Das Schicksal ist manchmal schon seltsam und scheint es heute gut mit mir zu meinen.
Erst Frank, den ich zu meinem Diener umformen konnte und dann Roswitha, die einen Vampirbiss spüren möchte.
Ich sollte mein Glück beim Schopfe packen.
„Nun dann, Signora Bohms“, flüstere ich mit rauer Stimme. „Dann wollen wir mal sehen, was Ihr Hals zu bieten hat.“
Sanft drehe ich den Kopf zur Seite. Sie bemerkt nicht, dass ich – im Gegensatz zu ihr – ausgezeichnet im Dunkeln sehen kann.
Zunächst einmal bedecke ich ihn mit Küssen und lecke ein wenig auf der Haut. Dann führe ich ihr süßes Köpfchen behutsam in die Überstreckung, wie ich es schon mit Frank getan hatte.
„Ich komme so besser an deine Halsschlagader an“, erkläre ich ihr.
Sie reagiert mit einem Seufzen und murmelt „Du machst das sehr authentisch, Al.“
Al? Was ist denn das für ein Spitzname?
„Man tut was kann“, gebe ich zurück und sauge erst mal so an ihrer zarten Haut.
Eine Weile lässt sie sich das gerne gefallen und windet sich in meinen Armen. Dann raunt sie: „Der Biss, Alessandro, der Biss. Versuch es wenigstens.“
„Entspannen und genießen“, antworte ich. „Du bekommst deinen echten Vampir, großes Ehrenwort.“
Noch einige Minuten spiele ich mit Küssen und Zunge an ihrem Hals ehe ich beschließe, dass es jetzt an der Zeit ist. Meine vier Eckzähne beugen sich meinem Willen und schieben sich gehorsam aus dem Zahnfleisch hervor.
Der Biss geht recht unspektakulär vonstatten. Mit der Routine vieler Jahre durchdringen meine Fangzähne an der vorgesehene Stelle die weiche Haut, bevor sie sich wieder sofort ins Zahnbett zurückziehen.
Augenblicklich ist mein Mund zur Stelle, um den roten Lebenssaft aufzufangen. Auch wenn dieses Fahrzeug nicht mir gehört, möchte ich keine Sauerei hier – von der Blutverschwendung ganz zu schweigen.
Während sie einige undefinierbare glückliche Laute von sich gibt, schwebe ich im siebten Himmel. Warm und frisch rinnt die Flüssigkeit meinen Rachen herab. Ich liebe diesen Geschmack, es ist ein Feuerwerk der Sinne. Beschreiben kann ich es nicht, dazu fehlen entsprechende Wörter in der menschlichen Sprache – aber ich schmecke so viele Dinge gleichzeitig und merke mit jedem Tropfen, wie es mir guttut und mich stärkt. Es ist so viel mehr als das bekannte Eisen, das wohl auch ein Sterblicher bemerken könnte, würde er selbst Blut trinken.
Trotz all dem vergesse ich die Frau dabei nicht. Sie darf nicht merken, dass dies hier alles in echt geschieht und sie bald sterben wird. Ich empfinde auf eine seltsame Weise Mitleid für sie und beeile mich daher mit meinem Tun.
Anfangs hatte sie sich noch lustvoll auf der Decke hin- und herbewegt. Nun liegt sie fast bewegungslos da. Ihr Körper ist durch den Flüssigkeitsverlust bereits geschwächt und würde bei einem Versuch aufzustehen mit einem Kreislaufkollaps reagieren.
„Das fühlt sich so echt an“, raunt sie, schon halb dieser Welt entrückt. „Mir ist ziemlich schwindlig.“
Kurz setze ich ab. „Genieße es, Schatz. Bald schon wirst du nichts mehr spüren.“
„Das ist verrückt. Fast meine ich, dass da warmes Blut meinen Hals herunterrinnt.“, haucht sie. „Das ist leicht gruslig, Al.“
Sie hat recht. Ich lecke es mit meiner Zunge ab. „Ich danke dir, dass du dein Leben für mich hingibst“, sage ich bedächtig, bevor ich fast gewaltsam meine Lippen auf die Wunde sauge und kräftig trinke.
‚Warte, warte!“. Ihre Stimme ist schwach und nun fürchtet sie sich. Man kann es schmecken. „Bitte, mir geht es nicht gut, fast als würdest du mich wirklich leertrinken. Bitte…“
Sie versucht sich aus meinem Griff zu winden, aber ich bemerke es kaum. Unerbittlich nähre ich mich weiter. Diese Furcht gepaart mit dem besonderen Geschmack dieses Lebenssaftes, einfach göttlich.
„Nicht, bitte …“
Das hat etwas. Ihre schwache Gegenwehr, auf die ich nichts sage. Allerdings ist mein kräftiges Saugen und schlucken auch eine Antwort.
Ich muss das bald wiederholen.
Sie wimmert leise, welches jedoch schon bald kaum mehr zu hören ist und rasch verstummt.
Mein schlechtes Gewissen meldet sich. Angsthormone verbessern zwar den Geschmack meiner Mahlzeit, aber ich möchte Rücksicht auf sie nehmen und nicht nur die jagende Bestie sein.
„Alles in Ordnung, das fühlt sich nur so wirklich an, weil du nichts sehen kannst. Ich höre gleich auf!“, lüge ich deshalb.
Nun ja, es wird gleich aufhören. Für sie zumindest. Lange kann es nicht mehr dauern, bis sie das Bewusstsein verliert.
Leicht bewege ich meine Finger und streichle sie damit. Dazu muss ich mein Tun nicht mal unterbrechen.
Und es scheint sie zu beruhigen. Ob durch meine Zärtlichkeit oder meine Rede, kann ich nicht sagen. Aber das ist mir sehr wichtig – dass sie all dies hier weiter für eine Illusion hält und sanft in die Ohnmacht und ihren Tod gleitet.
Nur ich bin noch zu hören. Das Geräusch von kräftigen und rhythmischen Saugen, gepaart mit synchronischen Schluckgeräuschen. Wie eine automatisierte Pumpe, die ihrer Aufgabe nachgeht.
Das Trinken ist mehr als reine Nahrungsaufnahme. Denn diese könnten Blutkonserven ebenso sicherstellen.
Es ist vielmehr ein Rausch. Zum einen ist es frisch gezapft, und schmeckt daher einfach besser, ohne dieses verfälschende Plastikaroma. Und es ist eine Sucht zu spüren, wie sie mit jedem Schluck schwächer wird, während ich im Gegenzug erstarke. Ein Gefühl der Macht, das Konserven nie vermitteln kann.
Rosi reagiert nicht mehr. Wie es aussieht, ist sie nun tatsächlich ohnmächtig geworden.
Eine normale Reaktion, die durch den Sauerstoffmangel im Gehirn immer früher oder später eintritt.
Was mir nun ermöglicht, etwas langsamer zu saugen und diese erste Mahlzeit mit Daniels Körper entsprechend zu würdigen.
Denn ich werde mir alles aus diesem Körper herausholen, was ich kriegen kann. Nur ihre ausgetrocknete Hülle wird übrigbleiben.