Ich rieche seine Angst.
Wenn er könnte, würde Frank schreiend aus dem Auto flüchten.
Aber ich sorge dafür, dass er bleibt.
Wie ich das anstelle, was ich nicht. Sobald ich neben ihm saß, hatte ich es wieder getan.
Instinktiv.
Kein Ahnung, was es genau ist und woher ich es kann. Aber ich befehle ihm, ruhig zu bleiben und nicht zu schreien.
Ein Kinderspiel.
Mein alter Freund spielt notgedrungen mit. Wenn ihm auch der Angstschweiß aus den Poren rinnt.
Interessant.
Ich wusste vorher nicht, dass es Unterschiede gibt. Schwitzen ist schwitzen und stinken ist stinken, dachte ich stets.
Aber weit gefehlt.
Diese Furcht zusammen mit der Panik in seinen Augen während er mich stumm bittet, ihn gehen zu lassen.
Das ist ein ganz anderer Geruch als der, den der Körper nach einer anstrengenden Sportstunde ausdünstet.
Er ist viel, viel besser.
Und macht mich hungrig.
Ja, Frank tut mir leid. Ein kleines bisschen. Und irgendwie habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Ein wenig zumindest.
Viel stärker ist jedoch das Gefühl der Macht, das mich geradezu trunken macht. Er muss hier warten und schweigen – nur weil ich es will. Sein Versuch, sich aus meiner Kontrolle zu entziehen, ist lächerlich schwach. Wie eine Fliege im Netz der Spinne.
Ich muss grinsen. Ja, irgendwie fühlt es sich genauso an. Ich bin der Jäger, er meine Beute. Und sein Geruch, zusammen mit den Hormonen der Angst, wirken stimulierend auf mich.
Ja, Frank, hab nur recht große Angst, so gefällst du mir.
Vielleicht sollte ich Mitleid haben. Ja, schließlich sind wir ja alte Kumpels, kennen uns seit dem Sandkasten.
Aber du hast versucht, vor mir zu fliehen. Und darauf reagiere ich allergisch. Wie damals.
Die Erinnerung ist nicht greifbar. Aber ich bin schon mal verraten worden und das hat mich viel gekostet.
Ich muss mich schützen. Keiner darf wissen, was ich bin und kann.
Mein Grinsen hält an, verstärkt sich sogar noch. Dieser Ausdruck möchte gar nicht mehr aus meinem Gesicht verschwinden.
„Mein Lieber, fahr uns doch mit deinem Lastwagen zum dunklen Loch. Bitte“, befehle ich zuckersüß.
‚Das dunkle Loch‘, das ist ein Parkplatz, nur zwei Straßen entfernt. Er gehört zu einem alten Betriebsgelände, welches ebenfalls nicht mehr genutzt wird und zurzeit leer steht.
Wir nennen es so, weil es dort wirklich stockfinster isi – die Straßenlaternen in dieser Ecke funktionieren nicht mehr und durch die diversen Schatten der einzelnen Gebäude ist es dort mehr als dunkel, geradezu düster. Davon abgesehen, steht er wirklich abseits und durch den vielen Schutt in der Nähe werden dir Umgebungsgeräusche geradezu verschluckt.
Deshalb ist unsere Bezeichnung mehr als passend dafür.
Ein Platz, wohin mich keine 10 Pferde hinbringen können – bisher zumindest. Nun erscheint mir dieser Ort geradezu ideal.
Die Hand des Mannes ist feucht zittert, als er den Schlüssel umdreht.
Nein, so geht es nicht.
So gut es mir gefällt, mit ihm zu spielen, so muss ich aufpassen, dass wir hier keinen Unfall bauen oder er mir jetzt einen Herzinfarkt bekommt. Das Rasen seines Puls ist Musik in meinen Ohren, wäre aber zum jetzigen Zeitpunkt kontraproduktiv.
Also befehle ich seinem Körper, sich etwas zu beruhigen, während er die Kupplung holprig kommen lässt.
Und auch das funktioniert. Mein alter Kumpel hat immer noch Todesangst, aber sein Leib zittert nicht mehr, als er anfängt, das große Gefährt langsam zu bewegen.
Ich genieße diese Macht, die ich über dem anderen ausübe, ihn kontrolliere.
Bisher war ich der nette Junge von nebenan. Und was hat es mir gebracht? Ärger bei der Arbeit, Mobbing, und immer wieder der Versuch, mich auszunutzen.
Da ist das hier doch schon wesentlich befriedigender.
Aus einem Impuls heraus streife ich meine Handschuhe ab und lege sie auf das Armaturenbrett, ehe ich mich entspannt zurücklehne und die Augen schließe.
Dieser Abend verspricht wirklich interessant zu werden.
A/N: Auch wenn es scheinbar klar ist, dass dies das Ende von Daniels ehemals besten Freund werden soll - ich bin mir immer noch unschlüssig. Alles ist noch möglich, auch sein Überleben. Lasst euch überraschen.