Yamato konnte es nicht fassen. Langsam erholte er sich von dem Schock. Er begann die verstreuten Dokumente vom Boden aufzusammeln, legte sie auf den Arbeitstisch und setzte sich erst einmal hin. In seinem Kopf schien sich eine zähe Honigmaße zu befinden. Als habe der Met der letzten Nacht sich verdickt und verstopfe ihm die Gedanken. Verzweifelt schlug er die Hände vors Gesicht. Wie konnte das geschehen? So plötzlich? So schnell? Auf dem Tisch standen eine Karaffe mit Wasser und ein Tonbecher. Er schenkte sich ein um den trockenen Mund zu befeuchten. Er hatte gewusst, dass der Tag kommen würde, an dem seine Tochter sich verlieben würde, an dem sie ihn verlassen würde. Aber musste es ausgerechnet einer dieser Snift, ein Katzenmensch, sein? Wie konnte sich Sakura nur in eines dieser Wesen verlieben? Yamato hatte immer gedacht, ihre Abscheu und ihr Hass gegenüber Halbmenschen wären ebenso groß wie seine. Natürlich hatte er sich bei der Arbeit immer korrekt verhalten. Niemals einen Snift beleidigt oder gezeigt, was er wirklich empfand, wenn er einer dieser Kreaturen die Hand geben musste. Wusste seine Tochter denn wirklich nicht, auf was sie sich da einließ? Diese Bestien fraßen rohes Fleisch, hatten bestialische Rituale, bei denen sie ihrem besiegten Gegner das Herz aus der Brust rissen und dessen Blut daraus tranken. Er hatte alles über sie gelernt, was bekannt war. Vornehmlich weil es immer ratsam ist, seinen Verhandlungspartner zu kennen. Je mehr er lernte, desto mehr verachtete er diese Tiere in Menschengestalt. In der Öffentlichkeit verlor er kein schlechtes Wort über sie. Er blieb höflich, wurde seiner Rolle als Diplomat gerecht. Privat jedoch, vor allem gegenüber seiner Tochter, nahm er kein Blatt vor dem Mund. Er hatte ihr schon früh viel über dieses fremde Volk aus den Bergwäldern erzählt, das sich in letzter Zeit immer weiter im Land ausbreitete. Natürlich hatte er die brutalsten Tatsachen nur umschrieben. Wie hätte Yamato auch einem heranwachsenden Mädchen solch grausame Dinge erzählen sollen. Aber was sie wusste, hatte bisher immer gereicht, um sie vorsichtig sein zu lassen. Todesängste hatte ihr Vater ausgestanden, wenn Sakura wieder einmal mir nichts dir nichts im Wald verschwunden war. Mit der Zeit gewöhnte er sich daran, bis er irgendwann abstumpfte oder besser ausgedrückt, lernte seiner Tochter zu vertrauen. Und nun das. „Ach Kind.“ Ein Schluchzer aus seinem tiefsten Inneren beutelte den nicht mehr jungen Mann. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Sie hasste die Snift. Genauso wie er. Was hatte dieser unmögliche Eros Raffael nicht gleich noch zu ihm gesagt? ‚Ich liebe sie. Und sie mich auch, aber zugleich hasst sie mich. Mehr als alles andere.‘ Wollte er nicht gehen? Aus ihrem Leben verschwinden? In dieser Sache war das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Augenblicke später kam ein Diener in das Arbeitszimmer gestürmt ohne anzuklopfen. Er richtete dem Diplomaten aus, er habe sich so schnell wie möglich abreisefertig zu machen. Yamato war es nur recht.