Zu Hause!
Ich habe bereits die Truhe in meine Wohnung transportiert. Am besten verstecke ich meinen Schatz später noch.
Am liebsten würde ich mich gleich wieder umziehen. Aber irgendetwas drängt mich, vorher noch zu duschen.
Auf jeden Fall erst Mal aus diesen furchtbaren Klamotten raus. Bald ist es vorbei mit diesem kratzigen, unbequemen und steifen Zeug.
Gott sei Dank. Ich fühle mich schon bedeutend wohler.
Achtlos werfe ich diese Dinge in den Wäschekorb und wende mich der Kiste zu. Vorsichtig packe ich die einzelnen Teile der Verkleidung aus und lege sie sorgfältig aufs Bett. Danach gehe ich ins Badezimmer.
Ich freue mich wirklich auf meine kalte Dusche.
Wann habe ich es das letzte Mal gemacht? Keine Ahnung. Vermutlich noch nie.
So etwas was bisher undenkbar. Bis jetzt.
Ich habe einfach ein großes Bedürfnis nach mehr Kühle. Und ich möchte auch nicht ungewaschen anziehen. Es erscheint mir als falsch.
Daher zögere ich nicht einen Moment, das kalte Wasser aufzudrehen. Das wird mir hoffentlich guttun.
Und schließe erleichtert die Augen, als das kalte Wasser auf mich einprasselt. Das sollte ich einfach immer tun. Und gesünder ist es ja auch, oder?
Ein leichtes Lachen entweicht meiner Kehle. Karin, meine Ex, hatte mich ja gerne einen Warmduscher genannt. Was sie wohl jetzt sagen würde? Sie würde es wohl nicht glauben.
Ja, das hilft mir jetzt und bringt meinem überhitzten Körper ein wenig Linderung. Weshalb wollen es alle immer so warm? Das verweichlicht doch nur. Das hier tut mir gut, belebt die Sinne und kurbelt den Stoffwechsel an.
Die kalten Tropfen prasseln auf die Haut. Diese scheint etwas blass und bekommt auch durch den Reiz auch keine Farbe.
Schon etwas merkwürdig. Müsste es nicht rot werden? Aber sie bleibt unverändert.
Vielleicht täuscht auch das Licht.
Achselzuckend drehe ich den Hahn wieder zu und beginne, mich einzuseifen. Erst mit Duschgel den Körper und dann noch Shampoo für die Haar.
Ich gehe recht zügig vor. Duschgel und Shampoo riechen beide reicht intensiv. Früher ist mir das nie aufgefallen, aber das könnte man ja fast als Gestank bezeichnen. Und diese künstlich herbe Note. Frisch aus dem Chemielabor.
Bäh! Ich beeile mich nur noch mehr.
Unwillkürlich erinnere ich mich an die herrlichen Düfte, den ich in dem Haus des komischen Typen wahrgenommen habe. Oder, ehrlich gesagt, wohl eher eingebildet. Die Erde. Das Kupfer.
Beim Gedanken an das Metall muss ich unwillkürlich lächeln. Ja, das wäre schön. Das wäre etwas, womit ich mich wohlfühlen könnte. Dieser Geruch könnte mich gerne einhüllen. Am besten den ganzen Tag, 24 Stunden.
Bei der Vorstellung läuft mir seltsamerweise das Wasser im Mund zusammen. So, als würde es sich um viel mehr handeln als nur ein Geruch. Als sei es etwas Köstliches, eine Verheißung, etwas Seligmachendes.
Ich seufze sehnsuchtsvoll und drehe den Hahn wieder auf, um den Schaum wieder von meinem Körper zu spülen. Auf jeden Fall werde ich mich am Montag auf die Suche nach etwas Besserem machen – das hier war definitiv das letzte Mal, dass ich dieses Zeug verwendet habe.
Die kalten Wasserstrahlen versöhnen mich ein wenig. Wenn auch dieser ‚sportlich- frische‘ Duft – so wird diese Beleidigung für meine Nase doch tatsächlich auf der Verpackung angepriesen – nicht ganz von meiner Haut verschwindet, so ist er zumindest nicht mehr so penetrant. Und wenn ich erst das Kostüm angezogen habe, wird er noch weniger zu bemerken sein.
Ja, mein Kostüm. Wie freue ich mich darauf, endlich in die Rolle des Vampirs zu schlüpfen. Und diesmal komplett mit den Zähnen. Ich bin da wirklich gespannt, wie die aussehen werden.
Ein wenig genieße ich noch die Kälte, bevor ich das Wasser abstelle und die Kabine wieder verlasse. Rasch trockne ich meinen Körper ab und fahre mit dem Handtuch auch noch kurz über die Haare, ehe mein Blick auf den Spiegel fällt.
Ein etwas bleiches Gesicht ist darin zu sehen. Zugegeben, ich bin oft ein wenig blass, da ich zu wenig nach draußen gehe, aber heute habe ich weniger Farbe als üblich.
Ob ich etwas ausbrüte? Nun, ich fühle mich eigentlich sehr gut, und sehe sonst auch nicht krank aus. Das einzig Ungewöhnliche ist dieser Wunsch nach Abkühlung.
Ich beschließe, nicht mehr weiter darüber nachzugrübeln. Allgemein mach ich mir gerade einen zu großen Kopf. Sicher, der Besuch in dem Laden war mehr als merkwürdig, inklusive des Verkäufers und der Raum, in dem ich mich umgezogen hatte.
Aber schließlich ist ja alle gut gegangen, ich habe eine gratis Verkleidung bekommen und für all das andere gibt es sicher eine ganz einfache Erklärung. Vermutlich bin ich einfach überspannt von dem ganzen Stress im Büro. Der war ja auch diese Woche besonders heftig gewesen. Jeder ist anders und ich scheine mir einige Kleinigkeiten einzubilden, wenn der Druck dann über das Wochenende weg ist. Und innerlich habe ich von all diesem Ärger eine innere Hitze und brauche es deshalb kalt. So einfach ist das.
Ich gehe jetzt erst mal auf diese Feier und morgen ist sicher wieder alles normal.
Aber trotzdem wird sich etwas ändern. Und zwar sofort.
Denn ich habe nicht ohne Grund in den Spiegel geschaut. Wenn ich als Vampir Alessandro auftrete, dann sollte ich auch so aussehen. Also südländisch.
Am bleichen Teint kann ich nichts ändern, aber diese blonden Haare müssen weg. Daher öffne ich entschlossen meinen Alibert und hole diverse Utensilien heraus, unter anderem den Rasierschaum und eine Rasierklinge.
Ich werde hier besonders sorgsam vorgehen. Aber ich möchte eine gründliche Rasur haben. Kein blondes Härchen darf bleiben, das würde das Gesamtbild stören.
Zum ersten Mal seit sehr, sehr vielen Jahren mache ich mich daran, meinen Bart zu entfernen.
Aber mein Entschluss steht fest.
Daniel Schmidt muss weichen, damit Signore Martinelli auferstehen kann.