Ich ziehe das Jacket meines Anzugs an und mache mich auf den Weg zu der Hochzeit. Ein Bekannter heiratet und ich muss wohl aus Anstand erscheinen. Große Lust dazu habe ich keine, dieses ganze Verkleiden für einen Anlass kann ich nicht ernst nehmen und dann dieses ganze Konstrukt der Ehe selbst. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass diese Ehe länger als zwei oder drei Jahre halten wird, aber dennoch muss ich dort wohl erscheinen.
Mir erscheinen meine eigenen Gedanken zwar düstrer als sie sein sollten, gehe ich doch zu einem eigentlich fröhlichen Anlass. Jedoch werde ich diese wohl nicht mehr los. Naja, was soll man schon machen, hoffentlich wird mir diese Hochzeit nicht zu viel Zeit rauben. Als ich auf dem Weg aus meiner Wohnung an einem Spiegel vorbei laufe, fällt mir auf, dass ich mich komplett in schwarz gekleidet habe. Ich war wohl zu sehr in Gedanken gewesen während der Wahl meiner Kleidung, ich empfinde es zwar als unpassend, aber habe nicht mehr die Zeit mein Hemd zu wechseln und gehe also los.
Als ich an der Kirche ankomme sehe ich unzählige Menschen in vornehmer Kleidung und mit viel zu breitem Lächeln in den Gesichtern. Meine Stimmung verdüstert sich bei jedem freundlichen "Hallo" und jedem Fetzen Smalltalk den ich halten muss. Mir fällt immer wieder auf, dass die Leute meine Kleidung mustern und mich dabei seltsam ansehen, aber sobald ich ihren Blicken begegne schauen sie betreten weg. Sollen sie sich doch an meiner Kleidung stören, solange ich hier bald wegkomme ist es mir egal. Am schlimmsten wird es als der Bräutigam mich unbedingt seinen Eltern vorstellen muss, er faselt etwas von: "wie gut befreundet wir doch wären, und wie froh er wäre mich seinen Freund zu nennen", aber ich höre ihm nicht wirklich zu. Ich nicke ab und zu und bejahe seine Aussagen, aber eigentlich befinde ich mich gedanklich komplett abseits.
Diese ganze Veranstaltung erinnert mich nur zu sehr daran, als ich mich damals selbst noch in einer Partnerschaft befand. Wohl eine der schönsten Zeiten meines Lebens, jedoch liegt diese in meiner Vergangenheit - was war ich nur für ein Idiot gewesen diese wundervolle Frau wegen eines dummen Fehlers zu verlieren. Aber was passierte ist nun mal passiert und ich sollte lernen damit umzugehen.
Wie ich so in meiner Vergangenheit versank verpasste ich wohl, dass alle in die Kirche gingen, denn plötzlich zupfte ein Kind an meinem Ärmel und deutete auf die Pforte. Ich murmelte nur ein kurzes "Dankeschön" vor mich hin und folgte dem Jungen in die Kirche.
In der prächtig geschmückten Kirche suchte ich mir einen Platz weit hinten und etwas abgelegen von den Leuten, sollten sie sich nach der Hochzeit doch ruhig ihre Münder über den seltsamen, ganz in schwarz gekleideten Kerl in der hinteren Ecke der Kirche machen - mir sei das einerlei. Mich beschäftigen gerade viel mehr meine Gedanken über meine damalige Freundin. Gefühle wie für sie kannte ich bis zum damaligen Zeitpunkt nicht, auch wenn sich diese erst ein paar Jahre nach unserem Kennenlernen gezeigt haben. Es hatte sich wohl nicht früher ergeben sollen, dass wir uns auf diese Art begegneten, aber das Problem an unserer Beziehung war die Entfernung die zwischen uns lag. So konnten wir uns nur äußerst selten sehen und wir lagen oft in blanker Sehnsucht entbrannt in unseren Betten um miteinander zu telefonieren.
Jedoch sollte die fehlende Nähe zu ihr dazu führen, dass ich eines Abends unterwegs war und bei einer Party eine andere Frau traf und sie stark angetrunken küsste. Es war nichts als ein Kuss, doch als ich es meiner Freundin gestand brach dies einen Streit vom Zaun, der darin enden sollte, dass wir uns eingestanden, dass diese Fernbeziehung wohl nicht funktionieren kann. Als wir uns trennten blieb in mir nur ein Gefühl von Verzweiflung zurück wie ich diese wundervolle Frau nur verlieren konnte. Dies wurde jedoch bald dadurch ersetzt, dass ich am meisten bedauerte sie so verletzt zu haben. Sie hätte das alles nicht verdient gehabt, aber dennoch ist es passiert, allem voran war ich Schuld daran, ich der eine andere Frau geküsst hatte. Etwas dass ich mir wohl nie verzeihen werde.
Während ich so in meinen Gedanken schwelgte ist die Trauung schon recht weit voran geschritten. Ich besah mir das Brautpaar und frug mich woher sie das Recht nehmen, dass ihre Liebe funktionieren sollte? Ja warum soll ihnen das vergönnt sein? Sie würden sich doch wahrscheinlich sowieso bald wieder trennen. Ich fixierte die Braut mit meinen Blicken und stellte mir vor, ob sie es sei die ihren Mann betrügt. Oder war es doch sie die ihn mit einer anderen erwischte? Wie auch immer es geschehen wird, es wird geschehen. Als ob ihre Liebe bestehen würde. Als ob diese beiden Menschen das Glück haben dürften ihren Partner gefunden zu haben. Als ob es diesen beiden Menschen besser ergehen sollte als mir.
Und während ich so meinen Gedanken nachhing fixierte ich die Braut immer weiter, und während der Priester ihr die Frage stellte ob sie ihn heiraten wolle, begab es sich, dass sie wider aller Erwarten mit: "Nein" antwortete.
Ein Raunen ging durch die Menge und man sah wie etwas in dem Bräutigam zerbrach, während die Braut aus der Kirche eilte. Der Trauzeuge nahm den nun doch nicht Ehemann in den Arm, während die Menge in Aufregung versank und von Trauer überwältigt wurde.
Einzig und allein mein Gesicht hellte sich auf, denn als die Braut die Kirche verließ und ich sie mir zum ersten Mal genau ansah fiel mir auf, dass ich sie kannte. Sehr gut kannte.
Und so sollte es sich begeben, dass ich, der letzte Mensch mit einem Lachen im Gesicht, die Kirche verließ um der Braut zu folgen. Erfüllt von der Hoffnung meinen Fehler wieder gut machen zu können.
Ich erwachte von meinem seltsamen Traum einer Hochzeit und fand mich in meinem Bett wieder. Alleine, mit dem Bewusstsein einen riesigen Fehler begangen zu haben.