Plarun, das Nachbarland von Kertófu, lag westlich. Es bestand wie Kertófu selbst hauptsächlich aus Wäldern. Hier und da ein Hügel, seltener ein Berg. Die wenigen von den Bewohnern gerodeten Flächen wurden bewirtschaftet oder als Bebauungsflächen für die langsam wachsende Bevölkerung genutzt. Der Palast, in dem die Feier stattfand, lag etwa einen Tagesritt von den Grenzen Kertófus entfernt. Erst am frühen Nachmittag des zweiten Tages also kam König Cámalon mit seinem Gefolge an. Gerade richtig, denn am Abend würde das Fest zur Geburt des Prinzen Adalbert beginnen. Adalbert, dachte Cámalon bei sich, was für ein Name. Er schüttelte sich, als hätte ihn jemand mit kaltem Wasser übergossen. „Ist euch nicht wohl, Majestät?“ Diplomat Yamato, der die Gesellschaft begleitete, machte ein besorgtes Gesicht. Eigentlich machte er in diesen Tagen kaum ein anderes Gesicht. „Nein, nein. Schon gut. Alles in Ordnung.“ Wehrte der König ab. Nachdem er und sein Gefolge in den Palast eingekehrt, die Pferde versorgt und das spärliche Gepäck verstaut waren, ließ er sich bei König Friedrich von Plarun anmelden. „König Cámalon von Kertófu!“ rief die Wache an der Tür. Cámalon kam mit festem Schritt auf Friedrich zu, der ihn wie es sich für Gleichrangige gehörte, im Stehen empfing. „Friedrich.“ „Cámalon.“ Sie packten den rechten Oberarm des jeweils anderen. „Wie geht es deiner Frau? Es soll eine schwere Geburt gewesen sein.“ Sie ließen den Empfangssaal und ihre Gefolge hinter sich und gingen in die Parkanlage hinaus. „Sie erholt sich langsam.“ Ein Schatten des Entsetzens flog über das Antlitz Friedrichs. „Bei Gott, Cámalon. Noch nie habe ich ein Wesen so vor Schmerz schreien hören. Aber es ist gut gegangen. Zum Glück.“ Kertófus Herrscher schluckte schwer. Ihm stand Ähnliches bevor. Seine Frau, Thalia, war schwanger. Im Frühjahr würde es soweit sein. Wenn er daran dachte, dass er sie verlieren könnte, wurde ihm schlecht. „Und das Kind?“ Ein Lächeln verwandelte die vom Kummer gezeichnete Grimasse Friedrichs. „Ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen.“ Sagte er. „Es geht ihm gut. Ein gesunder, strammer Bursche.“ „Aber Adalbert?“ Die beiden Könige kannten sich bereits lange bevor sie gekrönt worden waren. Sie hatten oft Trainingskämpfe miteinander ausgefochten und waren auch in die eine oder andere kriegerische Auseinandersetzung gezogen. Deshalb konnten sie ehrlich miteinander reden. „Ich weiß.“ König Friedrich kratzte sich verlegen am Kopf. „Erika besteht auf diesem Namen. Er soll wohl irgendetwas Großes bedeuten. Von hoher Geburt. Etwas in der Art.“ Er seufzte. „Nun ja. Sie ist die Mutter. Ich kann ihr diesen Wunsch schlecht abschlagen, nachdem sie seinetwegen solche Qualen erlitten hat.“ Cámalon hoffte, Thalia würde sich einen besseren Namen einfallen lassen, aber sagte nichts weiter dazu. „Wird Arténol heute Abend auch vertreten sein?“ Das Reich von König Johann III. lag im Norden. Man hörte selten etwas von ihm. Die Probleme, die sein von Eis und Schnee überzogenes Bergland beutelten, hielten ihn meist fern von Zusammenkünften wie dieser Geburtsfeier. „Nein. Johann lässt sich wie immer entschuldigen. Die letzte Ernte fiel schlecht aus. Er verhandelt gerade mit den Elben. Bittet sie um Sendung von Lebensmitteln.“ Arténols Herrscher wusste genau, dass er in dieser Sache nicht auf Unterstützung von Plarun oder Kertófu hoffen konnte. Beide Länder hatten selbst gerade genug, um den Winter zu überstehen. „Ich wünschte, wir könnten ihm helfen.“ Johann hatte bis zu seiner Krönung zu dem Dreigespann gehört, das die Königssöhne gebildet hatten. Die Eltern der jungen Prinzen hatten bewusst darauf geachtet, dass ihre Söhne sich kennen und vertrauen lernten. Im Hinblick auf eine friedliche Zukunft für ihre Länder hatten sie alles unternommen was nötig war, um die jungen Herren zu Freunden werden zu lassen. Die Rechnung ging auf. Wie ihre Eltern zuvor so sorgten nun auch Cámalon, Friedrich und Johann für Frieden in Furanta. Zumindest unter den Menschen. Die Reiche der Zwerge, Elben und der Snift waren wieder eine andere Geschichte. Eine, die Cámalon zusehends Sorgen bereitete, da Kertófu als zentrales Reich direkter Nachbar der jeweiligen Reiche war. „Wie lange kannst du bleiben?“ Fragte König Friedrich auf einmal. „Ich habe meinem Hofmarschall gesagt, dass ich in fünf Tagen zurück sein werde. Warum?“ „Das ist gut. Das heißt, wir haben morgen noch Zeit.“ Erleichtert drehte sich Plaruns Herrscher um. Er lief zurück zum Palast. „Zeit wofür?“ Wollte Cámalon wissen und folgte ihm. „Das kann bis morgen warten. Heute wollen wir ausgelassen feiern.“