„Au! Mein Schädel… Wo ist die Kutsche, die mir über den Kopf gefahren ist?“ Cámalon hielt sich den brummenden Kopf. Als er sich gestreckt hatte, sah er sich um und nickte zufrieden. „So muss ein Saal aussehen, in dem eine dreifache Hochzeit gefeiert wurde.“ Statt im Bett war er in seinem Thron sitzend eingeschlafen. Überall lagen Schnapsleichen herum. Der süße Geruch von schwerem Wein und Met hing in der Luft. Die Reste eines Festmahls waren auf der langen Tafel verteilt. Schwankend stand der König auf und wackelte unsicher zu einem der Teller. Herzhaft biss er in einen Apfel und nahm einen Schluck Met dazu. „Man muss Feuer mit Feuer bekämpfen. *Hicks*“ Suchend blickte er herum, aber er konnte keinen der frisch Verheirateten unter den Schlafenden ausmachen. Er grinste. In seiner Hochzeitsnacht hatte er auch besseres zu tun gehabt, als besoffen herum zu liegen. Das Fest war großartig geworden. Die Gauklertruppe hatte sie alle vom Stuhl gehauen. Eine Aufführung der besonderen Art, mit Feuershow und sogar einigen kurzen Theaterstückchen, die den Lachmuskeln das Äußerste abforderten. Ein paar Gaukler lagen wie verwehte Herbstblätter am Boden verstreut. Einer schnarchte besonders laut. Lächelnd stieg Cámalon über ihn hinweg und stand plötzlich vor Idana. Die junge Snift war völlig außer Atem. Angewidert rümpfte sie die Nase und sah sich um. Es tat ihr nicht im Mindesten leid, dass sie die Feier verpasst hatte. Sie hasste Lärm und große Menschenansammlungen. Der König wusste davon und hatte sich daher auch nicht gewundert weder Idana noch Ferana beim Fest zu sehen. Jetzt aber fragte er sich, wo die Katzenfrau gewesen sein mochte, weil sie gar so abgehetzt wirkte. „Mein König“, Idana stockte. Irgendwie fiel es ihr schwer, den Mann vor sich ernst zu nehmen. An seiner Kleidung klebten Essensreste und sie war übersäht von Weinflecken. Einer der Schuhe des Königs war nicht mehr ordentlich verschnürt. Die Augen blutunterlaufen, das Gesicht aschfahl. Am schlimmsten fand sie aber den Gestank nach Alkohol. Er verriet ihr, dass neben Wein und Met auch Schnaps geflossen war. Und das nicht zu knapp. Sie räusperte sich. „Verzeiht, ich habe mir erlaubt, ein paar Ehrengäste auf das Schloss einzuladen. Sie werden in den nächsten zwei Tagen eintreffen. Bitte sorgt dafür, dass sie den richtigen Eindruck von Euch bekommen.“ „Ehrengäste?“ Cámalons Kopf war zu schwer, um alles zu erfassen, was die Dienerin ihm sagte. Da tauchte Thalia auf. Sie roch nach frischem Lavendel. Der König vermutete, dass sie ein Bad genommen hatte. „Keine Sorge, Idana. Das wird er. Ich bring ihn wieder auf Vordermann, bis Eros‘ Eltern auftauchen.“ Schlagartig war Cámalon voll da. „Die Eltern von Eros sind auf dem Weg hierher?“ Mit leichter Panik drehte der König sich um und starrte auf das Chaos, das einmal sein Thronsaal gewesen sein mochte. Wie um alles in der Welt sollten sie das in nur zwei Tagen wieder sauber bekommen? „Komm mit, Schatz. Überlass das Aufräumen den Bediensteten. Du nimmst besser erstmal ein Bad.“ Mit sanfter Gewalt zog Thalia ihren Mann Richtung Baderaum. Geschickt wich sie dabei umgeworfenen Tischen, Weinlachen und schlafenden Trunkenbolden aus. „Idana.“ „Jawohl, meine Königin?“ Die Katzenfrau war dankbar, dass Thalia so ein verlässlicher Mensch war. „Gib bitte der Küche und dem Hofmarschall Bescheid. Sie sollen sich um den Saustall kümmern. Danach kannst du dir freinehmen. Es muss anstrengend sein, die ganze Nacht unterwegs zu sein. Ruh dich aus.“ „Ja, Majestät. Vielen Dank.“ Beruhigt zog die Snift sich zurück. „Ihr wart nicht gerade leise gestern, Liebling.“ „Ist das eine Beschwerde, meine Königin?“ Thalia lachte über den ungeschickten Versuch ihres übernächtigten Gatten, charmant zu wirken. „Nein. Aber nach diesem Fest weiß mit Sicherheit ganz Kertófu von den Hochzeiten.“ Sie half ihrem Mann aus den Kleidern und schob ihn sanft aber bestimmt zum Zuber. Das Wasser war noch warm. Sie legte ein paar Scheite Holz nach, damit es auch so blieb. „Hmmm.“ Wohlig seufzend tauchte Cámalon ein. „Du bist die Beste, Thalia. Es riecht nach Lavendel. Ich liebe Lavendel.“ Es dauerte nicht lange, da war er eingedöst. Thalia blieb bei ihm, um sicher zu gehen, dass er nicht einsank und aus Versehen ertrank. Sie lächelte. Sah in das Gesicht Cámalons. Der Drei-Tage-Bart stand ihm. Genauso wie die sich langsam abzeichnenden Geheimratsecken. Für sie war er die große Liebe. Dass er sie, die Tochter eines niederen Adligen geheiratet und damit gegen seinen Vater aufbegehrt hatte, konnte sie immer noch nicht glauben. Auch nicht, dass in weniger als vier Monaten ein Kind ihr Glück vollkommen machen würde. Wenn nur diese dummen Dämonen nicht wären. Sie nahm ihre Stickarbeit zur Hand und versuchte sich abzulenken, wie so oft in diesen Tagen. Thalia wusste genau, warum Cámalon dieses Fest so dringend nötig gehabt hatte. Deshalb war sie auch nicht böse, als er so über die Stränge schlug. Das Wohl des ganzen Reiches hing von seinen Entscheidungen ab. Auch wenn er es in der Öffentlichkeit nicht zeigte, sie konnte sehen, wie der Druck und die Verantwortung ihn langsam auffraßen. Wie lange würde er das noch durchhalten?