„Ihr wolltet mich sprechen?“ Sakura erschrak, als der Snift plötzlich vor ihr auftauchte. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Vermutlich auch, weil sie zu sehr damit beschäftigt war, in Gedanken nochmal und nochmal durchzugehen, wie und was sie zu ihm sagen wollte. „Ja, das wollte ich wohl.“ Stammelte sie. Ihr war, als hätte sein bloßer Anblick all die Worte aus ihrem Kopf vertrieben. „Danke, dass Ihr gekommen seid.“ War deshalb alles, was sie zunächst sagte. „Wie geht es Eurem Kopf? Immer noch Schmerzen?“ „Was? Oh, nein. Seit ich an der frischen Luft bin, nicht mehr.“ Dafür schwindelte ihr jetzt ein wenig, weil er ihr so nahe kam. Sie fasste sich ein Herz und schritt munter drauf los. „Wollen wir ein paar Schritte gehen? Ich war nie gut darin, mich stehend oder sitzend zu unterhalten.“ Eros folgte ihr. Der Geruch ihrer Haare stieg ihm in die Nase. Seine Nackenhaare stellten sich auf und er hatte große Mühe sich selbst daran zu erinnern, dass er nichts tun durfte, was seine Aufgabe gefährdete. Die Tochter eines seiner Verhandlungspartner anzufassen, gehörte da mit Sicherheit dazu. „Für eine Diplomatentochter müsste es doch normal sein, sich an langen Gesprächen zu beteiligen.“ Krampfhaft versuchte er sich auf ein paar Vögel zu konzentrieren, die im Geäst über ihnen herumhüpften und zwitscherten. Sakura war stehen geblieben und folgte seinem Blick. „Habt Ihr noch Hunger? Es gab kein Fleisch heute Abend. Vielleicht wollt Ihr noch eine Nachspeise?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, zog sie eine Steinschleuder aus ihrem Gewand, hob einen Stein auf und wollte gerade schießen, als der Snift seine großen Pranken auf ihre Hand legte. „Nein, danke.“ Als hätte er sich verbrannt, zog der Halbmensch die Hände zurück. Wo sie sich berührt hatten, kribbelte Sakuras Haut. „Mein Vater hat mich nie mitgenommen zu den endlosen Verhandlungen. Er hat mir überwiegend freie Hand gelassen. Ich war wild und habe meine Freiheit ausgenutzt. Bin mit den Jungs herum gelaufen, habe Jagen und Fischen gelernt und mich zu wehren. Ein paar Mal hat er versucht, eine neue Frau zu finden, die mir als Mutterersatz dienen sollte. Aber sie wollten alle nur sein Geld und seine Stellung ausnutzen. Also habe ich sie verjagt.“ Erschrocken über sich selbst, hörte sie auf zu Reden. Was ging ihn das alles an und warum erzählte sie ihm das? Verlegen steckte sie die Steinschleuder wieder ein und ging weiter. Da fiel ihr ein, dass sie sich eigentlich hatte entschuldigen wollen. Aber sie wusste nicht recht wie. Außerdem, dachte sie in einem Anflug kindlichen Trotzes, hatte sie sich bereits entschuldigt. Und er hatte die Entschuldigung angenommen. In ihrem Gesicht arbeitete es und Eros musste lachen. Wütend sah sie ihn an. „Was ist so lustig?“ „Entschuldigt, Fräulein Sakura.“ Vergeblich versuchte der Snift sein Glucksen zu unterdrücken. „Hmpf.“ Beleidigt drehte Sakura sich weg. Eros hörte auf zu lachen. Ihm lag noch immer etwas auf der Seele. „Sagt, warum habt Ihr mich die letzten Tage gemieden, als wäre ich die Pest persönlich?“ In seiner Stimme lag kein Vorwurf. Er wollte einfach nur die Wahrheit wissen. „Ich weiß, Ihr könnt Halbmenschen nicht leiden und ich weiß auch, dass Ihr mir noch nicht vergeben habt, dass ich Euch gefolgt bin. Aber ist das wirklich ein Grund mich derartig zu beleidigen?“ Sakura war sprachlos. Nicht im Traum wäre ihr eingefallen, sie könnte ihn durch ihr Verhalten beleidigt haben. Und wie zur Hölle schaffte es dieser verdammte Katzenmensch immer wieder, sie in die Täterrolle zu drängen? Sie ballte die Fäuste und antwortete gefährlich leise und ruhig. „So ist es nicht.“ „Nein? Wie ist es dann?“ Er war schon wieder einen Schritt auf sie zu gegangen. Dieses Mal blieb sie stehen. Sie sah auf, sah in sein Gesicht und er konnte die Tränen des unterdrückten Zornes und den tiefen Schmerz in ihren Augen sehen. Geschockt überwand er noch die letzten Schritte zu ihr hin und fasste sie einem Impuls folgend an den Schultern. Aber sie riss sich los. „Fass mich nicht an.“ Sie drehte sich weg. „Kannst du dir vorstellen, wie das für mich ist? Wie es ist, sich nach Jemandem zu sehnen, den man verabscheut? Immerzu an Jemanden denken zu müssen, den man nicht leiden kann? Jemanden zu lieben, den man eigentlich hasst?“ Die letzten Worte waren nur mehr ein gepresstes Flüstern. „Ich dachte, wenn ich mich fernhalte, würde es wieder vergehen. Wenn du wieder weg bist, würde sich alles verflüchtigen und ich könnte mein Leben wieder so leben, wie es mir gefällt.“ Eros wusste nicht mehr, was er tun sollte. Einerseits war er überglücklich, andererseits tieftraurig. Er wusste nicht, wohin mit sich, wohin mit seinen Händen. Verfluchte sein Aussehen, seine Herkunft und dass er ihr begegnet war. Warum musste er sich auch ausgerechnet in dieses junge, dumme Ding verlieben? Ja, er gestand sich endlich ein, dass auch er verliebt war. Aber was nützte ihm das. Sie würde ihn nie ganz und gar akzeptieren können. Mit erstickter Stimme erwiderte er: „Glaubt Ihr, Ihr seid die einzige Person, die unter dieser Situation leidet? Ich habe mir meinen Vater nicht ausgesucht, es war meine Menschenmutter, die diesen Fehler beging. Aber wie Ihr wollt. Ich werde mich von Euch fernhalten.“ Mit diesen Worten verschwand er im Dickicht. Sakura brach zusammen und heulte ungehemmt.