Tief geschürft
Als Rincobal seinerzeit von seiner Reise ins Land der Gnomm zurückgekommen war, hörte er sofort von der Flucht Alturins. Wutentbrannt liess er den Anführer der Wachen zu sich rufen und stellte ihn zur Rede. Als dieser zu seiner Rechtfertigung begann, von tausenden von Eulen zu berichten, herrschte Rincobal ihn an.
"Schweig, Du Wurm! Du wagst es, mir eine solche Lügengeschichte aufzutischen? Mir?"
Der Anführer hob beschwichtigend die Arme. "Aber Herr,"......
Abrupt brach er ab und fasste sich mit beiden Händen an den Hals. Rincobal hatte seinen Arm gehoben und seine Hand mit dem Ring auf den Anführer gerichtet. Er brachte kein Wort mehr heraus und etwas schien ihm die Luft abzuschnüren. Sein flehender Blick war auf Rincobal gerichtet. Doch er kannte keine Gnade. Innerhalb von Sekunden sog er alles Leben aus dem zuckenden Körper des Anführers. Ausgelaugt sank er schliesslich zu Boden. Erst als er tot war, liess Rincobal von ihm ab und befahl, den ausgezehrten, verschrumpelten Körper wegzuschaffen.
Von Artrons Tod und seinem Angriff auf die Kristallstadt hatte er schon auf seiner Reise gehört. Dieser Narr, dachte Rincobal. Hätte er auf ihn gehört und sich mit ihm und den anderen Volksstämmen verbündet, so wie es geplant war, wäre die Schlacht anders ausgegangen. Dieser Junge, der Artron getötet hatte, musste der angekündigte Mann aus dieser Prophezeiung sein, dessen war er sich sicher. Seltsame Dinge wurden über ihn erzählt. Rincobal war wütend. Seine Pläne waren nicht aufgegangen und dieser junge Mann schien immer mehr zu erstarken. Hatora war eine weise und gute Lehrerin, dies wusste er. Sie würde ihn zu einem echten Gegner machen, wenn er nichts dagegen unternahm.
Er hatte Falgor zu sich rufen lassen und ihn zum Anführer der Gnomm ernannt, welche sich schon seit einiger Zeit immer tiefer in das Erdreich gegraben hatten, um dass nach ihm benannte Falgorit abzubauen und neue Vorkommen davon zu erschliessen.
Auf dieses Metall hatte Rincobal all seine Hoffnung gesetzt. Gemischt mit den richtigen Zutaten entfaltete es eine enorme Sprengkraft, die ihm letzlich den Sieg bringen würde. Doch das Metall kam nur selten und in geringen Mengen vor und so liess Rincobal immer mehr der kleinen Gnomm einsetzen, um möglichst schnell an grössere Mengen davon zu kommen.
Mehrere Jahre waren vergangen und die Menge des wertvollen Metalls war Rincobal immer noch nicht genug. Ständig liess er die Gnomm antreiben, um die Mengen noch weiter zu erhöhen. Eines Tages war eine Erschütterung im Waldboden zu spüren und kurz darauf erschien einer der Gnomm und berichtete Rincobal von einem Einsturz in einem Stollen in grosser Tiefe. Der Boden war eingebrochen und gab den Blick auf eine unterirdische Halle frei, aus der seltsame Geräusche zu vernehmen waren. Die Gnomm hatten sich erschrocken zurückgezogen und sprachen von einem uralten Dämon, der dort sein Unwesen treiben sollte.
Rincobal war unter die Erde gegangen und hatte sich von den seltsamen Grollgeräuschen überzeugen können. Wieder oben angekommen, widmete er sich tagelang uralten Schriften und studierte die Berichte über den besagten Dämon. Er sah ihr Zusammentreffen als ein Zeichen an und als ein Geschenk. Er wollte sich die Kräfte des Dämons zunutze machen im Kampf gegen seine Feinde. Rincobal wusste nun, mit wem er es zu tun hatte. Ein Dämon aus frühester Zeit hatte sich hierher zurückgezogen und fristete tief unter der Erde sein Dasein. Sein Name war Grandalk. Er war der Fürst der Unterwelt. Und er sass auf einem Schatz...... Falgorit! Die Vorkommen hier tief unten sollten gewaltig sein, so sagten es die alten Schriften. Nun musste er nur noch den Willen des Dämons bezwingen, um ihn für sich nutzbar zu machen.
Lange Zeit bereitete Rincobal sich auf das Zusammentreffen vor. Das Ungetüm sollte die Kräfte von eintausend erwachsenen Kriegern haben und mit reiner Körperkraft bestand hier keine Chance. Er musste seinen Willen auf der geistigen Ebene brechen und ihn so bezwingen. Hatte er ihn erst bezwungen, konnte er sich seine Kräfte bedienen und gewaltige Vorkommen an Falgurit sein Eigen nennen. Dies alles würde ihm einen gewaltigen Vorteil verschaffen.
Als der Tag des Abstiegs in die Unterwelt gekommen war und die erste Begegnung mit dem Dämon bevorstand, erinnerte sich Rincobal an ein sehr altes Buch, welches sich in seinem Besitz befand. Es war ein Bannbuch und in ihm befanden sich uralte Bannsprüche in einer Schrift aus alter Vorzeit, die ausser ihm niemand mehr zu lesen vermochte. Er suchte das Buch heraus und nach kurzer Zeit hatte er den passenden Spruch gefunden. Sofort machte er sich auf den Weg und kurz darauf wurde er mit Hilfe der Gnomm an einem Seil in die Tiefe abgeseilt. Vier Fackeln führte er mit sich, die er in allen Ecken des unterirdischen Gewölbes aufstellte. Der Fackelschein erlaubte ihm, die gewaltigen Ausmasse der Höhle zu erkennen. Ein grosser, hoher Gang führte aus der Halle heraus. Durch diesen Gang musste er hereinkommen.
Rincobal überprüfte seine Waffen. Er hatte seinen Bannspruch, einen besonderen Kristall, welchen er an seinem Stab befestigt hatte, den er mit sich führte und seinen Ring am Finger. Dann rief er seinen Namen. "Grandalk, Fürst der Unterwelt, komme heraus und stelle Dich Deinem Herausforderer und neuen Herrn! Zeige Dich mir."
Rincobal wartete einige Sekunden und horchte in die Dunkelheit. Dann erhob sich plötzlich ein entferntes tiefes Grollen aus den Abgründen der unterirdischen Welt. Immer lauter erhob sich der Zornesgesang des Ungetümes und Rincobal wusste, dass es seinen Ruf vernommen hatte. Die Erde zitterte und am Ende des Ganges war Fackelschein zu sehen. Rincobal hatte sich in die Mitte der Halle gestellt und erwartete den Angriff. Dann erhellte eine riesige Fackel das Ende des Ganges. Grandalk war erschienen! Ungestüm bewegte er sich mit lautem Brüllen auf seinen Gegner zu. Sein massiger Körper füllte den Gang fast komplett aus und sein Gehörn liess er an der Wand entlang schleifen, dass Funken sprühten. Als er den Eingang zur Halle passiert hatte, blieb er stehen, riss seine massigen Arme in die Höhe und stiess einen Schrei aus, der die am Ausgang wartenden Gnomm in die Flucht schlug. Entsetzt zogen sie sich zurück. Rincobals Haare waren durch die Wucht des Urschreies und den gewaltigen Luftzug nach hinten geweht worden. Doch er blieb ganz ruhig.
Grandalk überragte Rincobal um das Dreifache an Körpergrösse. Seine schuppenartige Haut verlieh ihm das Aussehen einer Echse und aus seinem aufgerissenen Maul ragten scharfe Zähne. Aus der Tiefe seines Rachens loderte ein Feuer. Hinter seinem Rücken holte er ein glühendes, riesengrosses Schwert hervor. Dann griff er Rincobal an......
Es war ein kurzer Kampf.
Rincobal richtete seinen Ring und den Stab mit dem Kristall gegen das Ungetüm und rief laut seinen Bannspruch. Im Laufen noch fiel Grandalk die Fackel aus der Faust. Das Schwert fiel scheppernd zu Boden. Er stürzte. Grandalk wand sich wie ein Aal am Boden. Den Stab und seinen Ring auf ihn gerichtet, näherte sich Rincobal vorsichtig dem Gegner. Das Feuer in Grandalks Rachen erstarb. Das Funkeln in seinen Augen erlosch und sein wütendes Grollen wich einem Laut, der eher einem Winseln ähnelte. Rincobal wusste, nun war er in seiner Gewalt.
Dies alles lag nun Jahre zurück. Rincobal hatte seinen Vorteil ausgebaut. Der Dämon allein schaffte ihm so viel Falgurit heran, wie es fünfzig der Gnomm nicht geschafft hätten. Dies und die Kräfte des Ungetümes würden ihm bald von grossem Nutzen sein. Die Zahl der Gnomm war in den Jahren sehr angewachsen. Auch das war sehr in seinem Sinne.
Diesmal würde sein Plan aufgehen....