Arm in Arm schlendern wir zur Bar.
Immer noch habe ich ihren betörenden Duft in der Nase und ich muss mich zusammenreißen.
Am liebsten würde ich meine Zähne sofort in ihren samten Hals versenken.
Das ist neu!
Natürlich ist es das! Auf eine gewisse Art. Denn dieser, Daniels Körper, hat noch nie Blut gekostet. Zumindest nie auf die traditionelle Weise.
Dieser Geruch erinnert mich an etwas. An irgendetwas! Aber ich kann es nicht fassen, es entgleitet mir.
Bei Frank hatte ich Skrupel, diesmal jedoch nicht.
Ich werde sie beißen, aussaugen und dadurch töten. Es berührt mich nicht unangenehm, in keinster Weise.
Ob das daran liegt, dass ich diese Frau nicht kenne? Oder hat der Rest in mir, der einst Daniel war, seinen Widerstand aufzugeben oder gar eingesehen, dass es nun mal das Schicksal eines Vampirs ist, Menschen umzubringen?
„Was möchtest du denn? Ich darf doch ‚du’ sagen, oder?“
Eine rhetorische Frage, da ich den Verlauf des Gesprächs bestimme. Ich hätte auch gleich mit ihr nach draußen gehen können – warum ich es nicht getan habe, hat zweierlei Gründe. Zum einem möchte ich mehr über ihre Bekannten herausfinden – nicht, dass sie noch für Ärger sorgen. Zweitens möchte ich ihr noch einige schöne Momente schenken. Nicht sehr lange, dafür bin ich zu hungrig.
Ich bin echt gefühlsduslig geworden.
Sie kichert kurz. „Ja, natürlich. Einen Hugo, bitte.“
Natürlich. Die Weiber stehen ja auf solche süße Cocktails.
Ich winke der Bedienung hinter der Bar und gebe ihre Bestellung auf.
„Willst du nichts, Alessandro?“, wundert sie sich.
„Nein, ich trinke später“, eröffne ich ihr mit einem freundlichen Lächeln.
Sie zuckt mit den Schultern, sagt aber nichts weiter. Nach wenigen Augenblicken kommt auch schon ihr Getränk, welches ich gleich bezahle.
Rasch trinkt sie einen Schluck, vermutlich, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Sie möchte es nicht zeigen, wie sehr ich ihr gefalle und sie mich begehrt. Natürlich ist daran auch meine Manipulation schuld, aber nicht nur. Ich verkürze das Ganze nur. Sie dürfte dieses Fremdbestimmen durchaus merken, aber nicht die richtigen Schlüsse ziehen, da sich Verliebtheit immer ein wenig so anfühlt. Meine Erinnerungen daran sind dank Daniel recht frisch.
Nachdem ich Bruno kurz erneut beeinflusse – er sitzt einige Meter weit entfernt, ohne uns zu beachten – bohre ich weiter: „Deine Bekannten, siehst du sie hier irgendwo?“
„Ich kann sie nicht entdecken. Keine Ahnung, wo sie abgeblieben sind. Warum interessiert dich das?“
„Es wäre ja ganz schön unhöflich, uns nicht zu ihnen zu gesellen, meinst du nicht?“, lüge ich gekonnt und bemerke erfreut, wie sich eine leichte Röte auf ihrem Gesicht abzeichnet.
„Ich bin froh, mit dir alleine zu sein. Sonst könnten wir uns nicht so in Ruhe unterhalten“, verrät sie. „Du bist Italiener, oder?“
„Natürlich“, antworte ich ehrlich. Als Deutscher fühle ich mich schon länger nicht mehr.
„Du sprichst unsere Sprache sehr gut“, lobt mich die Frau. „Aber deine dunklen Augen und das schwarze Haar verraten dich. Natürlich auch der leichte Akzent.“
„Es ist schwierig, ihn abzulegen, auch wenn ich schon lange hier lebe“, entgegne ich geistesgegenwärtig.
Was sie sagt, ist mir noch gar nicht aufgefallen, aber sie hat verdammt recht. „Ich hoffe, es stört dich nicht?“
„Natürlich nicht“, kichert sie. „Ganz im Gegenteil.“
Während sie dank meiner „Hilfe“ erneut etwas von ihrem Hugo trinkt, krame ich in meinem Gedächtnis. Kann ich italienisch?
Ein paar Worte und Sätze fallen mir ein, mehr jedoch nicht. Ich würde sie wohl nur stammelnd herausbringen. Aber ich weiß, dass die Erinnerungen daran zurückkommen werden.
Es fühlt sich einfach sehr vertraut an.
Ganz im Gegensatz zu Daniels Muttersprache. Nach wie vor spreche ich sie sehr gut, habe einen großen Wortschatz und beherrsche die Grammatik. Aber mir ist es, als sei ich gezwungen, sie zu sprechen, um mich in Deutschland zurecht zu finden und mich verständigen zu können.
„Du findest Italiener also anziehend?“ Ich muss das hier ein wenig beschleunigen.
„Ja, schon“ Ihre Verlegenheit ist einfach süß. „Du musst wissen, ich liebe dieses Land und seine Leute.“
„Eine Einstellung, die ich teile“, stimme ich zu.
Diese Steilvorlage, die sie mir gerade anbietet, werde ich natürlich aufnehmen. „Was hälst du davon, Rosie, wenn ich dir zeige, nicht nur das Land, sondern auch einen ganz bestimmten Italiener zu lieben?“