Ich starre ihn verblüfft an.
„Wie?“
„Ich weiß, ich weiß“. Weshalb muss er immer kichern? „Der Name ist noch ungewohnt. Aber das ist meine Bedingung. Also bitte?“
Ja toll. Möchte er mich reinlegen? Urkundenfälschung oder so?
Andererseits – er kennt ja meinen richtigen Namen nicht. Insofern droht mir da wohl keine Gefahr.
Also setze ich den Stift wieder an und unterschreibe mit dem genannten Namen. Als ich jedoch anschließend das Papier betrachte und sehe, was ich da geschrieben habe, erstarre ich.
Das ist nicht meine Handschrift.
Offensichtlich traut mein Unterbewusstsein diesem Kerl ebenfalls nicht und ließ mich daher meine Schrift verändern.
Interessiert blickt der Mann auf die Buchstaben, dann nickt er zufrieden. „Sehr gut. Wie ich mir gedacht habe.“
Was meint er?
„Sie können die Truhe nun vermutlich auch alleine tragen. Oder soll ich Ihnen helfen, Alessandro?“
Er scheint daran Gefallen zu finden, diesen Namen andauernd zu verwenden.
Soll er.
Der Name klingt ja auch gut.
Alessandro klingelt in meinem Kopf weiter.
Weshalb mich heute Abend als Vampir nicht auch so nennen?
Wie dieser seltsame Kautz ja schon sagte – ich trage schließlich auch seine Kleider.
Ob er recht mit der Kiste hat? Sie erschien mir ja vorher auch schon leichter.
„Ich versuche es alleine“, antworte ich deshalb.
Weiter dieses erbärmliche Kratzen. ‚Also dieser Stoff, den ich trage, ist eines Alessandro Martinelli unwürdig‘, denke ich mir mit einem schiefen Grinsen. Mich umziehen, das wird das erste sein, was ich mache.
„Dann viel Spaß damit“, grinst der Alte.
Ich zucke nur mit den Schultern und nehme schweigend meine Truhe.
Der Verkäufer hat recht, sie ist nicht mehr schwer.
Zu meiner Überraschung hält er mir sogar die Türe auf. Seit wann ist der höflich?
„Bis zum nächsten Mal“, kommt nun auch noch.
Ganz sicher nicht.
Gar nicht so einfach, die Kiste zu tragen, da sie recht groß ist. Aber meine Arme sind lang genug.
Erleichtert bugsiere ich sie in meinen Kofferraum.
Nun rasch nach Hause.
Ich betätige den Anlasser und fahre los.
Warum ist es hier drin eigentlich so warm?
Ich habe das dringende Bedürfnis die Kälte, die in meinem Körper ist, nicht zu verlieren. Also betätige ich die Klimaanlage und reguliere sie so weit runter, wie es geht. So, jetzt müsste es ja bald besser werden.
In etwa einer Dreiviertelstunde habe ich es geschafft.
Ich fühle mich wie schon erwähnt nicht ganz wohl, trotzdem läuft die Rückfahrt überraschend flott; und das, obwohl ich nicht gerne im Dunkeln fahre. Es strengt mich zu sehr an.
Ich leide zwar nicht an Nachtblindheit, aber es bereitet mir einfach Probleme. Besonders blenden mich entgegenkommende Scheinwerfer anderer Fahrzeuge – vor allem, wenn es regnet und die Fahrbahn nass ist.
Zu viel reflektierende Lichtquellen.
Seltsamerweise habe ich diese Schwierigkeiten heute nicht. Ich sehe wunderbar und kann überraschend viele Details erkennen.
Und das mitten in der Nacht.
Trotz dieser verbesserten Sicht blenden mich der Gegenverkehr weniger als sonst.
Keine Ahnung, was mit mir los ist. Meine Art, Dinge zu sehen und wahrzunehmen, wird sich ja kaum verändert haben, oder?
Da mir der Weg nach Hause leichter fällt als sonst, kann ich es mir leisten, ein wenig meinen Gedanken nachzuhängen.
Was führe ich eigentlich für ein Leben? Kann man das überhaupt Leben nennen?
Von Montag bis Freitag früh aufstehen und einer Arbeit nachgehen, die mich nicht wirklich befriedigt. Angst um den Arbeitsplatz, unbezahlte Überstunden und Leistungsdruck.
Ich weiß, ich bin nicht der einzige. Vielen Deutsche geht es gleich. Einen Beruf, der als erfüllend wahrgenommen wird und Lebenssinn gibt? Das mag es auch geben. Aber nur für eine Minderheit.
Und für was das alles? Um solche Lumpen zu kaufen, die ich gerade trage? Mich mit Freunden zu treffen, die innen gleich leer sind, unzufrieden und voller ungelöster Probleme?
Nein, das kann es nicht sein.
Fassungslos schüttle ich den Kopf. Was lasse ich eigentlich mit mir machen?
Mit einer Mischung von Unzufriedenheit und Zorn nähere ich mich meinen eigenen vier Wänden. Nein. So wird es nicht weitergehen. Ich werde aus diesem Hamsterrad aussteigen. Und anfangen, mein Leben mehr zu genießen...
Irgendwie passend. Ich stelle heute Abend einen Untoten dar und nehme mir gleichzeitig vor, mehr zu leben.
Ich muss doch tatsächlich schmunzeln. Meine Laune hebt sich, und das bei diesen furchtbaren Kleidern.
Gut gelaunt setze ich den Blinker und biege nach links ab. Ich bin wesentlich früher zu Hause als gedacht.
Und freue mich sehr darauf, endlich wieder die richtigen Kleider anziehen zu können. Die so perfekt zu mir passen und nun mir gehören.