Die Zwölf
Mächtig stand sie da, die alte Knorreiche. Sie wusste, dass schlimme Tage auf das Land, die Menschen und auch auf sie zukommen würden. Etwas licht noch Ihre Krone, doch die meisten der Blätter, die sie auf den dunklen Rincobal abgeworfen hatte, hatte sie bereits nachwachsen lassen. Ihre Wurzeln hatte sie tiefer in den Boden dringen lassen, für einen sichereren Stand. Alle ihre Vorräte an Stärke hatte sie aus den Kammern hervorgeholt und in den Stamm gepumpt. So war ihr Umfang noch grösser geworden und ihre Borke war hart.
Sie war stark. Aber tief in sich spürte sie auch Angst. Angst, dass bald alles vorbei sein könnte und ein neue, dunkle Ära begann. Sie fühlte in ihrem Stamm die Zwölf ab und ihre Mitte. Hatora hatte keine Angst, doch sorgte sie sich um den Ausgang der Schlacht. Sie wusste, dass sich ihre Zeit hier in ein paar Tagen dem Ende neigte und konnte gewiss sein, dass sie wohlwollend und voller Ehre aufgenommen wurde in dem neuen Reich, in dass sie gehen würde. Doch plagte auch Wehmut ihr Herz, dies alles hinter sich lassen zu müssen.
Ein letztes Mal trieb die alte Knorreiche ihre Würzeln noch ein Stück tiefer in den Boden. Sie spürte Stein! Das musste das Mauerwerk der alten Usher-Festung sein! Mit ihren feinen Wurzeln fühlte sie den Stein ab. Behauener Stein! Quaderförmig! Ja, dass waren die Reste der alten Festung! Dies musste ein gutes Zeichen sein. Die Festung des Königs Usha war zwar zerstört worden, aber die Eiche wusste, dass die Usher ein sehr friedliebendes Volk waren und dies wertete sie als gutes Zeichen. Es machte ihr Mut. Mut, den sie in ihren Stamm leiten wollte zu dem Lichtmal.
Die Zwölf. Noch leuchteten sie alle. Zu jedem der leuchtenden Sterne leitete sie dieses Gefühl, um allen von ihrer Zuversicht abzugeben. Nacheinander erreichte jedes Licht ihre Kraft.
Alturin, ausgestattet mit Zauberkräften, die er zuwenig pflegte, wie Hatora ihm immerzu sagte. Kampferprobt in vielen Schlachten und ein vorzüglicher Stratege. Er war dafür zuständig, die Lichtkrieger ausserhalb der Kristallstadt auszubilden und unter seine Fittiche zu nehmen.
Bengolf, sein alter Weggefährte. Auch er unterrichtete in seiner Waffengattung die neuen Lichtkrieger und rundete deren Ausbildung ab. Er zog viel durch die Lande und hielt Kontakt zu vielen Völkern. Eine tiefe und lange Freundschaft verband ihn mit Hatora und Alturin.
Eira und Joohn, Mikkels Eltern. Die alte Eiche mochte sie sehr. Oft waren sie hier auf der Lichtung und führten ihre Rituale zum Wohle der Menschen, der Natur und zu ihrem Wohl durch. Sie hegten und pflegten die Welt und es gab nicht viele unter den Menschen, die an ihre gegenseitige Liebe und an ihre Aufrichtigkeit heranreichten.
Mikkel, der jüngste und stärkste unter den Lichtkriegern. Hoffnungsträger für die kommende Schlacht. Seltsame Windungen des Schicksals hatten Merkmale einer sehr alten Blutlinie in sein Leben fliessen lassen.
Die alte Seherin vom kalten Berg. Solaga war ihr Name und es gab nur wenige, die ihn wussten. Seit ewiger Zeit wohnte sie schon in ihrer Höhle auf dem Berge und nahm mit ihren sehr geschärften Sinnen die Geschehnisse ihrer Welt auf. Zur rechten Zeit wurden diese dann an die richtigen Menschen weiter gegeben.
Browand, der Anführer der Waldsäumer. Tief im Wald bewohnte er mit seinem kleinwüchsigen Volk die ausgeprägten Lichtungen. Sie waren sehr klein, aber unglaublich schnell - genau wie ihre Bukkis.
Finniwolt, ein Hüne von einem Mann. Vor vielen Jahren war er von Hatora, Alturin und Bengolf ausgebildet worden und zählte zu den Besten der Lichtkrieger. Dann machte er sich plötzlich auf in die Welt und ward seit jeher nicht mehr gesehen. Er hatte sich damals von Hatora mit den Worten verabschiedet:" Ich werde zur rechten Zeit zurück sein, Herrin." Und auch sein Licht leuchtete.
Drei der Lichter waren Tieren zugeordnet.
Undra war eine von ihnen, die das Mal trug. Versteckt unter ihrem Federkleid war es nicht zu sehen. Lange schon war sie an Alturins Seite und begleitete ihren alten Freund.
Undine, Mikkels Eule. Nicht umsonst war sie aus dem Nest gefallen und nicht umsonst hatte Mikkel sie gefunden und grossgezogen. Manchmal nahm das Schicksal seltsame Wege und ihr war diese Ehre zuteil geworden.
Miramor, Hatoras treuer Schimmel. Er trug sein Zeichen mitten auf der Stirn und begleitete sie auf allen ihren Reisen. Und wenn Hatora es auf seinem Rücken wünschte, verwandelte er sich in eine Eule.....
Das letzte Licht gehörte zu einem Baum. Einem sehr alten Baum. Die alte Knorreiche fühlte, wie es auf ihrer Borke leuchtete. Möge es noch lange leuchten, dachte sie bei sich. Wer will schon in so jungen Jahren sterben? Issalla soll noch lange leben!
Die Sonne in der Mitte war natürlich Hatora zugeordnet. Hell strahlte ihr Licht und wenn man genau hinsah, konnte man den kleinen hellen Punkt bereits erkennen, der tief im Innern des Lichtes hervorstach. Mahalas Zeit würde bald kommen...
Die alte Knorreiche betrachtete die Anfangsbuchstaben der Lichtträger:
Alturin
Bengolf
Eira
Joohn
Mikkel
Solaga
Browand
Finniwolt
Undra
Undine
Aramor
Issalla
Und sie erkannte einen fremd klingenden Namen wieder.
JABUS EMBU FABI
Der Seelenname des letzten verbliebenen Sternenwesens! Hatora hatte ihr die Geschichte vor langer Zeit erzählt und den Namen erwähnt. Ob es eine Bedeutung hatte?
Plötzlich vernahm die alte Knorreiche seltsame Geräusche! Der Boden begann zu vibrieren! Immer stärker und lauter drang der Lärm zu ihr heran. Pferdehufe, Kriegerstiefel, Karrenräder!
Nur Mut jetzt!.....