Wundersame Dinge
Hatora, Mahala, Alturin, Bengolf und Mikkel mit seinen Eltern sassen gemeinsam um den Tisch in der grossen Halle. Obwohl sie über sehr ernste Dinge sprachen, empfanden alle ihre gemeinsame Runde als etwas Bestärkendes. Keiner von ihnen wusste, wie es ausgehen würde. Würden sie siegen oder untergehen?
"In zwei Tagen ist Neumond, sagte Hatora in die Runde, und dies ist der letzte Neumond vor der Schlacht. Unsere Feinde haben sich nun alle versammelt und stehen kurz vor dem Aufbruch. Es wird sich nur noch um ein paar Tage handeln, bis Wut und Hass, Blut und Kriegsgeschrei und grosses Elend hier Platz greifen werden. Rincobal hat sie mit seinem Irrsinn und seinem dunklen Zauber geblendet und in seinen Bann gezogen. Doch sind wir gut vorbereitet."
"Alle wichtigen Dinge haben wir nun besprochen, fuhr sie fort, doch einige Dinge habe ich noch für euch." Sie liess nach Shenzir rufen, der kurz darauf mit einer edlen hölzernen und reich verzierten Kiste im Saal erschien. Nachdem er sich vor Hatora verneigt hatte, platzierte er die Kiste an Hatoras Seite und zog sich zurück. Hatora öffnete den Deckel und griff ins Innere der Kiste.
"Dies ist für Dich, mein lieber Mikkel" und dabei zog sie einen silbern leuchtenden Kristall hervor, der aussah wie eine Speerspitze. "Dies ist Belfor, die Spitze der Zerstörung. Befestige sie auf einem Deiner schnellen Pfeile und richte sie auf den der Angreifer, der am grössten ist. Doch ziele gut, denn Du hast nur diesen einen Versuch. Du wirst erkennen, wen ich meine."
Mikkel nahm den Kristall in seine Hände und bedankte sich. Er sah ihn sich ganz genau an. Von innen war er hohl, so dass er genau auf seine Pfeilspitze aufgesteckt werden konnte.
Hatora griff erneut in die Kiste und holte einen Stirnreif hervor. Sie reichte ihn an Mahala. "Dies ist für Dich Mahala. Der Stirnreif der Herrin der Kristallstadt. Meine Zeit hier neigt sich dem Ende entgegen und Du wirst danach die Geschicke dieser Stadt und ihrer Bewohner lenken. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass es so kommen möge und die Schlacht gut für euch ausgeht."
Betrübte Blicke machten die Runde und Alturin senkte seinen Blick und schloss kurz seine Augen, um die anderen nicht merken zu lassen, dass sie sich mit Wasser füllen wollten.
Abermals griff Hatora in die Kiste und holte einen Ring hervor. Sie reichte ihn an Alturin weiter und hob dabei ihre rechte Hand. "Dieses ist für Dich mein lieber Freund Alturin. Schau' es ist die gleiche Machart wie meiner. Trage ihn stets, besonders dann, wenn Du einst hinüber gehst. Daran werden wir uns in einer anderen Zeit erkennen und die Energien werden sich finden und so werden wir uns finden."
Mit traurigem Blick nahm Alturin den goldenen Ring entgegen und steckte ihn sogleich an seinen Finger. Er wusste dass das Schicksal schwere Tage für sie bereit hielt, doch umso besser fühlte er sich, als er den Ring an seiner Hand spürte. Es war, als würde dieser Ring Hatoras und seine Gefühle füreinander ganz eng zusammenschweissen und endlich, ja endlich konnte er deutlich spüren, was sie auch für ihn empfand. Ein wärmendes Gefühl erreichte sein Herz und der Blick Hatoras entschädigte ihn bereits jetzt für die Dinge, die da nun noch kommen mochten. Hoffnungsvoll lächelte Alturin sie an.
Nun holte Hatora etwas aus der Kiste hervor, dass für Bengolf bestimmt war. "Du warst schon immer sehr wissensdurstig, mein lieber Bengolf. Dies ist das Buch Keshdarr. In ihm sind alle Prophezeiungen aufgeschrieben. Du sollst es behüten und Deinen Wissensdurst stillen. Wenn Du dereinst diese Ebene verlässt, übergebe es an einen Würdigen oder verstecke es." Mit diesen Worten reichte Hatora den schweren Band an Bengolf herüber, der sich sogleich bei ihr bedankte und ihn begutachtete.
"Nun bleiben noch Eira und Joohn." Hatora griff erneut in die Kiste. "Ihr habt Mikkel geschenkt bekommen und euer Mikkel hat euch das Leben zurück geschenkt. Bald werdet ihr ein weiteres Geschenk bekommen." Sie blickte auf Mahala und alle wussten, was gemeint war. "Euer Enkelkind wird ein besonderes Kind sein und ich wünsche euch, dass ihr noch viele glückliche gemeinsame Jahre haben werdet. Doch nun habe ich auch noch etwas für euch. Seit vielen Jahren trägt die alte Knorreiche keine Frucht mehr. Die letzte Frucht, die sie trug, ist hier in diesem Säckchen." Bewahrt sie gut und setzt sie dann ein, wenn die richtige Zeit dafür gekommen ist. Dann wird sie euch das Leben erleichtern."
Eira und Joohn bedankten sich für das Geschenk und nahmen das Säckchen entgegen.
Danach nahmen sie alle gemeinsam an einem fürstlichen Mahl teil, zu dem auch Shenzir dazu gebeten wurde. Hatora hatte Shenzir mit einer besonderen Aufgabe bedacht. Sollte die Schlacht schlecht ausgehen, würde er mit den wertvollsten Kristallen durch einen Geheimgang die Kristallstadt verlassen und in Sicherheit bringen. Sie durften Rincobal niemals in die Hände fallen!
Als sie mit dem Essen geendet hatten und der Tisch abgeräumt war, griff Hatora ein letztes Mal in die Kiste. Sie holte ein altes Kartenspiel hervor und legte es auf den Tisch. Neugierig blickten alle Anwesenden auf das Kartendeck. Die Rückseiten der Karten wiesen ein seltsames Glitzern auf und Hatora erklärte den neugierigen Zuschauern, dass dies Kristallkarten seien, ein altes Erbstück ihrer Familie. Im zweiten Zeitalter hatten ihre Ahnen damit in die Zukunft geschaut.
Hatora berichtete, dass die Karten gut gemischt wurden und dann in einer Reihe ausgebreitet wurden. Dann fuhr der Fragesteller mit seiner Hand über die Reihe der Karten und wenn sich der Silberstaub der Rückseite löste und nach oben zur Hand strebte, war die richtige Antwort gefunden und die Karte wurde aufgenommen und umgedreht. Das jeweilige Symbol auf der Vorderseite der Karte hatte eine bestimmte Bedeutung. Die Treffsicherheit der Karten war sprichwörtlich gewesen. Doch mit den Jahren erstarb die Zahl der Deuter und die Karten verschwanden in der Versenkung.......bis heute.
"Möchte es einmal jemand von euch versuchen," fragte Hatora in die Runde. Nach anfänglichem Zögern meldete Mahala sich und wollte eine Karte ziehen. Hatora gab ihr den Kartenstapel und forderte sie auf, diese gut zu mischen und dann in einer Reihe auf dem Tisch auszubreiten. Als dies geschehen war sollte sich Mahala auf die Karten konzentrieren und mit ihrer linken Hand über die Kartenreihe fahren.
"Du kannst eine Frage stellen oder einfach ohne Frage um eine Botschaft bitten," erklärte sie Mahala.
Mahala stand auf und beugte sich vorsichtig über den Tisch, damit ihr inzwischen ansehnlicher Bauch nicht anstiess. Dann fuhr sie wie angewiesen langsam mit ihrer linken Hand über die Kartenreihe. Erst im letzten Drittel verhielt sie etwas in ihrer Bewegung und plötzlich löste sich feiner silberner Staub von der Rückseite einer Karte. Mahala griff die Karte und drehte sie herum. Alle blickten gespannt auf das Symbol.
Es war...............die Heilerin.