Inzwischen brennt ein helles, blaues Licht tagein, tagaus auf dem Signalfeuer. Lyssa hat die von Calcy entfachten Flammen mit Kreativität angereichert. Seitdem ist der Holzstapel fleißig gewachsen und ragt nun als zweiter Berg mitten auf der abgeflachten Kuppe auf. Dies ist der wirklich gigantische Leuchtturm aus einigen Steinträgern und viel gestapeltem Holz, der wie der Stamm eines Mammutbaumes in den Himmel ragt. Sein bläuliches Licht schenkt jenen, die einen Strahl erhaschen, Hoffnung, Inspiration und Motivation, um - so sagt die Legende - hundert Bücher zu schreiben.
Durch den Fuß führt, wie gesagt, der Tunnel in den Burghof. Hier erstreckt sich ein karger Garten, denn es wachsen nicht besonders viele Pflanzen in dieser unmittelbaren Nähe zum Krea-Tief-Tal. Allerdings hat sich ein dichter Teppich aus Vergissmeinnicht angesiedelt, den Felix hier mal gepflanzt hat. Kopfgroße Natursteine bilden einige gewundene Wege vorbei an Kräutergärtchen mit dürren Bergkräutern. Eine hohe, zinnenbewehrte Mauer umschließt diesen äußeren Burghof und schützt die wenigen Gebäude, die an die äußere oder innere Burgmauer geduckt stehen, die Dächer mit Stroh gedeckt.
Lieber Leser, lass dich von den grauen Bannern nicht täuschen - es geht hier weitaus gemütlicher zu, als man beim Klang des heulenden Windes vermuten mag. Komm, ich führe dich etwas herum! Aber pass auf, die Steine sind gelegentlich vereist und rutschig.
Nun, beginnen wir mit dem ersten Gebäude, das man vom Eingang erreicht. Ich nenne es die Hoffnungsschmiede, auch wenn es keine richtige Schmiede ist. Praktischerweise habe ich übrigens alle Türen mit einer zweiten, tieferen Klinke ausgestattet, die ich auch als Wolf öffnen ... einen Moment bitte ... Na, wer sagt's denn? Immer herein in Die letzte, lange Nacht der Fantasie! Ich weiß, die Inneneinrichtung lässt etwas zu wünschen übrig. Hier, diese Leiter hinauf - vorsichtig, die Stufen sind morsch - und willkommen im Observatorium. Um ehrlich zu sein, ich bin wirklich ausgesprochen gerne hier. Das große Kissen ist so weich und durch das gläserne Dach kann man wunderbar die Sterne beobachten. In kalten Nächten mache ich den Kamin an, dessen Wärme schmilzt auch allen Schnee, der sich auf dem Glas ansammelt. Und durch das große Teleskop dort in der Ecke kann man wenigstens in der Theorie einen Blick auf ganz Belletristica werfen! Wieso nur in der Theorie, fragst du? Nun, Belletristica ist riesig. Der kleinste Stupser am Teleskop und man sieht hunderte von Meilen daneben. Hier, diese lange Liste mit Koordinaten gehört zu all meinen Freunden hier, sodass ich sie jederzeit finden kann. Jemanden ohne Koordinaten zu finden, ist vermutlich unmöglich.
Nein, nein, ich bin ja kein Stalker. Ich nutze das Teleskop eigentlich nur zum Sternegucken. Aber wenn eine Invasion naht, ist es immer praktisch, wenn man die Wachtürme, Burgen und Grafschaften der Anderen im Blick behalten kann - falls jemand Hilfe braucht. Und natürlich suche ich auch das Krea-Tief-Tal ab, falls dort ein Autor herumirrt, der dem schrecklichen Sog des Tals erlegen ist.
Nun, genug von den Gefahren - soll ich dir etwas tolles zeigen? Komm wieder herunter. Hier, das Sternrelief in der Wand, das ist dir sicher schon aufgefallen. Wenn ich jetzt - Oh, Moment. Mach du das doch. Hier, einfach auf den größten Stern drücken.
Sofort erstrahlt das Abbild des Sterns in sanftem Licht. Die acht kleinen Sterne ringsum glühen kurz darauf ebenfalls auf.
Komm mit nach draußen, lieber Leser. Siehst du den Hof? Die vielen Laternen, die den Schnee bestrahlen und den Sternen am Himmel Konkurrenz machen?
Dies ist mein Alarmsignal. Eine Sirene fand ich viel zu dramatisch. Wenn Gefahr droht, egal, ob sie von Dämonen, Dunkelheit oder dem Krea-Tief-Tal ausgeht, dann soll mein Hof in allen Farben der Sterne erstrahlen und das Licht der Hoffnung soll Angst und Zweifel verbannen.
Text: Die letzte, lange Nacht der Fantasie
Spitzname: Lange Nacht
Profil: Marvin der Graue