Heimgekehrt
Sie waren neu erstarkt und wohlauf. Eira und Joohn, Mikkels Eltern, waren dank des unermüdlichen Einsatzes von Hatora und Mahala wieder ins Leben zurückgekehrt. Mikkel hatte Tag und Nacht bei Ihnen gewacht und war nur selten von ihrer Seite gewichen. Die dunklen Schatten Shergolas waren von ihnen abgefallen und ihre Augen waren wieder mit Licht erfüllt. In den letzten Tagen hatte Mikkel ihnen alles erzählt, was er erlebt hatte und was in der letzten Zeit geschehen war und.....was ihnen nun bevorstand.
Ihre Freude über ihr bald eintreffendes Enkelkind war gross, doch sie wurde getrübt durch die nahende Schlacht. Eira und Joohn hatten mit Hatora gesprochen. Sie wollten unbedingt in ihr Dorf zurück und Eira beabsichtigte bei der Lichtung Halt zu machen, um nach der alten Knorreiche zu schauen. Hatora hatte vor dem gefährlichen Weg gewarnt und ihnen gesagt, dass es nicht gewiss sei, wann die feindlichen Truppen eintreffen würden. Man wisse nicht welchen Weg sie nehmen würden und ob sie nicht auf das Dorf treffen würden. Doch die Eltern waren nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie wollten die Dorfbewohner warnen und so beschlossen sie, am nächsten Morgen aufzubrechen. Mikkel, Mahala und Alturin sollten sie begleiten und in ein paar Tagen wollten sie zurück sein. Doch Hatora wollte auf keinen Fall zulassen, dass Mahala in ihrem Zustand diese Reise auf sich nahm und verbot ihr die Mitreise. Mit gemischten Gefühlen blickte Hatora am nächsten Morgen den vier Pferden nach, die durch das Tor auf die Ebene vor der Stadt ritten. Mahala stand an ihrer Seite.
* * * * * * * * * * * * *
Rincobal war zufrieden mit sich. Wie eine Spinne im Netz kam er sich vor. Er brauchte nur an seinen Fäden zu zupfen und schon erhielt er was er wollte. Jederzeit konnte er nun die Gedanken des Königssohnes anzapfen. Bengimir war in seiner Hand. Er musste nur an ihn denken und schon war die Verbindung hergestellt. Er würde ihm noch wichtige Informationen entlocken.
Er wollte nun auf dem schnellsten Wege zurück in den Sternenwald. Nach und nach trafen die Truppen ein und er musste ein Auge auf sie haben - nein besser zwei. So viele Völker und so viele Krieger so nah nebeneinander, da reichte ein kleiner Funke und die kriegerische Schar könnte sich selbst zerfleischen.
Doch eine Sache wollte er noch auf dem Rückweg in Augenschein nehmen. Die Lichtung mit der alten Knorreiche. Sein Gefühl riet ihm, einen kleinen Abstecher dorthin zu machen. Kurz bevor er die Lichtung erreichte, stieg er ab und band sein Pferd an. Er verharrte hinter einer mächtigen Esche und beobachtete die Lichtung. Erst als er sicher war, dass niemand dort weilte, ging er auf die alte Knorreiche zu.
Ein unfreundliches Knurren drang zu ihm herüber, als er sich näherte. Er nahm das Zeichen in Augenschein. Doch was war das! Alle zwölf Lichter leuchteten! Das konnte nicht sein. Die Eltern des Jungen waren nach Shergola verbannt, ihre Lichter sollten erloschen sein. Die Sonne in der Mitte leuchtete stärker als zuvor und es hatte den Anschein, als würde sie von innen heraus zusätzlich verstärkt. Was hatte das zu bedeuten? Hatora! Ja, sie musste ihre Finger im Spiel haben. Doch ganz egal, was hier geschehen war, die Kristallstadt würde Sein werden und Hatora war dem Untergang geweiht.
Plötzlich durchlief ein Zittern die alte Eiche und sie warf einen grossen Teil ihrer Blätter auf Rincobal ab. Rincobal erhob sein Haupt und hob seine Arme in die Höhe. Mit lauter Stimme rief er: "Ja, schüttele Dich noch ein letztes Mal, Amtabar, Schicksalsbaum! Deine Tage sind gezählt und bald wirst Du am Boden liegen und Deine Wurzeln werden gen Himmel zeigen."
Die alte Knorreiche liess ein lautes Grollen ertönen und zitterte wütend am ganzen Stamm. Rincobal zog sich zurück, bestieg sein Pferd und machte sich auf den Rückweg zu seinem Lager. Zehntausende würden ihn erwarten......
* * * * * * * * * * * * *
Ihr Ritt verlief ohne Zwischenfälle und sie erreichten die Lichtung wie geplant. Als sie abgestiegen und ihre Pferde angebunden hatten gingen alle auf die alte Knorreiche zu und legten ihre Hände an den Stamm. Sie waren verwundert über die vielen Blätter, die am Boden lagen. Die alte Eiche liess ein wohliges Brummen hören, als sie die Hände auf ihrer Borke spürte. Zufrieden betrachteten alle das Zeichen. Alle Zwölf Lichter leuchteten stark und die Sonne in der Mitte strahlte kräftig und in ihrem Inneren waberte ein weiteres Licht. Eira sah es genau an und sie wusste, dass es Mahala war, die bald auf den Plan treten würde. Doch auch erfasste sie eine gewisse Traurigkeit, denn dies würde auch das Ende von Hatora bedeuten, die sie inzwischen sehr lieb gewonnen hatte. Der Glanz der Kristallstadt ging weit über das Land. Doch der wahre Glanz kam aus ihrem Herzen....
Alturin blieb mit Eira auf der Lichtung und Mikkel und sein Vater machten sich auf den Weg in ihr Dorf, um den Dorfältesten aufzusuchen. Als sie nach ein paar Stunden den Dorfplatz erreichten, war das Erstaunen und die Freude gross, als die Dorfbewohner Joohn in dem Mann neben Mikkel erkannten. Viele Fragen wurden gestellt, doch Joohn wollte zuerst mit ihrem Ältesten sprechen und schlug sofort die Richtung zu seinem Haus ein. Freudig begrüsste der Mann Mikkels Vater und wollte nicht glauben, dass der Lichtkrieger neben ihm sein Sohn Mikkel war. Freundlich bat er die beiden zu sich herein und nach ein paar Sätzen über das bislang Geschehene setzte Joohn ihn über die bevorstehenden Ereignisse in Kenntnis.
Sichtlich bestürzt hörte er Joohn's Worte und liess für den Nachmittag des Tages sogleich eine Versammlung des Dorfes einberufen. Joohn und Mikkel bedrängten ihn, alle in die Kristallstadt zu bringen, denn dort wären sie einigermassen sicher. Sollten die Heerscharen durch ihr Dorf ziehen, wären sie allesamt verloren. Doch der Dorfälteste war skeptisch was die Flucht in die Kristallstadt anging und wollte jeden Bewohner selbst entscheiden lassen, wohin er sein Schicksal lenken wollte.
Am Nachmittag hatten sich alle Dorfbewohner auf dem Platz am Brunnen versammelt. Der Dorfälteste und Joohn schilderten den Menschen was in Kürze geschehen würde und legten ihre Sicht der Dinge dar. Doch dann wurden sie überrascht, denn alle wollten dem Weg des Dorfältesten folgen und er war sich ganz sicher.....er würde hier bleiben. Die Sache war entschieden.
Joohn und Mikkel warfen vor ihrem Rückweg zur Lichtung noch einen Blick in ihr Haus und auf das Haus von Mahala, dass Mikkel und Mahala vor einiger Zeit noch liebevoll instand gesetzt hatten. Joohn legte seinen Arm um Mikkel's Schulter. Recht hoch musste er seinen Arm heben, denn Mikkel überragte ihn um Haupteslänge. Er war sehr stolz auf seinen Sohn und Mikkel spürte es. Sie verabschiedeten sich alle voneinander und wünschten sich Glück und kurz darauf verschwanden die beiden Männer im Wald.
Gerade als Mikkel mit seinem Vater wieder auf der Lichtung eintrafen, kam Undra von einem Erkundungsflug zurück. Aufgeregt flatterte sie zu Alturin heran und berichtete ihm, dass sie in einiger Entfernung Rincobal gesehen hätte. Er sei einen halben Tagesritt entfernt auf dem Weg zurück in den Sternenwald. Als Mikkel dies hörte, rannte er zu seinem Pferd, sprang auf und rief:" Ich werde ihn einholen. Reitet ihr zurück in die Kristallstadt, ich komme nach."
"Mikkel!, schrie Alturin ihn an, das wirst Du nicht tun! Sei vernünftig! Er ist zu stark für Dich."
"Ich werde ihn bezwingen," rief Mikkel.
Erst als sein Vater ihn anrief, hielt er inne. "Mikkel, mein Sohn, höre auf die Worte Alturins. Du hast ein tapferes Ansinnen, aber Du wärest seiner dunklen Zauberkraft nicht gewachsen, glaube mir. Lasst uns gemeinsam zurückreiten in die Kristallstadt und dort werden wir zusammen für einen guten Ausgang sorgen."
Die Worte seines Vaters hielten Mikkel letztlich zurück und so machten sie sich auf den Weg zurück in die Kristallstadt. Zurück zu Mahala. Zurück zu Hatora. Zurück in den bevorstehenden Krieg....