, der nach einer kleinen, blechernen Querflöte griff und die Bockhörner auf seinem Kopf ins rechte Licht rückte.
»Wieso, bei Merlins Unterhose, hast du eigentlich keine Hufen, Böckchen?«, Scorpius ließ seinen Frust über die nicht-in-Kenntnisnahme seiner Person an dem armen, als Satyr verkleideten, Duncan aus.
»Ich bin ein moderner Satyr!«, verteidigte sich der Akins-Spross. »Außerdem ...«
»Schon gut«, genervt verzog Scorpius das spitze, blasse Gesicht und schien nicht erpicht weiteren Ausführungen des Jungen zu lauschen.
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Da die Rede von Rektor Warrington von Ver- und Geboten nur so strotzte, wurde diese vom Großteil der Schülerschaft nur müde zur Kenntnis genommen. Während die jüngeren Schüler bereits um neun Uhr in ihren Betten liegen sollten, war es den Älteren vergönnt, gestaffelt und je nach Altersstufe, eine Stunde später in die Gemeinschaftsräume zurückzukehren. Für die Siebtklässler jedoch kein Grund, nicht ungehindert weiter zu feiern.Albus ließ seinen Blick über die üppig angerichtete Tafel schweifen. Neben Kürbiskuchen, Fleischpasteten, Kartoffeln und Saucieren, die beinahe überschwappten, würde die Fülle an Lebensmitteln noch bis zum Weihnachtsfest reichen. Doch ihm war ganz und gar nicht nach speisen zu Mute. Während Scorpius neben ihm klammheimlich eine kleine Phiole hervorholte und etwas von dem bernsteinfarbenen Inhalt in seinen Becher schüttete, wartete dieser darauf, dass die anderen Jungen ebenfalls ihre Gefäße an ihn überreichten.
»Al«, drängte Scorpius und deutete mit kurzem Nicken auf Albus' Tasse. »Jetzt gib schon her!«
Der Potter-Spross verdrehte die Augen, griff flink nach dem Trinkgefäß vor sich und ließ jenes unbemerkt unter den Tisch sinken.
»Als Philister bist du heute fehl am Platz.«, zischte ihm der blonde Junge entgegen und gab den letzten, verbleibenden Rest der schimmernden Substanz in den gelblich-leuchtenden Kürbissaft.
»Was setzt man mir vor?«, knurrte Albus ungehindert zurück und erntete nur ein triumphierendes Grinsen.
»Spezialmixtur!«, zwitscherte Scorpius unter breitem heben der Mundwinkel. »Cognac, Brandy, Whiskey und ein Spritzer Wermut.«
Ein Laut der Überraschung verließ seinen Mund, ehe Albus in Gedanken an den Cocktail in seinem Becher beinahe den nun bräunlich-glänzenden Inhalt in den nächstgelegenen Pflanzenkübel geschüttet hätte.
»Trink' langsam!«, mahnte Scorpius eindringlich und schwor ihn mittels verschwörerischem Blick ein.
»Trinken? Eher ausspucken! Das Zeug fetzt einem garantiert die Speiseröhre weg.«, murrte Albus und blickte unter verengten Augen zu seinem Freund.
»Und wenn schon.«, trällerte Scorpius ungehalten und hob die schmalen Schultern.
Direktor Warrington war in den letzten Zügen und gestikulierte unter eher müdem Schnaufen, dass das Mahl nun beginnen und nach dessen Beendigung die Feierlichkeit gebührlich begonnen werden durfte.
»Na endlich, und ich dachte schon, der hört nie auf.«, entkam es Thornton seufzend, der nur ein zustimmendes Nicken rings um sich vernahm. Mit nur mäßigem Interesse stocherte Albus in seinem Essen herum, obwohl das Knurren seines Magens gefühlt quer durch den Raum gehört werden musste. Ihm war weder nach Essen, noch nach Feiern, und nach Trinken war ihm erst recht nicht. Das Gemurmel und Scheppern von Tellern und Besteck nahm seine Ohren in Beschlag und langsam mischten sich die Klänge zu einer Melodie, die ihn schläfrig werden ließ. Beinahe wären ihm die Augen zugefallen, hätte ihn der unsanfte Stoß in die Rippen nicht wieder in die Realität zurückgeholt.
»Hör auf zu pennen!«, verlangte Scorpius und stürzte den Inhalt seines Bechers in nur einem Zug seine Kehle hinab. Albus schluckte schwer, denn das Brennen in seinem Hals vermochte er sich gar nicht erst auszumalen. Das lautstarke Räuspern, welches aus dem Mund des jungen Malfoy entfloh, bestätigte seine Vermutung über die hochprozentige, aufgeputschte Mischung der gold-schimmernden Flüssigkeit. Das Räuspern wich einem nach Luft gierenden Husten.
»Zu viel Cognac«, krächzte Scorpius und deutete mit hastigem Gestikulieren nach einem Becher reinen Kürbissaftes. Ohne zu Murren kam Albus der Aufforderung nach und goss ihm den Becher randvoll.
»Warst du es nicht, der mir vor nicht weniger als einer viertel Stunde eindringlich eingebläut hatte, das Zeug langsam zu trinken?«, eine dunkle Augenbraue wanderte empor und Albus kam nicht umhin, ein wenig triumphierend zu klingen. Scorpius schwieg seine Antwort aus, stattdessen blickte er nur abfällig neben sich und stellte den Becher unter einem dumpfen Laut auf den Tisch.
»Ich meine ja nur«, murmelte Albus und in seiner Stimme schwang ein Hauch Belustigung mit.
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Endlich hatte man die Haustische an die Seiten befördert und beschlossen, dass Musik der Stimmung eine Spur von Heiterkeit verleihen sollte. Abgesehen von ein paar, etwas weiter zurückstehenden, kleinen Tischen, auf denen Snacks und Getränke aufgereiht wurden, war genügend Platz um der Schar an Schülern den Freiraum zu geben, den sie beim Tanzen benötigten.Da Albus wenig von verrenkenden Bewegungen zu musikalischen Klängen hielt, suchte er sich eiligst ein Plätzchen, an dem man ihn in Ruhe ließ. Schweigend besah er sich seine Klassenkameraden und Mitschüler, wie sie in ihren Kostümen beieinander standen, lachten, feierten und tanzten, oder versuchten, die jeweilige Verkleidung des anderen zu erraten.
Wie Recht er doch hatte, als er vermutete, dass seine Mutter Lily Luna eine funkelnde Robe hatte zukommen lassen. Das rote Haar des Mädchens lag in Wellen auf ihrem Rücken, während Albus' jüngere Schwester jeder Veela gekonnt Konkurrenz machte.
Sein Blick schweifte umher und blieb an Rose Weasley hängen, deren große Flügel beinahe den Eindruck erweckten, sie wollte wahrlich zum Himmel aufsteigen. Das Mädchen mit der rot-braunen Mähne schleifte einen Löwenschwanz hinter sich her, sodass ihre Maskierung unschwer als Greif zu erkennen war.
»Hey, Al« Albus erschrak, als er die Stimme von Dominique unschwer neben sich ausmachte. »Sag bloß, du versteckst dich schon wieder?«
Seine Antwort war nur ein belangloses Schnauben, doch seine Cousine durchschaute ihn meist sofort. »Hat nicht viel gebracht.«, entgegnete er gedehnt, während er Dominique betrachtete. »Wo ist deine Tinkerbell?«
»Ich bin nicht Peter Pan, du Blindfisch! Ich bin ein Kobold.«, erklärte sie und deutete auf ihren grünen Hut, das grüne, kurze Top, nebst noch knapperer Hot Pants, die passende Strumpfhose, sowie die Stiefel. Alles in allem war das blonde Mädchen mit Pixi-Cut dem kommerziellen Erscheinungsbildes eines Koboldes ähnlicher, als er für möglich gehalten hatte.
»Und dein Topf voll Gold, Leprechaun?«, giggelte Albus, verzog jedoch keine Miene. Als Dank für seinen Spruch erntete er nur ein überfreundliches Lächeln, sowie das Herausstrecken der Zunge seiten Dominiques.
»Nicky«, ein blondes Mädchen winkte hastig mit Händen und verlangte nach Aufmerksamkeit.
»Soll ich dich mit Enya verkuppeln?«, wollte seine Cousine wissen, doch Albus schnaufte nur verächtlich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie hat eine Schwäche für Männer mit Geld.«
»Verkuppel' Scorpius! Der hat vorhin schon versucht, die andere Somerfield-Schwester anzubaggern.«, erklärte er in müdem Ton. Dominique schien wahrlich zu überlegen, zumindest machte ihr Gesicht einen grübelnden Eindruck. Kurz zuckte sie mit den Schultern, ehe die Hexe ihm die Schulter tätschelte und ihn wieder allein ließ.
Ein gedehnter Seufzer verließ seinen Mund, ehe sich Albus dazu entschied, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Die Musik dröhnte in seinen Ohren und er wich, so gut es ihm möglich war, den tanzwütigen Schülern aus, die in freudiger Erregung selbst am Rande der Tanzfläche ihre Körper in Bewegung setzten.
Die umher stehenden, runden Tische waren mit weiß-orange melierten Hussen versehen worden und hie und da hingen ihm Fledermäuse, Glubschaugen, Spinnweben und Schrumpfköpfe vor der Nase. Violetter, roter, blauer und giftgrüner Nebel waberte durch die Halle und nicht selten kam es vor, dass man gegen Stuhl- oder Tischbeine stieß.
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Mit skeptischem Blick wanderte Albus von Tisch zu Tisch, ohne jedoch etwas annähernd Essbares zu entdecken, das ihm zusagte.»Darf ich mal?«, eiligst machte er dem Wesen Platz, das ihn angesprochen hatte, griff nach dem, was sich gerade vor seiner Nase befand und stutzte. Die Gestalt kam ihm merkwürdig bekannt vor, doch die langen, weißen Haare und das zerfledderte Kleid schreckten ihn schon ein wenig ab.
»Darf ich raten?«, hörte er das Mädchen fragen und blickte verdutzt drein. »Du bist ein Baron? Graf? Auf jeden Fall bist du jemand, der nicht gern feiern geht. Ein Spießer.«
Albus ließ sie reden, auch wenn ihm das Gehörte nicht gefiel. Die Direktheit in ihrer Stimme war ihm nicht geheuer. »Ah, Megs«, endlich hatte er das Mädchen in dem grausigen Kostüm erkannt.
»Ja?«, polterte sie hastig und wandte sich zu ihm um.
»Du ... bist eine Doxy, richtig?«, wollte er wissen.
»Eigentlich wollte ich als Banshee durchgehen.«, brachte Megcine enttäuscht klingend hervor.
»Oh, Banshee, ja, richtig. Ich dachte, die hätten schiefe, gelbe Zähne.«, versuchte Albus sich zu verteidigen.
»Die Zähne hab ich hier«, meinte das Mädchen, holte aus einer eingenähten Tasche ein krummes, vergilbtes Plastikgebiss hervor. «Ich würde sie ja tragen, aber die tun schrecklich weh im Mund.«
»Glaube ich dir«, sagte Albus, wippte leicht auf Hacken und Ballen im Wechsel, während er das Monokel vom Auge nahm und es an seinem schwarzen Jackett unter anhauchen zu reinigen versuchte.
»Was isst du da?«, fragte sie, goss eine seltsam aussehende Flüssigkeit in einen Pappbecher und taxierte ihn neugierig.
»Trollfinger«, nuschelte Albus und nagte an dem Möhrenstick, der mit einer algenartigen Substanz umwickelt war.
»Sieht ja ekelig aus«, Megcine verzog das Gesicht zu einer angewiderten Fratze und gönnte sich einen Schluck aus ihrem Becher.
»Und was ist da drin?«, mit einem schwachen Nicken deutete er auf das Gefäß in ihren Händen.
»Heuchelst du Interesse vor?« Ihr Blick war von Argwohn durchsetzt.
»Mitnichten«, grinste er und erntete einen schnaubenden Laut.
»Schneckenschleim«, suggerierte ihm Megcine. »Kürbissaft mit Holundersirup, Waldmeisterbrause und irgendetwas, das richtig scheußlich aussieht, aber gar nicht so übel schmeckt.«
»Ach?«, Albus war es plötzlich egal, dass sein gemixtes Getränk, welches Scorpius so liebevoll verschandelt hatte, noch immer irgendwo im Saal herumstand. Der arme Tropf, der dieses Zeug seine Kehle herrunterspülen würde, tat ihm schon jetzt leid.
»Von Waldmeister wird mir immer übel.«, eher belanglos entkam ihm diese Information, doch Megcine schien sich nicht daran zu stören. »Allein schon der Geruch, bärks.«
Das Mädchen verzog für einen flüchtigen Augenblick den Mund zu einem Lächeln. »Mir geht es so mit Lakritze.«, gestand sie und aus dem Lächeln wurde ein Grinsen.
Doch sobald Albus versuchte, ihre Freundlichkeit zu teilen, stoppte er in seinen Bewegungen. Entrüstet blickte er an Megcine vorbei in die Gesichter seiner Freunde, die wenig angetan von seiner Aktion waren und dies mittels Mimik auch zum Ausdruck brachten.
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