An Vampire habe ich nie geklaubt. Ganz ehrlich, wer macht das schon? Vielleicht ein paar Freaks, die sich selbst so bezeichnen und auch Blut trinken.
Das sind eben irgendwelche Spinner.
Abee ernsthaft?
Ich bin nicht einmal ein besonderer Fan von Horrorgeschichten. Ja, ich schaue mir schon bisweilen einen solchen Streifen an, aber Action ist mir eigentlich lieber. Und ja, Vampire sind irgendwie cool, aber da gibt es noch cooleres.
Zumindest bis jetzt.
Ich kann es nicht mehr leugnen, dass ich – wie auch immer – zu einem dieser Blutsauger geworden bin. Einem echten, ohne falschen Zähne und Fingernägel.
Das hier ist alles die verdammte Wirklichkeit.
Und ich würde gerne in Ruhe darüber nachdenken, wenn nicht dieses Summen in meinem Kopf wäre und mich zum Handeln drängt.
Ich brauche das Blut. Jetzt, sofort! Und das Essen liegt direkt vor mir.
Dadurch, dass Frank ängstlich vor mir weggelaufen ist, hat er mir keine Wahl gelassen.
So gesehen ist er selbst schuld. Ich kann ihn nicht gehen lassen. Er würde allen verraten, was ich bin.
Er ist eine Gefahr und muss weg!
Lautlos nähere ich mich ihm. Er hört mich nicht, muss mich aber wohl spüren, da sich seine Atmung nochmals beschleunigt.
Er ist eine kleine mickrige Maus. Aber auch die unbedeutendsten Lebewesen können einen Instinkt vor lebensbedrohlichen Situationen entwickeln.
Ich knie vor ihm nieder.
„Da... Alessandro. Bitte… bitte... lass mich gehen!“
Ob er wohl laut schreien würde, wenn ich ihn ließe?
Seine unverfälschten Reaktionen wären sicher spannend und würden meinen Genuss beim Aussaugen sicherlich steigern.
Ich werde es später ausprobieren. Noch ist es aber wichtig, dass er sich ruhig verhält und wir keine Aufmerksamkeit erregen. Weitere Zaungäste kann ich nun wirklich nicht brauchen.
Zumal es mein erstes Mal ist?
Ist es das wirklich?
Ich weiß es einerseits sicher, dass dieser Körper noch nie getötet hat. Oder seine Zähne in Menschenfleisch gebohrt hat
Andererseits habe ich vage Erinnerungen daran und weiß genau, wie ich vorgehen muss.
Schon seltsam! Wie wird es sein?
Zugegeben, ich bin aufgeregt, voller freudiger Erwartung. Wie wird es sein?
Ein wenig erinnert mich das an meine erste Fahrt mit dem Führerschein. Oder den ersten Sex.
Mit dem Unterschied, dass das hier viel, viel besser ist. Entspricht es doch dem dunklen Abgrund in mir.
Dass er sein Leben hergeben muss, damit ich existieren kann, hat einen nie gekannten Ausmaß an Befriedigung und Freude.
Ich werde nun meine erste richtige Blutmahlzeit haben. Ein sakraler Akt und die Weihe zum echten Vampir.
Das ist einfach nur geil.
Ich muss mir alles genau merken, damit ich meiner Mutter davon erzählen kann. Und damit meine ich nicht die kleine Frau Schmidt, die leicht pummlig ist und Probleme mit dem Rücken hat.
Nein, meine Mutter ist Maria Martinelli – eine italienische Frau mit Klasse, zwar ebenfalls nicht besonders groß, aber mit einem wunderbaren Körper gesegnet und einem Temperament, wie es sich für eine Südländerin gehört
Mutter, ich tue das hier auch für dich! Keine Zweifel mehr! Ich werde dir beweisen, dass ich ein würdiger Sohn geworden bin.
„Entspanne dich einfach ein wenig, Frank. Dann ist es für uns beide einfacher. Schließlich hast du großes Glück“, säusle ich liebenswürdig, nur um ihn zu quälen. Durch mein verändertes Gebiss ist meine Aussprache etwas undeutlich, aber trotzdem noch zu verstehen. Daran muss ich wohl noch arbeiten.
Gleichzeitig beginne ich, mich bäuchlings auf ihn draufzulegen. Dann kann ich ihn mit meinem Gewicht fixieren und am Weglaufen hindern, wenn ich nachher seinen Geist wieder freilasse.
„Was meinst du?“, ächzt er. Natürlich traut er mir nicht. Mit Recht.
„Gibt es ein größeres Glück, als sein Leben für das eines seiner besten Freunde hinzugeben“, lache ich boshaft; endlich, endlich gebe ich mich ganz diesem wunderbaren Summen hin.