Da saßen sie sich nun gegenüber, an diesem – für Arella - rechteckigen Tisch. An den vier Rändern war eine bunte Borte eingefasst, in der allerlei diverse Edelsteine eingefasst waren. Saphire, Amethysten, Topase und auch andere Arten, sogar Diamanten waren zu entdecken – teilweise nur kleine Bruchstücke, dann wieder größere Teile und sogar richtig perfekte Steine in Form wie Rechtecke, Kreise oder Herzen.
Die Frau fragte sich, was ihr Gegenüber wohl sah. Funktionierte die Feenmagie bei ihm überhaupt? Musste man ein Zauberer sein, um dagegen immun zu sein, oder reichte das Lehrlingsstadium aus?
Die Frau so damit beschäftigt, diesen wunderbaren Verzierungen zu bestaunen, dass sie seinen Blick gar nicht bemerkte.
Cedrik musterte sie intensiv. Seine Augen funkelten in einem eigentümlichen Blau und die Pupillen schienen sich in die Länge zu ziehen, gleich einer Katze oder Schlange.
Vermutlich handelte es sich hierbei jedoch um eine Sinnestäuschung – denn sobald die junge Frau ihren Kopf hob, verschwanden diese seltsamen Merkmale wieder.
Arella, die erst jetzt erahnte, dass er sie genau beobachtet hatte, besaß die Anmut, leicht zu erröten. Sie war es nicht gewöhnt, beachtet zu werden – zumindest nicht als Frau.
Hier, in der Akademie, bewunderte man sie, wie auch zuvor in ihrer Heimat, vor allem für ihr Können – sie hätte ebenso männlich oder ein mystisches Wesen sein können, es hätte keinen Unterscheid gemacht.
Bis zu diesem Zeitpunkt – denn Cedrik machte einen Unterschied der ganz anderen Art.
Allerdings schien er trotz alldem ihre Reaktion nicht zu bemerken – zumindest kommentierte er sie nicht.
„Ich schlage vor, dass wir uns duzen, wenn das in Ordnung ist“, kam es leise aus seinem Mund.
„Ja, natürlich“, antwortete sie eine Spur zu hastig. „Ich bin Arella, aber das hast du ja schon mitbekommen.“
„Ja, habe ich“, antwortete er mit einem leichten Grinsen und deutete mit einem Kopfnicken eine leichte Verbeugung an. „Cedrik, wie du schon vernehmen konnte.“
Beide schwiegen kurz, ehe er wieder das Wort ergriff: „Wann meinst du, ist dein Lehrer mit seiner Arbeit fertig?“
Das war überraschend. Sie hatte das übliche Höflichkeitsgeplänkel erwartet – das Erkunden nach dem werten Befinden, eine Unterhaltung über das Wetter, ein kleiner Austausch über all die seltsamen Wesen in Belletristica. Stattdessen jedoch fragte ihr Gegenüber direkt nach seinem Anliegen.
Was aber nichts daran änderte, dass sie ihm nicht helfen konnte.
„Ich weiß es nicht. Wir wussten nichts von deinem Besuch und Felix wird eine Weile beschäftigt sein.“
„Ja, das mit meinem Aufbruch hat sich kurzfristig ergeben und war nicht so geplant.“ Cedrik presste plötzlich die Lippen zusammen.
War er zornig?
Nach kurzer Zeit entspannte er sich jedoch wieder und erklärte: „Möglicherweise kann ich ihm dabei helfen. Wir Zauberer haben da so unsere Tricks. Ich habe jede Menge Schiften dabei, die man in elfisch niederschreiben müsste. Daneben einige Werke der Zwerge, die man übersetzen müsste. Man hat mir gesagt, dein Meister kann zwergisch lesen?“
Ein wenig ärgerte sie das nun doch! Weshalb sprachen alle von außerhalb immer nur von dem Chronisten.
Keck reckte sie ihr Kinn vor. „Er ist nicht der einzige. Vor dir sitzt eine Meisterin dieser Kunst. Ich beherrschte mehrere Sprachen in Wort und Schrift, solange es nicht zu kompliziert wird.“
Sein Gesicht war voller Zweifel, was sie nur noch mehr verärgerte: „Zeig mir nachher eine deiner Unterlagen, und ich beweise es dir.“
„Das können wir gleich ausprobieren.“
Sie hatte vermutet, dass er die erwähnten Dokumente in seiner Unterkunft verstaut hatte, die er sicher schon in der Akademie zugewiesen bekommen hatte. Umso erstaunter war sie über seine Antwort.
Trug er etwas bei sich? Aber wie sollte das funktionieren, ohne dass dabei etwas beschädigt wurde? Sie konnte keine Tasche oder dergleichen an ihm entdecken.
Cedriks wirkte belustigt, während er die Innenseite seinen Gürtel griff. Offensichtlich befand sich dort ein kleines Geheimfach.
Nur was wollte er da finden?
Zu ihrer Überraschung holte einen kleinen schwarz glänzenden Würfel heraus. Schweigend stellte er diesen Gegenstand auf den Tisch.
Bevor sie sich jedoch weiter nachfragen konnte, murmelte der Mann seltsame Worte vor sich hin und die oberste Fläche des Würfels sprang auf, als sei er ein Deckel. Gleichzeitig begann der Würfel nun, langsam auf magische Weise zu wachsen.
Arella konnte nur mit offenem Mund auf dieses Wunder starren.
Nach kurzer Zeit war der Gegenstand auf eine mittelgroße quadratische Kiste angewachsen. Eine einzelne Seite war vielleicht so lang wie Polops Arm.
Also gerade groß genug, um bequem hineinlangen zu können.
Was Cedrik nun auch tat. Ein kleines Papier kam zum Vorschein, welches ebenfalls an Größe zunahm, während er es in den Händen hielt.
„Du weist doch, dass ich ein Zauberer bin“, erklärte er ernst, ohne sie direkt anzuschauen. „Weshalb also bist du so überrascht über das, was du siehst?“
„Ich dachte, du bist nur ein Lehrling!“, platzte es aus ihr heraus.
„Och das – kein besonderer Zauber. Ein Spruch der untersten Stufe“, winkte er lässig ab schob das Blatt – nun in DINA 4 Größe – zu ihr hinüber. „Also, kannst du das lesen?“
Was war das nur für ein arroganter Kerl?
Trotzdem war sie natürlich neugierig und griff nach dem Dokument.