Schicksale
Mikkel war wieder zu sich gekommen. Benommen richtete er sich auf. Er griff nach seinem Schwert und trat nach vorne. Rincobal bewegte sich langsam weiter auf das Tor zu und seine Mannen folgten ihm im gleichen Tempo. Mikkel sah sich um und teilte sofort seine Krieger ein. "Bogenschützen nach vorn! Lichtkrieger, bildet eine Angriffslinie!" Sofort eilten drei Reihen mit je etwas hundert Bogenschützen nach vorne. Die erste Reihe kniete, die zweite Reihe bildeten stehend die kleineren Schützen und hinten waren die Grössten von ihnen plaziert. Dahinter nahmen die Lichtkrieger und dann die anderen Verbündeten in geordneter Linie Aufstellung. Mikkel, Alturin, Belgomir, Bengolf und Hatora standen zusammen hinter den drei Reihen der Bogenschützen und führten die Kämpfer an.
Zwei der feindlichen Krieger flankierten Rincobal mit mannshohen Schilden, um ihn vor den Pfeilen zu schützen. Dann blieb Rincobal stehen. Auch die Männer hinter ihm stoppten ihren Vormarsch auf die Stadt. Rincobal blickte die Gruppe um Hatora und Mikkel an. Dann erhob er seine Stimme:
"Hatora! Ergebt Euch und ich verschone diese Stadt und deren Einwohner. Ihr habt keine Chance gegen unsere Übermacht. Wir würden Euch überrollen.......
Was sagt Ihr?"
Hatora trat hervor und Mikkel begleitete sie. "Ihr seid einst ein grosser Zauberer gewesen, Rincobal. Doch dann hat die Dunkelheit Euere Sinne vernebelt und Euch die Menschlichkeit ausgesaugt und nun seid Ihr auf dem besten Wege, Euch für alle Zeiten an die Dunkelheit zu verkaufen und merkt es nicht einmal. Niemals würde ich die Stadt des Lichts einem Manne wie Euch übergeben. Auch wenn Ihr uns an Waffen und Zahl der Krieger überlegen seid, so merkt Euch.....am Ende wird immer das Licht siegen!
Doch Ihr werdet nur noch ein Schatten Eurer Selbst sein, ausgesaugt und leer und keiner menschlichen Regung mehr fähig. Kalt und starr und ohne einen Funken Wärme in Eurem Herzen."
Rincobal lachte laut auf und die Krieger hinter ihm stimmten ein lautes Gebrüll an. Er hob kurz seine Hand und augenblicklich verstummten die Männer. "Du bist ein störrisches Weib Hatora und Du wirst heute einen sehr hohen Preis dafür bezahlen!", rief er ihr verächtlich zu.
"Wir werden sehen, Rincobal," entgegenete Hatora. "Ich denke, es ist alles gesagt." Mit diesen Worten drehte sie sich um und liess den überraschten Rincobal stehen, um wieder in ihre eigenen Reihen zurückzutreten.
Rincobal war es nicht gewohnt so behandelt zu werden. Niemand liess ihn ungestraft einfach so stehen! Wut stieg in ihm hoch. Sofort erhob er seinen rechten Arm zum Angriff. Wildes Geschrei seiner Krieger brandete hinter ihm auf. Sie waren bereit. Bereit die Stadt zu nehmen und sie ins Dunkel zu stürzen. So wie Rincobal es befohlen hatte, falls sich Hatora nicht freiwillig ergeben würde.
Alturin und Mikkel standen an Hatoras Seite. Weitere Körbe mit Pfeilen wurden eilig heran geschafft und bei den Bogenschützen bereit gestellt.
"Ich wünsche Euch Glück und möge das Licht uns allen beistehen," sagte Hatora. Die Männer nickten ihr nur kurz zu. Alle waren hoch konzentriert. Die Bogenschützen hatten ihre Pfeile eingelegt. Belgomir trat nervös von einem Bein auf das andere. Auch wenn er ein guter Kämpfer war, so war dies doch seine erste richtige grosse Schlacht. Allen war grosse Anspannung anzumerken. Lediglich Bengolf schien gelassen zu bleiben. Er hatte sein Schwert fest in der Hand und wartete auf den Beginn.
Dann liess Rincobal seine Hand sinken....
Sofort stürmten seine Krieger an ihm vorbei auf das Stadttor zu. Lautes Kampfgeschrei erfüllte die ganze Ebene. Die beiden Krieger neben Rincobal zogen ihre grossen Schilde eng um ihn zusammen. Gleich würden die ersten von ihnen das Tor erreichen.
"Wartet!, rief Mikkel den Bogenschützen zu. Wartet! Lasst sie das Tor zuerst passieren. Wartet! Wartet noch! Wartet!"
Dann ergoss sich der erste Schwall der Feinde durch das Tor und stürmte auf den Vorplatz der Kristallstadt.
"Pfeileeeee!", rief Mikkel und augenblicklich war die Luft vom Sirren der tödlichen Spitzen erfüllt. Klatschend schlugen sie in die Körper der Angreifer ein und streckten sie nieder. Keiner von Ihnen kam durch. Welle um Welle der Angreifer stürmte in die Stadt und allesamt wurden sie niedergemacht.
"Lasst noch mehr Pfeile heranschaffen, rasch, rief Mikkel. Es sind sehr viele von ihnen und wir brauchen mehr Pfeile!"
Noch war kein einziger Schwertstreich getan, doch auf dem Platz vor dem Stadttor türmten sich die leblosen Körper der tödlich Getroffenen. Die neu angreifenden Krieger Rincobals mussten sich erst mühsam einen Weg über die Berge der Toten bahnen, um weiter vordringen zu können. So hatten die Bogenschützen der Kristallstadt mehr Zeit um neue Pfeile einzulegen und genauer zu zielen. Schmerzschreie der Verletzten erfüllten die Luft. Rincobal musste mit ansehen, wie die ersten eintausend seiner Krieger abgeschlachtet wurden. Ständig wuchs der Berg von Toten weiter an, ein grausiges Bild. Doch es liess ihn kalt. Lediglich seine Wut darüber wurde grösser, dass es bisher noch keinen durchschlagenden Erfolg verbuchen konnte. Er trieb die Männer erbarmungslos an. Sein Hass wuchs stetig weiter. Hass auf die, die all das hatten, was ihm versagt geblieben war. Das Licht, die Liebe, eine Familie, eine Frau und Kinder.....Nein, es war nicht gerecht, dass ihm dies alles genommen und versagt geblieben war. Und er bemerkte, wie Hatoras Worte in ihm wühlten...
Alturin sah es als erster kommen. Die Pfeile würden nicht mehr lange reichen. Sie hatten bereits über die Hälfte verbraucht und die Zahl der Angreifer war im Vergleich nur geringfügig geschrumpft. Sie waren einfach zu viele. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sie direkt aufeinander treffen würden. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Rincobal würde sich sicher noch etwas Listiges einfallen lassen, um der Enge des Tores zu entgehen und einen Durchbruch zu schaffen.
Die Schützen auf der Stadtmauer traf es zuerst. Ihnen gingen die Pfeile aus. Rasch liess Rincobal unzählige Leitern nach vorn holen und an die Mauer stellen. Einige konnten mit langen Astgabeln zurückgestossen werden und die Leitern knallten mitsamt der Männer auf ihnen auf den harten Boden zurück. Doch es waren zu viele der Angreifer....
Nun waren sie selbst dem Pfeilhagel der Angreifer ausgesetzt und ihnen fehlten die Pfeile. Reihenweise stürzten die schutzlosen Männer getroffen von der Mauer herunter und kurz darauf war die Verteidigungsanlage von Rincobals Männern eingenommen. In Scharen kamen sie die Treppen hinunter und rannten wild brüllend mit erhobenen Schwertern auf die Lichtkrieger zu. Hatoras Bogenschützen zogen sich in die hinteren Reihen zurück, nachdem auch sie die letzten Pfeile verschossen hatten. Dann brandete der Schwall der feindlichen Krieger auf die Reihen der Lichtkrieger. Doch der Angriff war zu unkontrolliert und Hatoras Mannen konnten ihn abwehren. Die Angreifer trafen zu vereinzelt auf die wohlgeordneten Reihen der Lichtkrieger und deshalb fehlte ihnen die durchschlagende Wirkung.
Lediglich die ersten beiden Reihen der Kämpfer waren bisher in das Kampfgeschehen eingebunden und die erste direkte Welle war erfolgreich abgewehrt. Vom Blut der Feinde besudelt standen die Kämpfer fest zusammen und hielten das Tor im Blick. Doch nun spielte Rincobal seinen nächsten Trumpf aus. Seine Männer zogen sich von der Mauer weiter nach hinten zurück. Kein gutes Zeichen! Mikkel und Alturin beorderten ihre Männer vorsichtshalber auch ein Stück weiter zurück. Und sie taten gut daran!
Berge von Knallkraut lagen von aussen an der Mauer. Ihre Lunten brannten. Während des Kampfes hatten Rincobals Schergen sie unbemerkt herangeschafft, als die Burgmauer frei von Lichtkriegern war. Mikkel bemerkte noch den aufsteigenden Rauch am oberen Ende der Mauer. Leicht kräuselnd stieg er in den Himmel. Sofort war ihm klar was hier geschah und warnend wollte er es hinausschreien. Doch seine Worte erstarben ungehört in zwei gewaltigen Detonationen. Zu beiden Seiten des Tores drückten die heftigen Explosionen die mächtigen Stadtmauern einfach nieder. Riesige Gesteinsbrocken flogen durch die Luft und die Druckwelle trieb den Lichtkriegern die Luft aus ihren Lungen und warf sie zu Boden. Mikkel rappelte sich als Erster wieder auf. Schnell sah er sich um. Die Wirkung der Detonation war verheerend. Viele seiner Leute waren dabei getötet oder verletzt worden.
Alturin, der ein ganzes Stück von seiner Seite weggeschleudert worden war, erhob sich gerade wieder. Er war noch benommen und rieb sich die Ohren, die durch den lauten Knall wohl Schaden genommen hatten. Bengolf war schon auf den Beinen und half ihm hoch. Belgomir griff knieend nach seinem Schwert und war im Begriff, sich ebenfalls wieder aufzurichten.
Und Hatora? Wo war Hatora? Dann erblickte Mikkel sie am Boden liegend und starr vor Schreck ging er auf sie zu. Einer der grossen Gesteinsbrocken musste sie frontal auf die Brust getroffen haben. Ihre Rüstung war geborsten. Blut war aus der Wunde geflossen. Mikkel beugte sich zu ihr herunter und legte seine Hand auf ihre Stirn. Ihr Blick ging in den Himmel. Ein leichtes Lächeln umspielte ihr weises Gesicht, doch ihre Augen hatten den Glanz verloren. Der Blick war starr. Hatora hatte diese Welt verlassen. Sie war tot!
Mikkel senkte den Kopf. Trauer und Wut stiegen in ihm hoch. Mutter und weise Lehrerin war sie lange Zeit für ihn gewesen und er liebte sie wie seine Eltern und Mahala. Alturin kam vorsichtig heran und kniete sich vor Hatora auf den Boden. Sofort begriff er, dass das Leben aus ihrem Körper gewichen war. Mit zitternder Hand schloss er ihr weinend die Augen. Seine einzige grosse Liebe war von ihm gegangen. Sein Schmerz war schier unerträglich und er liess seinen Tränen freien Lauf. Sie hatte es schon länger gewusst. Doch Alturin hatte gehofft, dass sie sich irren würde. Er fasste ihre Hände und legte sie übereinander auf ihrem Bauch ab. Mit seiner rechten Hand drückte er auf Hatoras Herz. Seine linke Hand führte er an sein eigenes Herz. So verblieb er eine kurze Weile und schien alles um sich herum vergessen zu haben. Erst das Kriegsgeschrei der heranstürmenden Feinde, die sich den Weg über das Geröll der Mauersteine bahnten, riss ihn in die Realität zurück. Eine seiner vielen Tränen fiel beim Aufstehen von seiner Wange ab fand den Weg in Hatoras noch leicht geöffneten Mund.
Mikkel hatte ihn am Arm gepackt und half ihm hoch. Wie eine Walze kamen sie auf sie zugerannt. Es waren Tausende! "Käääääämpft!", schrie Bengolf aus Leibeskräften und rannte mutig mit erhobenem Schwert dem tödlichen Ansturm entgegen. Alturin hob schnell sein Schwert auf und eilte seinem alten Freund wütend brüllend hinterher. Mikkel packte Schwert und Schild und rannte gemeinsam mit Belgomir den Feinden entgegen. Bald darauf hatte er sie erreicht und nutzte einen am Boden liegenden grossen Gesteinsbrocken als Absprung. Mit seinen Füssen voran traf er auf seine
Feinde und streckte gleich drei von ihnen mit den Beinen nieder. Durch seinen gewaltigen Sprung war er vor Alturin und Bengolf auf dem Boden gelandet und hatte so die ersten Angreifer für sie abgewehrt.
Belgomir hatte für sich als Waffen scharfe Kurzschwerter gewählt. Wie ein Kreisel wirbelte er durch die Reihen der Angreifer und streckte einen nach dem anderen Mann nieder. Bengolfs Schwert sauste so schnell durch die Luft, dass man es kaum verfolgen konnte und Alturin beendete mit seinem langen, kunstvoll verzierten Schwert den Kampft für viele seiner Gegner.
Mikkel stand an der Spitze der Gruppe. Die vier Männer standen wie ein Bollwerk und schlugen eine gewaltige Schneise in die Reihen der Angreifer.
Ein kurzer schneller Blick zurück versicherte Alturin der Zuverlässigkeit und Kampfstärke der Lichtkrieger. Mann gegen Mann kämpften sie tapfer gegen die Überzahl und hielten ihre Stellung. Doch vor ihm tauchte nun ein Riese von Kerl auf, grimmige Kriegsbemalung und ein markerschütternder Kampfschrei waren seine Zeichen. Dann fasste er Alturin ins Auge. Sofort rannte er auf ihn zu und hob sein übergrosses Schwert um ihn mit einem Streich zu töten. Doch Alturin liess sich zu Boden fallen und rollte sich geschickt unter dem Feind durch. Mit einem schweren Hieb gegen seine Beine hatte er den Gegner zu Boden geschickt. Gleich sprang Alturin wieder auf und wollte ihm den tödlichen Stoss versetzen, doch Mikkel war schneller und hatte dem Hünen bereits sein Schwert in die breite Brust gerammt.
Alturin nickte Mikkel nur kurz zu, als ein Schwert sirrend an seinem Kopf vorbei rauschte. Erschrocken duckte er sich weg und sah dann, dass Bengolf es geworfen hatte. Klatschend durchschlug es die Brust eines Angreifers, der sich seitlich den beiden genähert hatte. Schnell war Bengolf zur Stelle und zog sein Schwert aus dem leblosen Körper. Wieder richteten sie ihre Blicke nach vorne. Plötzlich war Unruhe am anderen Ende der Ebene vor der Stadt auszumachen. Mit dem ersten Anzeichen des Morgengrauens eilte weitere Hilfe herbei. Mit einem Blick sahen die vier Kämpfer, um wen es sich handeln musste. Durch die Luft wirbelnde Kämpfer und eine Schneise, die pfeilschnell durch die feindlichen Reihen gezogen wurde. Dies war ein untrügliches Zeichen der Waldsäumer. Sie hatten alle ihre Bukkis angeschirrt und ihre Wagen mit weit ausladenden spitzen Waffen versehen und jeder, der in deren Reichweite kam, hatte keine Chance und wurde niedergemacht. Mit unglaublicher Geschwindigkeit rissen sie Schneise um Schneise in die Reihen der Angreifer.
Hoffnung und neuen Mut gaben sie den Männern der Kristallstadt und liessen ihren Kampfgeist weiter erstarken. Dann wurde das leichte erste Licht des Tages wieder genommen und der Horizont verdunkelte sich wieder. Verwundert liess Alturin für einen kleinen Moment seinen Blick am Horizont ruhen und erkannte den Grund für die Eintrübung. Ein riesiges Geschwader von Eulen bewegte sich auf die Ebene vor der Kristallstadt zu. Mit ihren spitzen Schnäbeln und den scharfen Krallen wollten sie den Feinden zusetzen und viele von ihnen hielten Netze in den Krallen. Als sie die Mitte der Feinde erreicht hatten, entrollten sie die Netze, warfen sie über ihnen ab und stiessen dann nieder, um den im Netz strampelnden Männern weiter zuzusetzen.
Doch Alturins Freude über die weitere Hilfe währte nur kurz. Einen Moment zu lang war seine Aufmerksamkeit abgezogen. Klatschend schlug ein Pfeil in seiner Schulter ein und riss ihn unsanft von den Beinen. Entsetzt eilte Mikkel sofort zurück, um den am Boden liegenden Alturin zu schützen. Mit schmerzverzehrtem Gesicht lag Alturin am Boden. Bengolf und Belgomir eilten ebenfalls herbei, um die Flanken zu sichern. Sie mussten den verletzten Alturin unbedingt zurück in die Stadt schaffen, sonst wäre er verloren. Kurz entschlossen brach Mikkel den im Körper steckenden Pfeil ab, hob den vor Schmerz stöhnenden Alturin hoch und schulterte ihn. Mit seiner rechten Hand führte er sein Schwert und so machten sich die vier Männer kämpfend auf den Rückweg zur Stadt.
Rincobal glühte vor Zorn, als er die vernichtenden Schneisen der Waldsäumer sah. Er hob die Hände und schwebte in der Luft. Ein alter geheimer Flugzauber, den er vor Kurzem entdeckt hatte, macht ihm dies möglich. Mehrere Säckchen mit Knallkraut und eine Fackel führte er mit sich. Die Schneisen der Waldsäumer waren sehr gerade und fast wie ein Strich. Sie waren gut auszurechnen. Ihre hohe Geschwindigkeit jedoch bereitete Rincobal grössere Schwierigkeiten. Er entzündete das Knallkraut und warf mehrere der Säcke ab, bis er zum ersten Mal traf und den ersten der Waldsäumer ausser Gefecht setzte. Dass bei dem Angriff auch viele seiner eigenen Männer getroffen wurden, liess ihn völlig kalt. Doch nach und nach erhöhte er seine Trefferquote und nach einiger Zeit waren nur noch zwei der Wagen übrig, welche dann irgendwann von seinen eigenen Leuten gestoppt wurden. Diese Gefahr war nun mit dem ersten Morgengrau gebannt, doch die Waldsäumer hatten ganze Arbeit geleistet. Grosse Löcher waren in den Heerhaufen zu sehen und viele tote Männer lagen auf dem Schlachtfeld.
Noch in der Luft bewegte sich Rincobal in Richtung des Stadttores. Eine Gruppe von drei Männern fiel ihm auf, die sich kämpfender Weise einen Weg zur Stadt bahnten. Dann erkannte er sie. Es waren der Verletzte Alturin, seine Freunde und dieser verhasste Mikkel! Er versetzte einer der noch immer umher fliegenden Eulen einen Schockzauber und nahm das herabfallende Netz an sich. Die vier Männer unter sich, die nun fast das Tor zur Stadt erreicht hatten, entfaltete er das Netz und warf es geschickt über die Gruppe. Sofort war der Lauf der Männer gestoppt und wie gefangene Tiere zappelten sie in seinem Netz. Was für ein Fang! Mit einem weiteren Zauber zog er das Netz fest zusammen, so dass keine Bewegung mehr möglich war.
Siegesgewiss und hoch zufrieden mit sich liess sich Rincobal wieder auf den Boden herabgleiten. Die vier Männer konnten im ersten Moment nicht verstehen, was mit ihnen geschehen war, doch als sie den herabgleitenden Rincobal sahen, war ihnen die Ursache ihrer plötzlichen Gefangenschaft sofort klar. Sofort wies Rincobal seine Männer an, gebührenden Abstand zu seinem Fang zu wahren und sogleich bildete sich ein freies Feld, in dem sich nur er und die vier Männer im Netz befanden. Rincobal umrundete das Netz mit den Gefangenen und kostete die Situation voll aus. Von allen Seiten betrachtete er die vier Männer. Er sah, dass Alturin aus seiner Wunde stark blutete und einer Ohnmacht nahe war. Doch es rührte ihn nicht. Er richtete seine beringten Hände auf das Netz und sofort löste es sich und fiel neben ihnen in den Staub. Die Zauberkräfte der Ringe liess Rincobal mit den erhobenen Händen auf den Männern ruhen und hielt sie so in seinem Bann.
"Dies ist also der sagenumwobene Mikkel", sagte er mit scharfer Stimme. Mikkel sah sich nach seiner Waffe um, aber beim Sturz im Netz war ihm alles verloren gegangen. Auch war er nicht fähig, sich überhaupt zu rühren, denn zu stark war die Kraft von Rincobals Zauber. "Und all seine engen Freunde sind auch gleich mit dabei - wie schön," sagte er mit zynischer Freundlichkeit.
"Ihr habt unserer Sache schweren Schaden zugefügt, aber ich will Gnade walten lassen, sprach er weiter. Ihr werdet euch hier und jetzt meinem Willen unterwerfen und mir die ewige Treue schwören, oder euer Leben ist verwirkt - hier an Ort und Stelle!"
"Und mit Dir Mikkel werde ich beginnen." Er zwang ihn, vor sich nieder zu knien und sagte: "Schwöre mir ewige Treue und ich werde Dich erlösen. Du wirst ein Leben in Glanz und Reichtum führen und Dein Ruhm wird über alle Grenzen des Landes bekannt sein.... Sprich!", herrschte er Mikkel an.
Mikkel war so gut wie bewegungsunfähig und mit grösster Anstrengung hob er seinen Kopf und sah Rincobal an. "Hast Du nichts zu bieten, was wirklich wichtig ist?", fragte er Rincobal.
Wutentbrannt liess sich Rincobal ein Schwert bringen. Er bewegte Mikkels Haupt auf einen naheliegenden grossen Stein. "So spricht man nicht mit dem grossen Rincobal, kleiner Mikkel. Ich frage Dich ein letztes Mal.
Schwörst Du mir die ewige Treue?"
Doch Mikkel blieb still. Seine Gedanken flogen zu Mahala und seinem ungeborenen Kind. In tiefer Liebe war er bei ihr.
Rincobal hob das Schwert......