Ehrlich gesagt bin ich mir nicht mehr sicher, ob das hier eine gute Idee war. Ich hätte gleich wieder umkehren sollen, als ich gesehen hatte, wie heruntergekommen hier alles aussieht.
„Ich will Ihnen aber keine Umstände machen“, erkläre ich lahm.
Die Antwort ist ein unverständlicher Laut, welches eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Knurren hat. Dann verschwindet der Mann wieder ins Innere des Hauses, lässt aber die Türe offen. Offensichtlich soll ich ihm folgen.
Das ist ja alles schön und gut, aber wie soll das gehen? Weshalb macht dieser Verrückte kein Licht, braucht er denn keines?
Ich überlege ernsthaft, einfach zu verschwinden, als ich ihn plötzlich reden höre: „Was ist, warum kommen Sie nicht?“
Erschrocken zucke ich zusammen. Der Fremde steht plötzlich direkt neben mir.
Wie konnte er sich so leise anschleichen? Ich hätte ihn doch sehen oder zumindest hören müssen, mit seinem schlurfenden Gang.
Mit einfach Abhauen ist dann wohl nichts mehr.
Aber ich werde auf keinen Fall blind in das Haus stolpern.
„Das geht nicht“, stammle ich.
„Warum?“
Da mir nichts besseres einfällt, bleibe ich bei der Wahrheit. Vermutlich ist eh das Licht kaputt oder der Strom ist abgestellt, sonst würde er ja wohl die eine oder andere Lampe einschalten. „Sie haben kein Licht“
„Kein Licht?“, wiederholt er verständnislos.
Der ist tatsächlich nicht mehr recht bei Verstand. „Ja, kein Licht. Da kann ich nichts sehen“
Ich kann seine Antwort nicht verstehen, meine aber, ihn so etwas wie „Das habe ich ganz vergessen“ murmeln zu hören. Er schlurft wieder zurück zum Haus.
In der festen Überzeugung, das Ganze jetzt ausgestanden zu haben, möchte ich mich abermals auf den Weg zu meinem Pkw machen, als es doch tatsächlich im Innern des Gebäudes hell wird.
Ich kann nur verblüfft auf den alten Laden starren, entscheide mich dann aber tatsächlich dafür, mir die Sache anzuschauen. Nur ganz kurz.
Langsam gehe ich zur Türe und spicke hinein.
Tatsächlich – ich entdecke einen Verkaufsraum, der allerdings so gut wie leer ist. Nur vereinzelt kann ich ein paar Kostüme erahnen. Sie hängen an schweren Bügeln und sind zu ihrem Schutz in Stoffschutzhüllen, so dass ich nicht wirklich viel erkennen kann.
„Reinkommen!“, befiehlt er streng.
Ich zucke erschrocken zusammen, und befolge doch tatsächlich seine Anweisung.
„Türe zu – bitte.“
Wo steckt der Mann? Seine Stimme scheint von überall zu kommen und nirgends. Entdecken kann ich ihn jedenfalls nicht.
Obwohl mir alles andere als wohl dabei ist, folge ich und umfasse den Türgriff. Obwohl ich langsam vorgehe, quietscht es laut, als ich die Türe bewege. Am Ende klemmt sie auch noch und ich muss ich sogar heftig drücken, damit sie ins Schloss fällt.
Wenn ich es nicht besser wüsste könnte man meinen, sie würde gar nicht mehr benutzt und geht deshalb so schwerfällig.
Seltsam…
„Was suchen Sie?“, höre ich ihn mit einem Male dicht hinter mir.
Wie kann jemand nur so lautlos sein und sich wiederholt so unbemerkt an mich heranschleichen? Erschrocken drehe ich mich um.
Der Verkäufer schätze ich auf etwas älter ein, so um die Mitte 50. Nicht besonders groß, vielleicht knapp unter 1,70 Meter. Seine Statur sonst ist durchschnittlich und er sieht sehr gesund aus. Hätte ich nicht seinen schlurfenden Gang gehört könne ich wettern, dass er zur Liga der rüstigen Alten gehört, die ständig in den Bergen herumkrabbeln und fitter sind als manche jungen.
Angesichts der Kühle hier im Raum – mit Heizen scheint er es auch nicht so zu haben – wundert mich sein kurzärmliges Hemd doch ein wenig. Wenigstens trägt er eine lange Hose.
Sein Blick ist undefinierbar. Ich erkenne Neugierde, aber noch etwas anderes, was ich nicht genau definieren kann und mir einen leichten Schauer über den Rücken rieseln lässt.
Vermutlich bilde ich mir das aber nur ein. Dieser Laden wirkt unheimlich, irgendwie verlassen. Eine dünne Staubschicht scheint über allem zu liegen – weiter riecht die Luft leicht muffig und abgestanden, so, als würde nicht oder zu wenig gelüftet.
Ich bin an einem Ort, der mir nicht ganz geheuer ist und eine bedrückende Atmosphäre in sich birgt.
Scheiß Party, scheiß Halloween.
Dieses Haus erinnert mich fast an ein Grab. Naja, mag am heutigen Tag liegen, daher wohl diese Assoziation.
Diese dunkelbraunen Augen des Fremden tragen auch nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Zwar sehe ich nun etwas, aber das Licht ist nicht übermäßig hell und gaukelt mir ein unheilvolles Glänzen oder Flackern seiner Pupillen vor. Und dann noch diese wilden, buschigen Brauen.
Auffallend ist sein langes schwarzes Haar, welches er offen trägt und weit über die Schultern zu gehen scheint. So genau kann ich das nicht erkennen, da er mir ja gegenübersteht und sich die Haare hinter seinem Rücken befinden. Es sieht erstaunlich kräftig und gesund aus und ohne eine einzige graue Strähne darin.
Oder sie fallen einfach nicht auf, unter dieser schwachscheinenden Lampe.
Ich sollte etwas sagen und ihn nicht länger anstarren, er wirkt auf mich eh schon unheimlich genug. Ich will ihn nicht noch mehr verärgern.
Obwohl ich am liebsten aus diesem Gebäude fliehen würde, räuspere ich mich also unbehaglich und bringe mühsam hervor: „ich suche ein Kostüm für Halloween“