Vorsichtig kämme ich das lange Haar.
Weshalb habe ich nur das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben?
Die Bürste habe ich in der Kiste gefunden. Glücklicherweise, denn ich selbst habe so etwas nicht. Bei meiner Kurzhaarfrisur war das auch nicht nötig.
Ich komme mir ein wenig vor wie im falschen Film. Dieses Bürsten durch die Strähnen, es fühlt sich seltsam vertraut an. So, als tue ich dies nicht zum ersten Mal.
Woher kommt das?
Auch erstaunlich, wie fest die Perücke sitzt. Eigentlich müsste sie doch verrutschen, während ich die Haare beherzt von den Kletten befreie, oder etwa nicht?
Stattdessen meine ich sogar, die Haare auf der Kopfhaut zu spüren. Ein Reiz auf er Kopfhaut und den Haarwuzeln, während ich hier vor dem Spiegel stehe und mich kämme.
Und weshalb sind diese Haare eigentlich feucht? Es stimmt, ich hatte geduscht, aber die Perücke natürlich erst danach aufgesetzt.
Ich verstehe das alles nicht. Auch das Gefühl, wichtige Begebenheiten der letzten Stunden vergessen zu haben, beunruhigt mich.
Wo habe ich die Verkleidung nochmals gekauft?
Ich weiß es einfach nicht mehr. Über allem liegt ein seltsamer Nebel.
Und woher kommen die seltsamen Visitenkarten?
Eine ist bedruckt mit der Adresse von einer gewissen Maria Martinelli, die andere nur mit einer Telefonnummer beschriftet. Irgendwoher weiß ich aber, dass diese zu einem Eric gehört. Sicherheitshalber habe jedoch ich beide Nummern in meinem Handy abgespeichert und beide Kärtchen wieder zurück in meinen Geldbeutel gesteckt,
Irgendwann muss es mir ja wieder einfallen.
Geschickt umfasse ich nun meine Haare und teile sie mithilfe von Bürste und Kamm zu mehreren einzelnen Strähnen auf. Anschließend flechte ich mir routiniert einen Zopf. Der alte sah einfach nicht mehr besonders gut aus.
Ich scheine hierbei wohl ein Naturtalent zu sein, da ich genau weiß, welche Handgriffe vonnöten sind. Nicht lange, und ich stehe mit einer perfekten Frisur vor dem Spiegel.
Woher ich das alles weiß? Keine Ahnung.
Eigentlich sollte mich das beinruhigen, genauso wie meine Amnesie. Aber es lässt mich seltsam unberührt.
Viel wichtiger erscheint mir, attraktiv auszusehen. Schließlich heiße ich im Moment Alessandro Martinelli, bin Italiener und lege Wert auf eine gepflegte Ausstrahlung.
Ja, noch so ein Rätsel. Wieso fühle ich mich so und woher kommt der Name? Er muss auf jeden Fall etwas mit dieser Visitenkarte von „Maria Martinelle“ zusammenhängen.
So oder so, jedenfalls passt das Kostüm gut zu mir, elegant und ein wenig altmodisch. Wie es sich für einen Vampir gehört. Der Stoff scheint hochwertig zu sein und liegt weich auf der Haut. Trotzdem meine ich zu wissen, dass es damit eine ganz besondere Bewandtnis hat und der Stoff zuvor sogar noch mehr Tragekomfort geboten hat.
Blöde Gedanken. Ich ignoriere sie besser.
Viel wichtiger erscheint es mir, vorher noch etwas zu essen, da ich einen ungewöhnlichen Hunger verspüre, der von einer Art Gier begleitet wird.
Über meine anderen Gedanken kümmere ich mich später.
Glücklicherweise ist noch ein Rest von gestern im Kühlschrank. Spaghetti mit Tomatensoße. Das ist schnell in der Mikrowelle aufgewärmt.
Eine gute Fügung, da ich bald losfahren muss, will nicht zu spät zur Feier kommen. Bei der Vorstellung an die Tomatensoße, diese rote Farbe, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Gut gelaunt gehe ich rüber in die Küche und öffne die Türe. Wo ist denn nur diese blöde Tupperschüssel?
Ach ja, da oben links. Hinter der Milch.
Ich schiebe den Tetrapack zur Seite und greife nach der durchsichtigen Plastikbox. Rasch ziehe ich sie hinaus und öffne sie.
Verdammt! Was ist denn das?
Ich liebe Tomatensoße. Aber beim Gesuch derselben verspüre ich plötzlich eine seltsame Übelkeit.
Ist die etwa schon schlecht?
Beherzt öffne ich den Deckel des Mülleimers in der Küche und entsorge sie. Dabei muss ich mich sehr zusammennehmen, da mich nun auch noch ein unangenehmer Würgereiz überkommt.
Dann werde ich wohl erst auf der Feier etwas zu mir nehmen.
A/N:
„Dann werde ich wohl erst auf der Feier etwas zu mir nehmen…“
.. worauf wir uns verlassen können.