Tessa
Nachdem ich eine paar Minuten – ich habe die Zeit ganz vergessen – löse ich mich wieder von Elijah und laufe, so schnell es geht, von der Tanzfläche. Plötzlich ist die Musik so viel lauter in meinen Ohren. Ich fühle mich fast so, als wäre ich gerade aus einer tiefen Trance aufgewacht.
Schnell husche ich zum Buffet. Jetzt brauche ich erst mal dringend was zu essen. Mit vollem Magen kann man einfach besser denken. Ich schnappe mir einen leeren Teller, sowie Besteck und lege mir damit sowohl Hühnchen mit Barbecue Soße auf den Teller.
In Gedanken bin ich allerdings noch immer bei Elijah. Selbst jetzt kann ich noch seine Hände auf meinem Körper spüren. Zwar nervt mich das ein wenig, da ich versuchen möchte so wenig wie möglich über ihn nachzudenken, doch andererseits wünsche ich mir das auch nicht weg. Auf irgendeine komische Weise hat es sich nämlich gut angefühlt.
Sobald ich damit fertig bin meinen Teller mit Nahrung zu füllen, schlurfe ich zum Wohnzimmertisch hinüber und lasse mich dort auf den letzten freien Stuhl fallen.
Fester als gewollt steche ich mit meiner Gabel in das Fleisch. Bevor ich es allerdings an die Lippen führen kann, ist eine schrille, mir allzu bekannte, Stimme zu vernehmen.
"Tessa, du zerknitterst das Kleid ja völlig", augenblicklich rolle ich mit den Augen. Ist das wirklich Moms Ernst? Wenn sie schon eine Party macht, braucht sie nicht auch noch die schrecklichste Person aus unserer Familie zu einladen.
Als ich zu ihr herumfahre, erblicke ich tatsächlich die Person, die ich erwartet habe. Dort steht meine Cousine. Ihr schwarzes Haar, welches meinem eigenen gleicht, hat sie lang über ihre Schultern geglättet. Allerdings sind ihre Augen blau, während meine braun sind.
Das Kleid, welches sie trägt, hat leider ebenfalls große Ähnlichkeit zu meinem Eigenen. Scheinbar hat Mom ihr das Gegenstück zu meinem gekauft. Mal wieder will sie Happy Family spielen. War ja klar!
Sie weiß doch, dass wir kein gutes Verhältnis zueinander haben und daran bin dieses Mal nicht nur ich Schuld. Denn während ich nur temperamentvoll bin, ist sie viel eher unausstehlich und lässt das auch jeden spüren.
"Georgina", mein Unmut spiegelt sich in meinem Gesicht wider: "Was tust du denn hier?" "Tante Hayley hat mich eingeladen", erwidert sie in einem zuckersüßen Ton, doch ich weiß, dass das alles nur Fassade ist: "Wusstest du das etwa nicht?" "Nein", mein eigener Ton ist emotionslos und mein Unbehagen ist mir anzusehen.
Leider scheint sie nicht zu merken, dass ich Zeit mit ihr verbringen will, oder sie ignoriert diese Tatsache einfach. Mit einem viel zu übertriebenen Lächeln bittet sie die alte Dame, die neben mir sitzt, aufzustehen. Zu meinem Leidwesen geht sie dieser Bitte, wenn auch merklich ungern, nach. Wenige Sekunde später sitzt Georgina dann auch schon neben mir. Langsam kommt mir wirklich der Gedanke, dass meine Mutter mich damit strafen wollte, dass sie ausgerechnet Georgina eingeladen hat. Das wäre irgendwie typisch.
Trotzdem habe ich immer noch die Hoffnung, dass sie mich einfach nicht anspricht. Aber falsch gedacht. "Und? Hast du eigentlich immer noch so viele Typen?", fragt sie mich einfach gerade heraus. Augenblicklich verschlucke ich mich an dem Bissen, den ich mir gerade in den Mund geschoben habe. Das Besteck fällt mir aus den Händen.
Mit weiterhin halb vollem Mund sehe ich sie geschockt an. "Hey, das ist doch kein Geheimnis", spricht sie einfach weiter: "Darüber redet doch schon die ganze Familie, seit deine Mutter das auf der letzten Familienfeier ausgeplaudert hat." Ich beginne zu husten. Was hat meine Mutter getan? Sie kann doch nicht einfach auf irgendwelchen Feiern etwas über mich erzählen, sobald ich einmal nicht mit gehe. Zwar ist es keine Lüge, aber das muss ja nicht die ganze Familie wissen.
"Das stimmt nicht", automatisch versuche ich mich zu schützen. "Du brauchst doch nicht zu lügen, Tessi", erneut schenkt sie mir ein falsches Lächeln. Das macht mich nur wütender. Wieso erzählt meine Mutter der Familie einfach sowas?
Blitzschnell springe ich vom Tisch auf. Ich hatte ja vorher schon keine Lust auf diesen Tag, aber dass sie meine Cousine einlädt und ihr dann noch sowas erzählt, setzt dem Ganzen echt die Krone auf.
Ohne meinen Teller oder die Leute um mich herum weiter zu beachten, renne ich die Treppe nach oben. Ich will einfach nur noch weg. Das ist mir alles einfach zu viel. Und Georginas längst gewohnte Zurechtweisungen brauche ich mir auch nicht antun. Für den Rest des Tages werde ich einfach verschwinden. Davon kann mich nicht einmal meine Mutter abhalten. Schließlich habe ich echt versucht mich zusammen zu reißen, aber das reicht jetzt echt. Ich habe echt noch andere Sachen zu tun, als meiner Mutter ihre Beziehung möglichst leicht zu machen.