„Herbert! Nun verschwind nicht wieder!“, schimpfte Cedrik und drehte den Kopf.
Ihre Blicke trafen sich.
Sofern er überrascht war, sie zu sehen, ließ er sich zumindest nichts davon anmerken. Ein leises „Hallo Arella“ kam über seine Lippen, während dieses fliegende Ding sie nun fast erreicht hatte.
Erschrocken machte sie eine abwehrende Handbewegung, als sie schon sein belustigtes Lachen hörte. „Keine Angst, er tut dir nichts.“
Sie erkannte nun, dass es sich nicht um eine einfache leuchtende Kugel handelte, so wie sie es im ersten Moment vermutet hatte.
Es war rund, ja, aber tatsächlich sah sie nun einen kleinen leuchtendes Fellknäul, der sie umschwebte und nun ihren Arm entlangfuhr. Ein sanften Streifen, welches leicht kitzelte und ihr verriet, was sie vor wenigen Minuten so unerwartet berührt hatte.
Fasziniert betrachtete sie dieses Wesen. Dieses kleine Etwas schien sich um sich selbst zu drehen, während es sie mit langsamen, fließenden Bewegungen umkreiste.
Es hatte den Anschein, als werde sie begutachtet. Allerdings konnte sie keine Augen oder sonst etwas entdecken – nur diesen runden Ball, dessen Fell nun auf einmal mehr grün als blau zu glimmen schien.
„Was ist das?“, fragte sie fasziniert.
Der Magier hatte sie nun erreicht und seufzte leise. „Das ist mein kleines Haustier. Wie du siehst, scheinbar nicht gut erzogen. Du hast ja schon erfahren, dass er Herbert heißt.“
„Ein seltsamer Name.“, wunderte sie sich. „Aber was ist das?“
Cedrik blickte auf ihre linke Schulter, wo sich Herbert nun niedergelassen hatte, während er ein pulsierendes Grün von sich gab. „Ein Leuchtgrimm.“, verriet er. „Und wie es aussieht, mag er dich.“
‚Im Gegensatz zu dir‘, lag es ihr auf der Zunge. Sie verkniff sich diesen Kommentar jedoch. Eigentlich müsste es sie stören, dass Cedrik sie aufgespürt hatte, aber aus irgendwelchen Gründen tat es das nicht. Vermutlich, weil ‚Herbert‘ einfach so bezaubernd war. „Darf man ihn streicheln?“
„Warte damit noch eine Weile, bis er dich besser kennt. Fürs erste dürfte es genügen, dass du es dir einfach wieder bequem auf deiner Decke machst und ihm die Initiative überlässt.“
Alissa nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte und ging langsam zurück zur Decke. Ganz langsam und vorsichtig, um das kleine Kerlchen ja nicht zu eschrecken, ging sie in die Hocke und nahm wieder unter dem Baum Platz.
Cedrik setzte sich nun ungefragt neben sie. Und sie musste zugeben, dass sie auch selbst mit daran schuld war – warum setzte sie sich auch so, ganz an den Rand der Decke, dass für ihn genügend Platz blieb?
Sie spürte ein leises Vibrieren an ihrer Schulter.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte sie besorgt. Die Farbe schien dunkler geworden zu sein.
„Nein, sei unbesorgt. Er fühlt sich einfach wohl.“
„Spricht er mit dir oder woher weißt du das?“
„Auf gewisse Weise schon. Es sind die Farben. Ihre grundsätzliche Bedeutung ist Kundigen allgemein bekannt. Jeder Grimm hat jedoch auch eine eigene Persönlichkeit und daher ganz individuelle Farbnuancen.“, erklärte er, während er ein wenig näher zu ihr rücke. Vermutlich, damit sich das kleine Tier sicherer fühlte.
„Kannst du mir das näher erklären?“
„Eigentlich ganz einfach“, erklärte er mit einem Lächeln. „Du spürst sein Vibrieren, oder?“
„Natürlich!“
„Das nennt man lurren. Frag mich jetzt aber nicht, woher das Wort kommt. Diese Tiere lurren, wenn sie sich wohlfühlen, ganz ähnlich wie das Schnurren der Katzen. Ich sagte dir ja schon, dass er dich mag.“
Sie drehte vorsichtig ihren Kopf. Dieser Grimm war einfach süß und das Vibrieren fühlte sich fast wie eine Massage an. „Das fühlt sich angenehm an, dieses Lurren.“
„Ja. Glaub mir, ich kenne das auch. Ich kann aber auch an seiner Farbe erkennen, dass er gerade sehr zufrieden ist.“
„Weil er grün leuchtet?“
„Ja. Der dunkle Farbton bedeutet, er ist sehr entspannt. Bei blau ist er gut gelaunt und auf Erkundungstour. Rot heißt müde und diese Farbe hat er auch, wenn er schläft. Dann leuchtet er allerdings nur sehr schwach.“
„Ich mag deinen Herbert“, verriet sie, während sie wieder geradeaus blickte. Auf Dauer war dieses ‚Hals-auf-die-Seite-drehen‘ dann doch etwas mühsam.
„Und wie sieht es mit seinem Besitzer aus? Magst du ihn auch?“, wollte er nun mit einem Augenzwinkern wissen.
„Du bist unser Gast und daher natürlich willkommen“, wich sie aus.
Cedrik seufzte hörbar. Dies war offensichtlich nicht das, was er hatte hören wollen. „Hör mal, Alissa. Das mit heute tut mir leid. Wir hätten dich nicht ausschließen sollen.“
„So hatte ich einen freien Tag. Daher ist das ist schon in Ordnung.“
„Nein, ist es nicht.“, widersprach er mit fester Stimme. „Du musst mir glauben, Alissa, ich möchte dir deinen Platz nicht streitig machen.“
Überrascht blickte sie ihm nun direkt in die Augen. Zu ihrer Verblüffung sah sie echtes Mitgefühl darin. Und noch etwas anderes, was aber nicht sein konnte. Nie würde dieser Zauberer tiefere Gefühle für sie entwickeln.
Sie musste sich täuschen.