In der Zwischenzeit war Sakura angekommen. Franziska hatte schon auf sie gewartet. Anstandslos ließ sich Yamatos Tochter in die Küche führen, wo Ferdinand saß und Zwiebeln klein schnitt. Seine Augen tränten fürchterlich. Er tat Sakura leid, aber sie konnte sich nicht verkneifen, ihn deswegen ein wenig zu necken. Ferdinand rächte sich postwendend, indem er sie mit ihrer früheren Halbmenschenphobie aufzog. Als Idana mit Ferana dazu kam, berichteten sie, was sie mitbekommen hatten. „Dämonen sind aufgetaucht.“ „Dämonen?“ Flüsterte die Küchenmagd ungläubig. „Ja. Sie haben Plaruns Grenzen überschritten und nähern sich Kertófu.“ Nicht zum ersten Mal war Sakura erstaunt über die Fähigkeiten der Katzenfrauen, sich Informationen zu beschaffen. Bis vor kurzem hätte sie das nicht als praktisch, sondern als gefährlich empfunden. Aber die Lage hatte sich geändert. Und so erfuhr sie von der Gefahr und dem Vorfall nahe der Grenze. Ihre eigenen Probleme kamen ihr plötzlich nichtig und klein vor. „Wo ist eigentlich mein Vater?“ Fragte sie dennoch, als die Snift ihren Bericht beendet hatten. Sie wollte mit ihm reden. „Ihr geht besser nicht gleich zu ihm.“ Warnte Ferana. „Er wurde in seinem Zimmer festgesetzt, weil er den Unterhändler der Snift angegriffen hat.“ „Was? Warum habt ihr mir das nicht gleich erzählt?! Wie geht es Eros?“ Ein Glucksen entfuhr Idana. „Es geht ihm gut. Er hatte einen Schutzengel. Ritter Usongu hatte auf Verdacht hin Diplomat Yamato rund um die Uhr überwachen lassen, seit sie hier angekommen sind. So konnte er das Schlimmste verhindern. Euer Vater ist übrigens auch unverletzt.“ Sakura rief rot an. Sie fühlte sich ertappt. Natürlich machte sie sich auch Sorgen um ihren Vater. „Idana, würdest du mich zu ihm begleiten?“ „Aber Euer Vater hasst mich.“ „Genau deshalb sollst du mitkommen. Ich will, dass du mit ihm sprichst. Und ich werde dafür sorgen, dass er zuhört.“ „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Sakura.“ Mischte Ferdinand sich ein. Er war fertig mit den Zwiebeln und wusch sich die Augen mit frischem Brunnenwasser aus einem Holzeimer aus. „Vor allen Dingen nicht jetzt, wo er gerade erst einen ihrer Art angegriffen hat. So wie ich das sehe, wäre es besser, wenn ich dich begleite. Wer weiß, was er seiner abtrünnigen Tochter antun könnte.“ Sollte das ein Scherz sein? Nein, Ferdinand meinte es völlig ernst. Schätzte er ihren Vater so ein? Sakura musste sich setzen. Was, wenn ihr Freund Recht hatte? Wenn Yamato sie tatsächlich dafür hassen würde. Zwei warme, weiche Frauenarme umschlangen sie von hinten. „Ach Schätzchen. Mach dir nicht so einen Kopf. Ganz gleich, was der dumme Esel da drüben von sich gibt.“ „He!“, protestierte der Beleidigte. „Dein Papa hat dich lieb. Mehr als alles andere auf dieser Welt. Du bist sein ein und alles. Der einzige Mensch, den er noch hat. Wenn er wütend erscheint, dann nur weil er Angst hat, dich zu verlieren.“ Dankbar kuschelte sich Sakura an ihre Freundin. Ja, Franziska hatte Recht. Aber Ferdinand auch. Verwirrt starrte die junge Frau auf den Holztisch vor sich. „Herr Eros kommt.“ Feranas Schnurrhaare vibrierten leicht. Kaum hatte sie ihn angekündigt, trat der Snift in die Küche. „Was haben wir denn hier für eine illustre Versammlung?“ Er sah erst die beiden Katzenfrauen, dann Ferdinand, der immer noch über dem Holzeimer mit Wasser gebeugt stand. Schließlich fiel sein Blick auf Franziska und das Häuflein Elend, das sie umarmt hatte. „Sakura! Ich bin zwar hergekommen, um Franziska zu fragen, ob sie weiß wo du bist, aber das hat sich ja nun erledigt.“ Ferana hatte die Tränen in den Augen der Diplomatentochter zuerst gesehen. Unauffällig wie nur Snift es können, zupfte sie Idana am Ärmel. Diese verstand und beide machten sich leise aus dem Staub. Franziska besaß die feine Intuition mütterlicher Frauen. Sie nahm sich kurzerhand Ferdinand und schob ihn auf die andere Seite der Küche. Weit genug entfernt, um dem Paar ein wenig Privatsphäre zu bieten. Nicht ganz sicher, was es mit der Massenflucht auf sich hatte, setzte sich Eros neben Sakura. Einer Eingebung folgend legte er den Arm um sie. Sakura begann plötzlich haltlos zu Schluchzen und drückte sich an seine Schulter. Der Katzenmann hatte keine Ahnung was vor sich ging. Aber er entschied sich, die Menschenfrau ausweinen zu lassen. Irgendwann verwandelten sich die verzweifelten Schluchzer in Schniefen und die Tränen versiegten. „Du bist ganz schön nah am Wasser gebaut, Kleines. Oder liegts an mir?“ Der spitze Eckzahn blitzte hervor, als der Snift schief lächelte. „Oh du!“ Sie wollte gerade damit anfangen, mit den Fäusten auf seine Brust einzutrommeln, als sie inne hielt. Ihr Blick war an seinem Hals hängen geblieben. Ein langer blauer Fleck zog sich über seiner Kehle entlang. Sanft strich sie mit ihrer Hand darüber. Eros zuckte zusammen. „War er das? Hat mein Vater das getan?“ Eros nickte und Sakura wurde blass. Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Aber der Katzenmann hob ihr Gesicht an das seine und küsste sie. „Woher weißt du davon?“ „Ferana hat es mir erzählt.“ „Dieses Plappermaul.“ Er sagte es ohne Schärfe. „Es tut mir so leid.“ Sakura wäre am liebsten im Erdboden verschwunden. „Das ist nur meinetwegen passiert.“ Seltsam, wie sie sich manchmal vor meinen Augen von einer selbstbewussten, starken Frau in ein kleines, schutzbedürftiges Mädchen verwandelt, dachte der Unterhändler bei sich. Er wollte sie für immer beschützen. „Mag sein. Aber deshalb gebe ich dich noch lange nicht auf. Ich habe Schlimmeres für weniger ertragen. Nur weil dein Vater mich noch nicht akzeptieren kann, werde ich nicht aufgeben. Wir werden es schaffen, ihn umzustimmen. Weil wir müssen.“ Mussten sie? Sakura versuchte sich zu erinnern, aber so sehr sie sich anstrengte, sie konnte sich nicht entsinnen, dass er ihr jemals tatsächlich gesagt hatte, dass er sie liebte. Natürlich war es unsinnig daran zu zweifeln, aber sie hätte es trotzdem sehr gerne von ihm gehört. Na gut, sie selbst hatte es ihm auch nur indirekt gesagt. Aber er war schließlich der Mann. Dieses eine Mal war sie ganz wie andere Mädchen. Und das bedeutete, dass er den ersten Schritt machen musste. „Herr Eros? Man sucht nach Euch.“ Idana war unbemerkt ins Zimmer gekommen. Der Katzenmann seufzte. „Schon wieder? Wir reden später weiter.“ Und schon war er verschwunden. Die Snift wollte ihm folgen, aber Sakura hielt sie fest. „Du musst mir da mal was erklären, Idana. Über euer Volk.“ Idana hob überrascht eine haarige Augenbraue.