Mein Heimweg beginnt auf einer ganz normalen Straße an der ich meinen Bus verpasst hatte, daher beschloss ich den Weg nach Hause zu laufen. Ich ging erst ein paar Meter an der hell beleuchteten Straße entlang, als ein dunkler Seitenweg meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Kurz ein paar Treppenstufen herunter und ich fand mich auf einer von Bäumen gesäumten Straße aus Kopfsteinpflaster wieder. Von Licht war hier wenig zu reden, aber ich wusste sie verläuft parallel zu meinem normalen Heimweg. Als ich so meines düsteren Weges dahin zog erfasste meine Hände eine seltsame Nervosität. Ich begann den Gurt meiner Umhängetasche zu umklammern, während meine Gedanken ihren Lauf nahmen.
Ich dachte bis vor kurzem noch ich wüsste zumindest in einem Punkt etwas über mich, ja ich dachte ich besäße eine Eigenschaft auf die ich stolz sein könnte, aber selbst diese musste ich mir eingestehen habe ich nicht. Es tut mir weh, aber was sollte ich tun? Ich habe es nicht geschafft für sie da zu sein.
Ich weiß nicht welche Musik ich hören soll, dauernd wechseln meine Hände zwischen dem Gurt meiner Tasche und meinem Handy hin und her. Ich ändere die Lieder, kaum dass sie eine Minute laufen. Der Gedanke was ich hören könnte ist einfach angenehmer als der Gedanke daran was ich getan habe und wenn ich nicht gerade den Gurt meiner Tasche umgreife, oder wieder das Lied ändere, dann greife ich in die Luft als wäre dort etwas, oder jemand. Aber dort ist niemand. Warum? Ich kann es nur vermuten, aber welcher Grund es auch sein mag: Ich kann verstehen warum niemand da sein will. Was bedeutet ein Mensch, der nicht mal die einfachsten Bedingungen einer Freundschaft erfüllen kann?
Mein Gang beschleunigt sich, ebenso meine Gedanken. Was genau ich denke? Ich kann es nicht sagen, nur dass die Abwärtsspirale beginnt. Jegliche Erinnerungen an den Abend werden in meinem Kopf zermartert und ich überlege fieberhaft, ob eigentlich positive Erinnerungen nicht doch nur ein Trugbild waren, oder Produkte meines Geistes der so vieles falsch sieht. Was wenn Aussagen nicht so gemeint waren wie ich sie verstanden habe? Was wenn Blicke gänzlich andere Bedeutungen haben? Was weiß ich schon was um mich herum passiert? Die Musik auf meinen Ohren bewegt sich zwischen kompletter Sinn Hinterfragung und simplen Wünschen, wie dem Zurück Drehen der Zeit.
Während meine Gedanken mich nicht in Ruhe lassen führt mich mein Weg langsam diese dunkle Straße entlang. Eigentlich sollte dies mein Heimweg sein, jedoch weiß ich gerade nicht einmal mehr ob ich dieses Heim erreichen will, oder werde. Dort warten Menschen die mir zwar viel bedeuten, jedoch erscheint es mir immer mehr der Fall, dass sich alles wandelt. Und in diesem Wandel spiele ich zunehmend keine Rolle mehr. Selbst in diesem Falle kann ich nicht einmal sagen, ich wäre daran nicht Schuld, denn so wie man Menschen behandelt, wird man auch behandelt und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, so muss ich mir eingestehen: Wie ein Freund habe ich mich auch hier nicht verhalten.
Ich erreiche langsam den Punkt nicht mehr zu laufen, nein schon fast zu rennen und meine Hände können nicht ruhig bleiben. Meine Gedankenwelt überschlägt sich langsam immer mehr und bringt kaum noch sinnvolle Gedanken hervor, jedoch bleibt eines gleich: Das Negative. Alles kreist um dass was ich Menschen angetan habe und dass ich diese Menschen so nicht verdient habe. Einen Schluss daraus zu ziehen mich zu ändern und zu bessern, schaffe ich nicht. Zu erdrückend erscheint mir, dass was ich getan habe. Die Gedanken auszubrechen und alles zurück zu lassen erscheinen verlockender als mir lieb ist, denn ich hänge sehr an meiner Welt. Aber das Gefühl ihrer nicht würdig zu sein verlässt mich einfach nicht.
Als die dunkle Straße langsam endet führt mich mein Weg noch einmal über eine Brücke unter der ein Fluss hindurch fließt. Gedanklich als auch musikalisch habe ich den Tiefstpunkt meiner Selbst erreicht obwohl es mir 20 Minuten zuvor noch äußerst gut ging, aber da hatte ich mich auch noch nicht alleine auf den Weg nach Hause begeben. Ich bleibe auf der Brücke stehen, nehme die Kopfhörer aus dem Ohr und betrachte mir still schweigend diesen Fluss und während meine Gedanken sich langsam in dem Rauschen des Gewässers verlieren, drängt sich mir die unstillbare Frage auf, was denn wäre, wenn ich jetzt einfach diesem Fluss folgen würde. Ob in ein neues Leben, oder in den Tod, oder zur Bedeutungslosigkeit, wer weiß schon was in so einem Fluss geschieht, aber dieser Weg nach Hause kann so nicht bleiben.