Neugierig blicke ich in den Spiegel.
Auch wenn es bisher nur die Unterwäsche ist, die ich anhabe.
Aber es fühlt sich so ungewöhnlich an, dass ich das einfach überprüfen möchte. Ja, ich liebe diese nahtlosen Ausfertigungen, aber das hier ist ungewöhnlich.
Ich hatte ja Wolle oder zumindest einen Anteil daran vermutet, aber es ist ein anderes Material. Leicht weich liegt es herrlich angenehm auf der Haut. Etwas kühlend, aber nicht wirklich unangenehm.
Das Ganze klingt lächerlich, aber ich fühle mich wie leicht gestreichelt. Eng umschmiegen mich Unterhose und -hemd, als wären sie eine zweite Haut. Auch wenn ich mich bewege, so spüre ich den Stoff nicht wirklich als Fremdkörper, sondern als etwas, was zu mir gehört.
Aufgrund dieser seltsamen Empfindungen also ein prüfender Blick.
Ja, die Wäsche sitzt perfekt. Ansonsten nichts Ungewöhnliches. Enganliegend, eher cremefarbig und keine Besonderheiten.
Fast ein wenig langweilig.
Ich zucke mit den Schultern. Was soll’s. Sieht man ja nicht.
Hauptsache, ich fühle mich darin wohl darin, oder?
Das Hemd, da habe ich schon eher Bedenken. Ich bevorzuge einfarbige, enge Shirts. Wenn Hemden, dann natürlich moderne, keine solche wie das hier.
Ja ich weiß, Rüschenhemd passt zu Vampiren. Aber warum ausgerechnet rot? Schwarz wäre mir lieber gewesen, das ist nicht so auffallend. Aber so?
Einfach altmodisch und mir nicht männlich genug. Zu feminin, mit diesen verspielten Applikationen.
Seufzend nehme ich es. Für ein Abend wird es gehen.
Auch hier wieder diese Kühle, aber das erwähnte ich ja schon. Das Hemd ist nicht zugeknöpft und so kann ich direkt hineinschlupfen.
Und wieder ist es wie zuvor: der Stoff liegt angenehm auf meiner Haut. So, wie ich es noch nie zuvor bei einem Kleidungsstück empfunden habe. Fast könne man meinen, das Hemd möchte sich bei mir entschuldigen oder sich bei mir einschmeicheln.
Verrückte Gedanken, die mir hier kommen, oder?
Eine leichte Kühle bleibt, was mich aber nicht mehr sonderlich überrascht.
Seltsames Kostüm.
Trotz der Rüschen gelingt es mir überraschend leicht, das Hemd zuzuknöpfen. Die Knöpfe gehen fast von selbst in die richtigen Knopflöcher, die ich auch auf Anhieb finde.
Kurz kommt mir der alberne Gedanke, dass das Hemd mir helfen möchte bzw. alles daransetzt, dass ich es anziehe.
Was denke ich schon wieder?! Das Gehirn fabriziert schon manchmal dummes Zeug.
Jetzt, da ich das Oberteil anhabe, empfinde ich es nicht mehr als ganz so schlimm. Vielleicht liegt es auch am hohen Tragekomfort. Es liegt natürlich nicht so eng an, aber ist doch tailliert geschnitten. Und, so stelle ich überrascht und ein wenig widerwillig fest, steht mir dadurch ausgezeichnet. Nichts zwickt oder hängt raus. Und das versöhnt mich etwas.
Ich bewege testweise ein wenig meine Arme.
Es bleibt dabei. Passt perfekt. Wie für mich gemacht.
Der Alte hatte ja Maß genommen, erinnere ich mich. Und hatte ja etwas in dieser Art gemurmelt.
Deshalb wohl. Weil er erkannt hat, dass mir diese Kleidung perfekt passen würde.
Das gleiche Bild mit den Socken und der schwarzen Hose, die ich als nächstes anziehe. Etwas kühl, aber wie maßgeschneidert.
Testweise laufe ich ein wenig auf- und ab.
Immer noch nichts Störendes.
Mich packt der Ehrgeiz und ich beschließe, das zu testen.
Deshalb bücke ich mich und versuche ein paar Kniebeugen.
Die Empfindungen bleiben immer gleich. Der Stoff liegt angenehm auf der Haut und behindert mich in keiner der Bewegungen. Fast so, als weite er sich um wenige Zentimeter oder ziehe sich zusammen, je nach Bedarf.
Natürlich gibt es so etwas nicht, das ist mir auch klar. Aber der Schneider - sagt man das heute eigentlich noch? – war auf jeden Fall sehr begabt.
Während ich mich noch darüber wundere, verändert sich etwas.
Die leichte und angenehme Kühle der Kleidungsstücke nimmt zu und wird eisig.
Ich fröstle.
Überall ist mir jetzt kalt – an den Füßen, Beinen, den Armen und am Oberkörper. Dort, wo dieser Stoff meine Haut berührt.
Ich meine auch mit einem Male, einen seltsamen Geruch wahrzunehmen, ähnlich wie frische Erde. Die man gerade aus dem Sack nimmt oder wenn man ein neues Beet anlegt. Gleichzeitig aber auch etwas Muffliges und eine Art… Kupfer.
Während ich noch darüber nachdenke, was das alles zu bedeuten hat, was hier gerade passiert, lässt der eisige Griff, der mich gerade gefangen hält, etwas nach.
Verwirrt schüttle ich den Kopf.
Werde ich krank?
Ich fühle nun wieder die bekannte, leichte Kälte.
Das kommt alles von dem verrückten Kerl. Jetzt bilde ich mir schon Dinge ein, die gar nicht sind. Meine Nerven sind einfach überspannt.
Nun ja, bald bin ich hier wieder weg. Daher wird sich das nicht wiederholen.
Denn mit der Eiseskälte sind auch die seltsamen Gerüche verschwunden.
Besonders merkwürdig fand ich in diesem Zusammenhang den nach Kupfer. Oder etwas anderes Metallisches.
Weshalb bildet man sich ausgerechnet so was ein?
Und warum empfinde ich dies als einen wunderbaren Duft? So dass ich gerade noch extra tief die Luft durch meine Nase ein- und ausatme um mich zu vergewissern, ob er sich tatsächlich verflüchtigt hat.
Fast wie ein Hund, der die Witterung aufnehmen möchte?
Immer noch über mich selbst verwirrt, schüttele ich den Kopf und wende mich dem Umhang zu.
A/N: Ich habe die Geschichte jetzt auf 16+ gesetzt. Kein Angst, es wird keine Hack- and Slice- Geschichte. Ich mag lieber den Grusel, der auf leisen Sohlen darherkommt. Und das hat nichts mit der Anzahl der Leichen zu tun. Aber es wird auch kein "Alles war nur ein Traum"- Happyend geben, insofern dachte ich, gehe lieber auf Nummer sicher. Und man merkt ja schon, dass hier etwas Gefährliches mit Daniel passiert. Richtig wäre hier wohl 12+, aber diese Klassifizierung kommt ja erst noch. Ich hoffe, es hält euch nicht ab, diese Story (weiter) zu lesen.